Die „Fünfte Generation“ ist an der Macht

Die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt bekommt neue Führer. Sie stehen unter Reformzwang.

Ist der US-Präsidentschaftswahlkampf eine milliardenteure Polit-Show mit ungewissem Ausgang, so folgt die Kür chinesischer Führer einer strengen Choreografie ohne Zufälle – gemeinsam ist beiden Ereignissen nur der Wille zur großen Inszenierung.

In Peking versammeln sich heute 2270 Delegierte der chinesischen KP. Auf ihrem Parteikongress, der nur alle fünf Jahre stattfindet und eine Woche dauert, dürfen sie die Machtübergabe an die „fünfte Generation“ nach Staatsgründer Mao Zedong nur abnicken. Die Entscheidungen sind längst gefallen.
Vizepräsident Xi Jinping wird das Amt des Parteichefs vom scheidenden Hu Jintao übernehmen und im Frühjahr den 69-Jährigen auch als Staatspräsidenten ablösen. Xi stammt aus dem Zirkel um Altpräsident Jiang Zemin, der auch mit 86 hinter den Kulissen die Fäden zieht. Der neue starke Mann ist Teil des Partei-Adels, sein Vater war Kampfgefährte Maos und später Wirtschaftsreformer unter Deng Xiaoping.

"Prinzling"

Der „Prinzling“ Xi diente sich durch alle Ebenen hoch – vom Dorf bis in die Spitzengremien. Als Gouverneur und Parteichef regierte er die dynamischen Regionen Fujian, Zhgejiang, Schanghai. Der 59-Jährige gilt als privatwirtschaftlicher Reformer.

Als Premier zur Seite stehen wird ihm der 57-jährige Li Keqiang. Auch der Jurist und Ökonom, der sich um die Wirtschaft kümmern soll, steht Jiang Zemin nahe.

Wer die restlichen fünf Sitze im Ständigen Ausschuss des Politbüros – dem alles entscheidenden Machtzentrum – einnehmen wird, ist noch nicht bekannt. Im Vorfeld lieferten sich Konservative und Reformer einen erbitterten Machtkampf. Die unterschiedlichen Strömungen zu kanalisieren, wird für den Pragmatiker Xi die schwierigste Aufgabe sein.

China hat zwar den Aufstieg zur zweitstärksten Wirtschaftsmacht geschafft und ist auf der Bühne der Weltpolitik nicht mehr zu umgehen, Veränderungen sind aber dringend notwendig.

Wirtschaft  Das Wachstum ist auf unter acht Prozent gesunken. Das klingt viel, für 1,3 Milliarden Chinesen und die auf den Arbeitsmarkt drängenden Jungen ist es aber zu wenig. Der Wirtschaftserfolg hängt noch immer vorwiegend am Export. Da aber die Löhne gestiegen sind, bekommt China erstmals die Konkurrenz durch billigere Länder zu spüren. Auch muss die Inflation bekämpft und die Umweltzerstörung gebremst werden.

Soziale Unruhe  Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auf, das Gefälle zwischen Stadt und Land nimmt zu. Die Menschen sorgen sich um ihre Krankenversicherung. Beamtenwillkür und unverschämt korrupte Parteikader führen zu immer mehr lokalen Protesten.

Ansehen der KP Die Partei mit ihren 82 Millionen Mitgliedern und dem Alleinherrschaftsanspruch ist von Skandalen gebeutelt. Der einstige Polit-Star Bo Xilai wurde aus allen Ämtern gejagt, aus der Partei ausgeschlossen und muss vor Gericht. Jetzt wird auch untersucht, ob die Familie von Noch-Premier Wen Jiabao tatsächlich ein Vermögen von 2,1 Milliarden Euro zusammengerafft hat. Auch um den Clan von Xi Jinping gibt es entsprechende Berichte, die trotz strenger Zensur nicht zu unterdrücken sind. Um jede Störung des Parteitages zu verhindern, wurden vorsorglich 130 Dissidenten aus dem Verkehr gezogen.

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