Tausende demonstrieren gegen Pegida

Pediga-Gegner in Köln
In Köln drehten Gegner die Lichter ab, "Willkommen im Abendland! Rostock für alle" hieß es in Rostock.

Tausende Menschen haben am Montagabend in mehreren deutschen Städten gegen die islamfeindliche Pegida-Bewegung und für mehr Toleranz und Weltoffenheit demonstriert. Vor allem in Berlin, Stuttgart und Köln kam es zu größeren Protestaktionen gegen Islam- und Fremdenfeindlichkeit. In Dresden protestierten am Montag erneut Tausende Pegida-Anhänger gegen eine angebliche "Überfremdung" Deutschlands.

In Köln schalteten aus Protest viele Gebäude die Beleuchtung ab. Auch der Kölner Dom war völlig dunkel. Die Demonstranten zeigten Plakate mit Sprüchen wie "Gemeinsam für ein tolerantes und buntes Köln" oder "Vielfalt statt Einfalt". Angesichts tausender Gegendemonstranten hat die anti-islamische Pegida-Gruppierung in Köln am Montag eine Kundgebung dann auch nach kurzer Zeit abgebrochen. Der geplante Gang über eine Rheinbrücke zum Dom sei abgesagt worden, berichtete ein Sprecher der Polizei am Rande der Kundgebung. Unter Tausenden Gegendemonstranten brach daraufhin Jubel aus. Es war ihr ausdrückliches Ziel gewesen, eine Demonstration von Kögida - so nennt sich die Bewegung in Köln - zu verhindern. Deren Aufruf waren nur einige Hundert Anhänger gefolgt.

In Berlin zogen mehr als 5.000 Menschen in Richtung Brandenburger Tor. Fahnen von SPD, Linken und Gewerkschaften waren zu sehen, aber auch Abzeichen der linksradikalen Antifa. Der Berliner Pegida-Ableger Bärgida brachte dagegen nur wenige hundert Teilnehmer zusammen.

An den Anti-Pegida-Protesten in Stuttgart beteiligten sich nach Angaben der Polizei rund 5.000 Menschen, die Veranstalter sprachen von 8.000 Teilnehmern. In Hamburg forderten bei einer Kundgebung am Hauptbahnhof mehr als 1.000 Menschen Toleranz und Offenheit gegenüber Flüchtlingen und anderen Kulturen.

Bilder der Anti-Pediga-Demos

Tausende demonstrieren gegen Pegida

GERMANY PROTESTS ANTI PEGIDA
Tausende demonstrieren gegen Pegida

People take part in a protest against the march of
Tausende demonstrieren gegen Pegida

GERMANY PROTEST ANTI PEGIDA
Tausende demonstrieren gegen Pegida

GERMANY PROTEST ANTI PEGIDA
Tausende demonstrieren gegen Pegida

GERMANY PROTESTS ANTI PEGIDA
Tausende demonstrieren gegen Pegida

GERMANY PROTESTS ANTI PEGIDA
Tausende demonstrieren gegen Pegida

GERMANY PROTEST ANTI PEGIDA
Tausende demonstrieren gegen Pegida

GERMANY PROTESTS ANTI PEGIDA

Auch in Rostock kamen rund 800 Menschen zusammen, um unter dem Motto "Willkommen im Abendland! Rostock für alle" ein Zeichen gegen eine für nächste Woche geplante Pegida-Demonstration zu setzen.

In Dresden beteiligten sich mehrere Hundert Menschen an einer Gegenveranstaltung. In der sächsischen Landeshauptstadt ist die Pegida-Bewegung entstanden. In Dresden fand allerdings auch die bisher größte Kundgebung der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" statt. Laut Polizeiangaben fanden sich am Montagabend rund 18.000 Menschen gegen eine angebliche "Überfremdung" des Landes durch Ausländer ein,

Die beiden deutschen Altbundeskanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder (beide SPD) haben gegen die islamfeindliche Bewegung Pegida das Wort erhoben. Schmidt sagte der "Bild"-Zeitung vom Dienstag, die Proteste appellierten an "dumpfe Vorurteile, an Fremdenhass und Intoleranz". Das jedoch sei nicht Deutschland. Die Bundesrepublik dürfe Flüchtlinge und Asylbewerber nicht verstoßen. "Deutschland muss weltoffen und tolerant bleiben", so Schmidt.

Schröder forderte im Gespräch mit der Zeitung erneut einen neuen "Aufstand der Anständigen" gegen Fremdenfeindlichkeit. Dazu hatte Schröder im Jahr 2000 nach einem Brandanschlag auf eine Düsseldorfer Synagoge aufgerufen. Einen neuen solchen Aufstand "brauchen wir auch heute". Er lobte die Haltung von Parteien und Kirchen, die eine "klare Position gegen Pegida gefunden haben".

Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schloss sich dem gemeinsamen Appell gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz an. "Parolen ersetzen keine Fakten: Deutschland braucht Zuwanderer", sagte er der "Bild"-Zeitung. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte, Pegida schade nicht nur dem Land, es werfe auch ein "schlechtes Bild auf Deutschland im Ausland". Umso wichtiger sei es, zu verdeutlichen, "dass diejenigen, die da auf einigen Straßen ihre Parolen rufen, eine kleine Minderheit mit einer lauten Stimme sind". Ähnlich äußerte sich Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Wer mit "diffusen Ängsten spielt oder Fremdenfeindlichkeit schürt, spricht nicht für die Mehrheit".

In Wut und Angst vereint gehen immer mehr Deutsche in Dresden auf die Straße, um gegen eine vermeintliche Islamisierung zu demonstrieren. Sie singen Weihnachtslieder, skandieren Parolen, schimpfen auf Flüchtlinge, "Lügenpresse" und Politik. Der KURIER beantwortet wichtige Fragen zur Pegida-Bewegung.

Wofür steht Pegida?

Seit Oktober rufen die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" jeden Montag zu Kundgebungen auf. "Wir sind gegen radikale Islamisten und gegen die fortschreitende Islamisierung unseres Landes", sagen die Initiatoren. Neunzehn Punkte umfasst ihr Positionspapier. Von der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen als Menschenpflicht ist da zu lesen, der Pflicht zur Integration, aber auch von einer Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern, sowie einer Ablehnung von "Gender Mainstreaming". Die Positionen gehen also weit auseinander.

Wer hat Pegida initiiert?

Die "Spaziergänge", wie die Bewegung ihre Protestmärsche selbst nennt, führt Lutz Bachmann an. Der gelernte Koch besitzt eine Foto- und PR-Agentur und ist vorbestraft: "Ich stehe zu diesem Vorleben." Einer längeren Haftstrafe versuchte er durch eine Flucht nach Südafrika zu entgehen. Dort wurde er jedoch gefasst und nach Deutschland zurückbefördert, wo er ins Gefängnis ging. Sein Kommentar bei Facebook: "Interessant, oder? Dieses Land schiebt tatsächlich schnell und unbürokratisch ab und verschenkt keine Duldungen und Bleiberechte."

Die Polizei erwischte Bachmann außerdem mit Kokain. Er ist immer noch auf Bewährung, darf keine öffentlichen Ämter bekleiden und ist nicht wählbar. Außerdem verstoße er gegen die Unterhaltspflichten für seinen Sohn, so Medienberichte.

Die Pegida-Anhänger jubeln ihm trotzdem zu. Das liegt auch am rhetorischen Talent Bachmanns: Wenn der Pegida-Wortführer seine Reden hält, erntet er Applaus und Gejohle; zustimmendes Gelächter, wenn er einen Witz macht. Mit Medien spricht er ungern, dafür versorgt er seine Fans auf Facebook regelmäßig mit Fotos und Postings.

Neben Bachmann sind noch elf weitere Mitstreiter im Organisationsteam.

Ist die Bewegung rechtsextrem?

In seinen Reden ist Wortführer Bachmann offenkundig fremdenfeindlich. Er wettert gegen "Heime mit Vollversorgung" für Flüchtlinge, während sich die deutschen Alten "manchmal noch nicht mal ein Stück Stollen leisten können zu Weihnachten". Dafür erntet er Zustimmung der Demonstranten, trotzdem sind diese sehr unterschiedlich in Background und Einstellung. Sachsens Innenminister Markus Ulbig stellt im KURIER-Interview klar: "Ganz klar sehen wir Rechtsextreme, NPD-Leute und Hooligans. Aber der große Teil ist nicht rechtsradikal. Das sind Menschen, die aus diversen Gründen mitgehen, die teilweise tatsächlich Sorgen haben, vielleicht vor einem vermeintlichen sozialen Absturz." Auch der deutsche Politologe Werner Patzelt sagt: "Pegida ist das normale Volk, keine Horde von Neonazis."

Klar ist aber, dass NPD und die Neonazi-Partei Die Rechte bei den Protesten dabei sind. Sie feiern das "neue deutsche Selbstbewusstsein" und instrumentalisieren die Bewegung, um neue Mitglieder und Wähler zu gewinnen. Auch die AfD zeigt sich vermehrt solidarisch mit Pegida, was auch innerhalb der Partei zu Diskussionen führt.

In mehreren deutschen Städten gibt es kleinere Nachahmer-Veranstaltungen. Und in Österreich?

Bisher hat es in Österreich keine Pegida-Veranstaltung gegeben. Die FPÖ hält die Anliegen von Pegida allerdings für berechtigt, wie Vizeparteichef Norbert Hofer im Gespräch mit der APA sagt. Er erwartet, dass die Bewegung auf Österreich überschwappt: "Es würde mich wundern, wenn das nicht der Fall wäre." Auf Facebook gibt es zudem eine Pegida-Österreich-Seite, die baldige Demonstrationen ankündigt. Sie hat derzeit über 7000 Fans. Dass sich Pegida vom Internet auf Österreichs Straßen übertragen lässt, hält auch der Innsbrucker Politologe Reinhold Gärtner für "nicht ganz ausgeschlossen".

Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, welches die rechte Szene seit Jahren beobachtet, zeigt sich "eher skeptisch". Anders als in Deutschland schöpfe hierzulande eine etablierte Partei, namentlich die FPÖ, das Potenzial aus.

Wie steht das offizielle Deutschland zu Pegida?

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Pegida in ihrer Neujahrsansprache verurteilt. Sie rief die Bürger auf, sich von den Initiatoren nicht instrumentalisieren zu lassen: "Folgen Sie denen nicht, die dazu aufrufen! Denn zu oft sind Vorurteile, ist Kälte, ja, sogar Hass in deren Herzen." Auch der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck hatte in seiner Weihnachtsansprache zu Hilfe für Flüchtlinge aufgerufen. Das sei ein Zeichen der Menschlichkeit. In mehreren Städten kam es zudem zu Gegendemonstrationen. In Hamburg will man unter dem Motto Tegida ("Tolerante Europäer gegen die Idiotisierung des Abendlandes") protestieren. Und auch der Kölner Dom setzt ein Zeichen: Am Montag bleibt er wegen der Pegida-Demo dunkel.

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