Ditib: Türkischer Justizminister verurteilt Razzien

Ditib-Moschee in Köln.
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland glaubt, durch ein Ende der Zusammenarbeit würden Radikale gestärkt. Türkischer Justizminister verurteilt Razzien.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland hat vor einer Aufkündigung der Zusammenarbeit mit dem Islamverband Ditib gewarnt. "Ein Abbruch der Kontakte wäre kontraproduktiv", sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Gökay Sofuoglu, den Ruhr Nachrichten vom Donnerstag. Sofuoglu verwies darauf, dass die wegen einer Spitzelaffäre kritisierte Ditib "die einzige gemäßigte islamische Organisation in Deutschland" sei.

"Neben den von Ankara eingesetzten Imamen gibt es viele jüngere Türken der zweiten Generation, die im Ditib-Vorstand sitzen und sich für Reformen einsetzen", hob Sofuoglu hervor. "Eine pauschale Verurteilung und ein Abbruch der Zusammenarbeit würden die Reformbewegung zerstören."

Religionsgemeinschaft

Ditib müsse die Spitzelaffäre "lückenlos aufklären und klarmachen, dass sie sich als Religionsgemeinschaft und nicht als politische Organisation versteht", forderte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde. "Durch ein Ende der Kooperation würden die Radikalen gestärkt."

Einzelne Ditib-Imame stehen im Verdacht, im Auftrag der türkischen Religionsbehörde Diaynet in Deutschland Informationen über Anhänger des in der Türkei als Staatsfeind eingestuften Predigers Fethullah Gülen gesammelt und darüber dem türkischen Generalkonsulat in Köln berichtet zu haben. Die Bundesanwaltschaft ließ im Zuge entsprechender Ermittlungen am Mittwoch die Wohnungen von vier islamischen Geistlichen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz durchsuchen.

Regierung erhöht Druck

Unterdessen erhöhte die Regierung in Berlin den Druck auf den Islamverband. "Ditib muss die Ernsthaftigkeit der Vorwürfe endlich begreifen und darauf reagieren", mahnte die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz (SPD) in den "Ruhr Nachrichten". "Der Verband muss mit all seinen Möglichkeiten die Ermittlungen unterstützen, damit alle Vorwürfe schnell aufgeklärt werden können."

Türkischer Justizminister verurteilt Razzien

Die Razzien sind in der Türkei auf scharfe Kritik gestoßen. Der türkische Justizminister Bekir Bozdag verurteilte am Donnerstag die Durchsuchungen als "klaren Verstoß gegen internationale Abkommen und die deutsche Verfassung".

Schließlich sei die Religions- und Glaubensfreiheit dort festgeschrieben, sagte der Politiker der regierenden AK-Partei dem Sender CNN Türk. Er warf den deutschen Behörden indirekt vor, unter dem Einfluss der Gülen-Bewegung zu handeln.

Die Ermittlungen zeigten, wie leicht Deutschland "den Behauptungen von Terroristen Glauben schenkt", sagte Bozdag. Mehrere Imame werden verdächtigt, im Auftrag der türkischen Religionsbehörde Diyanet in ihren Gemeinden Informationen zu Anhängern des islamischen Predigers Fethullah Gülen gesammelt zu haben, der in der Türkei für den gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli verantwortlich gemacht wird.

Der AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroglu bezeichnete die Durchsuchungen "wegen sogenannter Spionagevorwürfe" als "politisch motiviert". "Die Razzien in den Häusern der Ditib-Imame in Deutschland sind inakzeptabel", erklärte der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im türkischen Parlament, der selbst in Deutschland aufgewachsen ist. "Ich bin wirklich in Sorge über die Zukunft der türkischen Gemeinde dort."

ATIB hierzulande im Visier

Auch in Österreich gibt es polizeiliche Ermittlungen, nachdem der Grün-Abgeordnete Peter Pilz Spionagevorwürfe gegen ATIB (Türkisch-Islamische Union) sowie gegen andere, mit dem türkischen Staat verbundene Einrichtungen und Organisationen in Österreich den Vorwurf erhoben hat, mutmaßliche politische Gegner von Präsident Recep Tayyip Erdogan in Österreich zu "bespitzeln".

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