Die EU-Topjobs sind vergeben

Der Pole Donald Tusk (li.) folgt Van Rumpoy als EU-Ratspräsident, zudem leitet er die Treffen der Eurogruppe, die Italienerin Federica Mogherini wird EU-Chefdiplomatin.
Favoriten setzten sich durch: Ratspräsident wird Donald Tusk, Außenbeauftragte Federica Mogherini.

Federica Mogherini strahlte über das ganze Gesicht, Donald Tusk wirkte noch ein bisschen gehemmt, als beide vor die internationale Presse traten. Noch-Ratspräsident Herman Van Rompuy überreichte der künftigen EU-Chefdiplomatin und seinem Nachfolger je einen bunten Blumenstrauß.

Mit der raschen Bestellung der Top-Posten Samstagabend haben die 28 Staats- und Regierungschefs gleich mehrere Botschaften ausgesendet: Wenn der politische Wille gegeben und der Druck von außen stark genug ist, sind rasche Entscheidungen möglich. Die Vergabe der neuen Ämter an die italienische Sozialdemokratin und den konservativen Polen zeigt, dass die Große Koalition in der EU funktioniert. Die EU-Granden haben damit aber auch ein Signal an Russland geschickt: Ein Vertreter Polens, der gleichzeitig ein enger Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist, hat nun einen EU-Spitzenjob, analysiert ein hoher Diplomat.

Die EU-Topjobs sind vergeben
Poland's Prime Minister Donald Tusk is welcomed by German Chancellor Angela Merkel (R) before joint government talks at the Chancellery in Berlin in this November 14, 2012 file photo. European Union leaders chose Tusk as the new president of their Council on August 30, 2014, outgoing European Council President Herman Van Rompuy said. REUTERS/Thomas Peter/Files (GERMANY - Tags: POLITICS)
„Es sieht gut aus, dass wir eine Entscheidung treffen“, hatte Merkel bereits vor dem Gipfel die Richtung vorgegeben. Tusk und Mogherini standen seit Tagen als Favoriten fest. Dass sie es dann innerhalb von nur einer Stunde wurden, hat aber viele überrascht.

Europas Sozialdemokraten standen seit Wochen geschlossen hinter Mogherini, Europas Konservative und Christdemokraten einigten sich in den vergangenen Tagen auf Tusk. Regie führte im Hintergrund der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er vermittelte erfolgreich – und es gab viel Lob für ihn. Bundeskanzler Werner Faymann sprach von „einem sehr guten Tag für Europa“. Er schätze Tusk menschlich sehr, auch wenn er in einigen Fragen, wie der Atomkraft, anderer Meinung sei. Mogherini kenne er seit Längerem, sie ist eine enge Vertraute von Ministerpräsident Matteo Renzi.

Tusk und Mogherini sind ein dynamisches Duo.“

Nur wenige Minuten nach der Wahl der Italienerin gratulierte ihr der österreichische Amtskollege Sebastian Kurz.

Tusk und Mogherini sind ein dynamisches Duo“, bekundete der finnische Premier Alexander Stubb.

Die EU-Topjobs sind vergeben
Italy's Foreign Affairs Minister Federica Mogherini (L) is embraced by European Union foreign policy chief Catherine Ashton, before a news conference at the end of an informal meeting of the EU Foreign Affairs Ministers in Milan August 30, 2014. REUTERS/Alessandro Garofalo (ITALY - Tags: POLITICS)

Verflogen waren auch plötzlich die Vorbehalte, die es gegenüber der 42-jährigen Italienerin und auch gegenüber dem 57-jährigen Tusk gab. Mogherini warfen vor allem Vertreter der baltischen Staaten vor, zu jung, zu unerfahren und zu russlandfreundlich zu sein. Wirklich belegen konnte das keiner. Mogherini und ihre Befürworter erwiderten bestimmt, dass eine jüngere Politikerin nicht die Berufserfahrung eines Veteranen habe könne. Am Samstag brillierte sie jedenfalls in der Pressekonferenz: In vier Sprachen antwortete die studiertePolitikwissenschafterin auf schwierige Fragen.

Bei Tusk hatten Diplomaten praktische Probleme ins Treffen geführt: Der konservative Politiker spricht nur Polnisch – Englisch kann er kaum, Französisch gar nicht. Zu verhandeln, auszugleichen, geschliffene Formulierungen in Texten zu finden, ist ohne Kenntnis der wichtigsten EU-Sprachen schwer möglich, sagten hochrangige Diplomaten. Er versprach, die erste offizielle Pressekonferenz als Ratspräsident auf Englisch zu halten. Über den Wechsel von Warschau nach Brüssel freut sich jetzt seine Frau. Sie gilt als treibende Kraft hinter Tusk.

Zur Person: Donald Tusk

Angriffslust und Führungsqualitäten bewies Donald Tusk (57) schon als Sejm-Abgeordneter und Parlamentspräsident. Der große Blonde aus Danzig war Stürmer und Kapitän der Fußballmannschaft des polnischen Parlaments. Seit 2007 ist Tusk Regierungschef Polens.

Die EU-Topjobs sind vergeben
Poland's Prime Minister Donald Tusk arrives at the European Council headquarters ahead of a EU summit in Brussels August 30, 2014. At a summit in Brussels that may hand one of the Union's top jobs to Poland's premier and give hawkish Kremlin critics in ex-communist Eastern Europe new influence in the bloc, EU officials gave Ukraine's embattled President Petro Poroshenko a warm welcome and assurances of further economic and other support. REUTERS/Laurent Dubrule (BELGIUM - Tags: POLITICS)
Auf der Siegerseite des Lebens stand Tusk nicht immer. Sein Vater starb, als der kleine Donald noch Schüler war. Die Niederschlagung des Werftarbeiter-Streiks in seiner Heimatstadt Danzig (Gdansk) trieb den damals 13-Jährigen in die Opposition zum kommunistischen Regime. Während seines Geschichtsstudiums arbeitete er auf Baustellen. Während des Kriegsrechts Anfang der 80er Jahre war der junge Familienvater im Untergrund für die verbotene Gewerkschaft "Solidarnosc" aktiv.

Nach der Wende in Polen wirkte Tusk zunächst in der linksliberalen Freiheitsunion, gründete dann aber 2001 die liberalkonservative Partei Bürgerplattform (PO), deren Vorsitzender er bis heute ist.

Der europäische Gedanke wurde Tusk in die Wiege gelegt. Als Kaschube versteht er das Bewusstsein regionaler Identität. Als Danziger wuchs er auf in einer Stadt, die das ganze Spannungsfeld deutsch-polnischer Nachbarschaft durchlebt hat - im Guten wie im Schlechten.

Auch als Großvater ist der aktive Sportler Tusk bis heute stolz auf seine Fitness. Als größter Stolperstein für eine europäische Karriere Tusks galt bisher sein bescheidenes Englisch. Der bei seinen Auftritten mitunter spröde wirkende Politiker spricht allerdings fließend Deutsch und pflegt ein gutes Verhältnis zur deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Zur Person: Federica Mogherini

Bis vor einigen Monaten war Federica Mogherini (41) selbst in Italien größtenteils unbekannt. Die neue EU-Außenbeauftragte ist jung und ehrgeizig, hat aber ausgerechnet auf dem diplomatischen Parkett bisher nur wenig Erfahrung.

Die gebürtige Römerin gehört zur nachrückenden Politiker-Generation in Italien. Vor einem halben Jahr übernahm die Frau mit den schulterlangen blonden Haaren das Amt der Außenministerin - in einer Zeit voller Krisen von der Ukraine über Nahost bis zum Irak.

Die zweifache Mutter gilt als modern und offen. Sie betreibt neben ihrem Amt als Außenministerin einen eigenen Blog und nutzt intensiv die sozialen Netzwerke. Mogherini wurde früh politisch aktiv. Sie engagierte sich in Kampagnen gegen Rassismus und Fremdenhass, bevor sie schließlich in der Jugendorganisation der Linksdemokraten vor knapp zwei Jahrzehnten ihre politische Karriere startete.

Die studierte Politikwissenschaftlerin wurde im Jahr 2008 erstmals in das Abgeordnetenhaus gewählt. In ihrer Mitte-Links-Partei PD (Demokratische Partei) profilierte sich Mogherini als Expertin für Verteidigung, internationale Angelegenheiten und Europa.

Mogherini mag neben dem Bücherlesen besonders das Reisen. Zumindest zu letzterem wird sie in ihrem neuen Job ausgiebig kommen, auch wenn es angesichts einiger Krisen nicht immer die beliebtesten Touristenziele werden dürften.

Kommentare