Terrornetzwerk mit Familienanschluss

Falscher Alarm: Sprengstoffexperten prüfen eine Sporttasche
Acht Festnahmen.Vater und Bruder des Attentäters in Libyen verhaftet, IS-Verbindung zweifelhaft.

Es war nur eine Sporttasche, und doch hielt die am Donnerstag Manchester erneut in Atem. Einheiten von Polizei und Armee samt Dutzenden Spezialisten für Bombenentschärfung rückten gegen Mittag im Südwesten der Stadt zu einem Großeinsatz in einem College aus.

Das Ganze stellte sich schließlich als Fehlalarm heraus, demonstrierte aber erneut die Nervosität der britischen Sicherheitskräfte auch drei Tage nach dem Blutbad am Rande eines Popkonzerts in der nordenglischen Industriestadt. Im ganzen Land herrscht weiterhin die höchste Sicherheitsstufe, auch weil die Fahndung nach den Hintermännern des Selbstmordattentäters Salman Abedi inzwischen zumindest eines deutlich gemacht hat: Es handelt sich um ein hochprofessionelles Terrornetzwerk.

Hinweise darauf lieferten etwa Zünder und andere Bombenbauteile, die in der Wohnung des Terroristen gefunden wurden. Es handelt sich nach Ansicht von Sicherheitsexperten um Material, dessen Herstellung und Handhabung hohe technische Sachkenntnis verlangt. Die Zünder sollen die gleiche Bauart haben wie jene, die bei den Anschlägen in Paris und Brüssel verwendet wurden. Ein möglicher Hinweis darauf, dass auch der Manchester-Attentäter Verbindungen zum Terrornetzwerk IS hatte. Ein Verdacht, den etwa auch französische Ermittler ebenfalls äußern.

Libyen im Blickfeld

Ähnlich äußert sich auch einer der Brüder Abedis, der in Manchester festgenommen wurde. Dieser sei Mitglied der Terrormiliz IS gewesen. Der Vater allerdings, der in Libyen von einer Anti-Terroreinheit der Regierung verhaftet worden ist, will an eine Verbindung seines Sohnes zu jeglicher Terrorgruppe nicht glauben: "Er hat diese Ideologie nicht, glaubt nicht an so etwas." Als gebürtiger Libyer, der in den Neunzigerjahren aus dem Land und vor Diktator Gaddafi geflohen war, ist Ramadan Abedi 2011 in seine alte Heimat zurückgekehrt, mit ihm zumindest ein Bruder des Terroristen, der ebenfalls nach dem Anschlag verhaftet wurde.

Welche Rolle seine Familie bei der Radikalisierung Salmans gespielt hat, ist vorerst unklar. Zumindest einer seiner Brüder soll sich in Manchester in denselben Kreisen bewegt haben.

Geheimdienst-Krach

Während die Ermittlungen nach Auskunft der britischen Polizei auf Hochtouren laufen und neben den acht Verhaftungen auch "bedeutsame Funde" gebracht haben, herrscht bei den britischen Behörden massive Verärgerung über die Kollegen vom US-Geheimdienst. War schon der Name des Terroristen zuerst in einer US-Zeitung aufgetaucht, so wurden jetzt hochbrisante Aufnahmen von Bruchstücken des verwendeten Sprengstoffgürtels ebenfalls in US-Zeitungen veröffentlicht. Offensichtlich gibt es bei den US-Geheimdiensten eine undichte Stelle, über die Medien mit geheimen Informationen gefüttert wurden. Die Briten haben den Austausch von Daten in dem Fall vorerst eingestellt.

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