100 Tage Trump: Turbulenzen, Fehlschläge und Kehrtwendungen
Einen Rekord hat Donald Trump vermutlich schon erreicht: Der Milliardär mit Hang zu Superlativen gilt als unpopulärster Präsident aller Zeiten. Seinen bisherigen politischen Leistungen können nur 40 Prozent der Amerikaner Gutes abgewinnen. So schlecht war noch kein Bewohner des Weißen Hauses kurz nach dem Start bei seinen Mitbürgern angeschrieben.
Vorerst also sieht die Bilanz mager aus. Trump hat bisher fast 30 präsidiale Dekrete (Sonderverordnungen) unterzeichnet. Dabei handelt es sich oft um Prüfaufträge mit ungewissem Ausgang. Bisher brachte er kein einziges durchfinanziertes, gesetzgeberisches Großvorhaben zustande, mit dem er gemeinsam mit dem republikanisch beherrschten Kongress Regierungsfähigkeit aus einem Guss unter Beweis gestellt hätte.
Zur Terror-Prävention hat Trump Bürger aus ausgewählten muslimisch dominierten Ländern mit Einreiseverboten belegt. Die Initiative ist von mehreren Gerichten als verfassungswidrig gestoppt worden. Auch die von Washington angedrohte Kürzung von millionenschweren Zuschüssen für Städte wie New York, Los Angeles oder San Francisco, die nicht straffällig gewordenen Migranten ohne Aufenthaltspapiere Zuflucht bieten ("sanctuary cities"), ist gesetzwidrig.
(Noch) keine Mauer
Auf Eis liegt der angekündigte Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, um Drogen-Kuriere und illegale Einwanderer abzuhalten. Mexiko will nicht, wie von Trump beteuert, für das Projekt bezahlen. Der Kongress in Washington hat bisher nur symbolische Beträge für das auf über 70 Milliarden Dollar geschätzte Bauwerk freigegeben.
Durchgesetzt
Zudem hat er Amerika aus dem Freihandelsabkommen TPP mit Asien herausgelöst, zwei umstrittene Öl-Pipeline-Projekte freigegeben und diverse regulatorische Auflagen für die Industrie aus der Zeit seines Vorgängers aufgehoben. Allein die massive Verschärfung der Rhetorik in der Einwanderungsdebatte hat die Zahl der illegalen Übertritte an der Grenze zu Mexiko um über 50 Prozent sinken lassen.
Außenpolitisch vollzog Trump mehrere Kehrtwenden: Er hielt die NATO für "obsolet", die EU nach dem "Brexit" Großbritanniens für ein Wackelbündnis, Russlands Präsidenten Wladimir Putin für einen starken Partner, China für einen Währungsbetrüger – und Amerika als Weltpolizist für ein Auslaufmodell. Nichts davon hat die ersten drei Monate überstanden. Die NATO ist heute für Trump ein "Bollwerk für den Frieden", die EU ein wichtiger, intakter Partner, Putin eine feindselige Kraft, die den Westen destabilisieren will, China – nach dem Besuch von Präsident Xi Jinping – kein Währungsbetrüger und die USA der Garant für Frieden und Freiheit auf dem Globus. Mit 59 Raketen auf einen syrischen Flugplatz – Reaktion auf einen Diktator Assad zugeschriebenen Giftgas-Angriff auf Zivilisten – gab Trump die zugesagte militärische Zurückhaltung Amerikas auf. Wie Trump mit China und Russland, geopolitisch nach wie vor die größten Rivalen, auf Dauer verfahren will, bleibt weiter mysteriös.
Weitere Baustellen
Trump versprach eine neue Strategie im Kampf gegen das Terror-Netzwerk "Islamischer Staat" – bis heute Fehlanzeige. Das umstrittene Atomabkommen mit dem Iran wollte Trump zügig aufkündigen – davon ist keine Rede mehr.
Apropos Asien. Nach der Abkehr von den Freihandelsabkommen TPP (Partner sind z.B. Singapur, Vietnam, China) und TTIP (mit Europa) steht weiter aus, wie die USA mit anderen Ländern ihre Wirtschaftsbeziehungen gestalten wollen. Bis zum Sommer sollen die Ministerien für Wirtschaft und Finanzen Vorschläge für Einzel-Abkommen ausarbeiten. Ob darin flächendeckend Handelsbarrieren auftauchen, ist ungewiss. Bei Stahl und – aktuell – kanadischem Weichholz will Trump ausländische Hersteller mit Strafzöllen belegen. Die erwogene "Grenzausgleichssteuer", die vor allem exportstarke Nationen wie Deutschland massiv beeinträchtigt hätte, ist dagegen vom Tisch.
Trump nimmt für sich in Anspruch, etliche Großunternehmen, wie Autohersteller, von der Abwanderung ins Ausland abgehalten zu haben. Dadurch seien in den USA 600.000 Jobs entstanden bzw. gesichert worden. Die Zahl wird von unabhängigen Instituten als "aus der Luft gegriffen" bezeichnet. Viele Investitionen seien bereits lange vor der Wahl Trumps beschlossen gewesen. Gleichwohl profitiert Trump vom Staffelstab, den ihm Obama übergeben hat (niedrige Arbeitslosenquote, hohe Energieförderung aus heimischen Quellen, gestiegene Kauflaune). Die ökonomische Zuversicht der Amerikaner ist laut Umfragen so groß wie seit 15 Jahren nicht.
Einen seiner größten Fehler beging Trump noch während des Wahlkampfes. Damals hatte er versprochen, zu gegebener Zeit seine Steuererklärung zu veröffentlichen ("Ich habe nichts zu verbergen"). Heute verweigert er den Blick in seine Besitzverhältnisse und Geschäftsbeziehungen. Kritiker fühlen sich bestätigt, dass ausländische Regierungen, wie Moskau, Belastendes gegen Trump in der Hand haben könnten. Aber auch für diese Steuererklärung hat Trump zumindest noch 1450 Tage Zeit – von seiner ersten Amtszeit sind ja erst 100 Tage verstrichen.
981 Tweets (20.01.–28.04.): Mit seinen Twitter-Botschaften bestimmt Trump die Schlagzeilen – je nach Lust und Laune schimpft er gegen Medien, kündigt Gesetze an oder duelliert sich mit Amtskollegen. CNN-Moderator Anderson Cooper brachte es auf den Punkt: „Twitter ist wie ein Seismograf. Ein Echtzeit-Seismograf für die inneren Vorgänge in Trumps Kopf.“ Und diese beeinflussen auch die Wirtschaft. Mexikos Währung etwa geriet massiv unter Druck, nachdem Trump gegen mexikanische Importe twitterte.
20 Mal am Golfplatz: Trump warf Obama vor, zu oft auf dem Golfplatz zu stehen und mit Reisen Steuergelder zu verschwenden. Trump ist seit Amtsantritt fast 20 Mal auf dem gepflegten Grün mit dem Schläger gesehen worden. Seine regelmäßigen Wochenend-Trips ins Privat-Domizil Mar-a-Lago in Florida haben einen hohen zweistelligen Millionenbetrag verschlungen – denn dort sind spezielle Sicherheitsmaßnahmen nötig. An diese hat sich der Präsident auch nach 100 Tagen noch nicht gewöhnt, wie er kürzlich in einem Interview erklärte: „Du lebst wirklich in deinem eigenen, kleinen Kokon. Die Sicherheitsmaßnahmen sind so massiv, dass du wirklich nirgendwo hingehen kannst.“
59 Marschflugkörper: Donald Trump lässt die Muskeln spielen. Aus dem Isolierer, der nichts mit Konflikten im Ausland zu tun haben wollte, ist ein Feldherr geworden. Viele wählten ihn, weil er, im Gegensatz zu Hillary Clinton, das Gegenteil von Interventionspolitik versprach. Heraushalten aus internationalen Krisen, war sein Credo. Nun hat er sich gedreht: Im Jemen hat er Luftschläge befohlen, in Syrien Marschflugkörper eingesetzt, Nordkorea droht er.
8 Tage bis zur ersten Kündigung einer Frau: Rumana Ahmed war die einzige Frau mit Kopftuch im Weißen Haus – seit 2011 arbeitete sie unter US-Präsident Barack Obama. Als Donald Trump im Januar das Oval Office bezog, blieb sie – aus Prinzip. Sie wollte eine facettenreichere Sicht auf den Islam geben und zwischen Amerikas Muslimen vermitteln. Doch Trumps Einreiseverbot für Bürger aus überwiegend muslimischen Staaten und für alle syrischen Flüchtlinge war ihr dann zu viel, sie kündigte.
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