Merkel: AfD ist "eine Herausforderung für uns alle"

Die deutsche Kanzlerin warnt vor einer Anpassung an die Wortwahl der Rechtspopulisten.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Streit um den Umgang mit der rechtspopulistischen AfD zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller Bundestagsparteien und zu einer Mäßigung im Ton der Auseinandersetzung aufgerufen. Bei der Generaldebatte im Bundestag am Mittwoch zeigte sie sich selbstkritisch, hielt aber gleichzeitig an ihrer Flüchtlingspolitik fest und verteidigte den Deal mit der Türkei.

SPD-Chef und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel hatte vor der Generaldebatte den Streit mit der Kanzlerin angeheizt und Merkel die Schuld am AfD-Aufschwung gegeben. Auch der Chef der Schwesterpartei CSU, Horst Seehofer, kritisierte Merkel scharf.

Merkel fordert Mäßigung der Sprache

Merkel warnte davor, nach den jüngsten Wahlerfolgen der AfD deren Parolen zu übernehmen. "Politiker, die Verantwortung tragen, wie wir hier, sollten sich in ihrer Sprache mäßigen", sagte Merkel und erhielt dafür Applaus. Die AfD sei nicht nur eine Herausforderung für die CDU, "sie ist eine Herausforderung für uns alle in diesem Hause", rief die Chefin der deutschen Christdemokraten. "Wenn wir untereinander nur den kleinen Vorteil suchen, um zum Beispiel noch irgendwie mit einem blauen Auge über einen Wahlsonntag zu kommen, gewinnen nur die, die auf Parolen und scheinbar einfache Antworten setzen." Und: "Ich bin ganz sicher: Wenn wir uns das verkneifen und bei der Wahrheit bleiben, dann gewinnen wir (...) das wichtigste zurück, was wir brauchen: Vertrauen der Menschen."

Bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern am vergangenen Sonntag war Merkels CDU hinter SPD und AfD nur noch auf Platz drei gekommen und unter die 20-Prozent-Marke gerutscht. Die CSU - aber auch Teile der CDU - fordern von Merkel seither wieder nachdrücklich eine Kurskorrektur in der Flüchtlingspolitik.

Merkel machte deutlich: "Wählerbeschimpfungen bringen gar nichts." Sie habe diese nie für richtig gehalten. Es verstehe sich von selbst, die Sorgen der Bürger ernst zu nehmen und selbstkritisch zu sehen, was künftig anders gemacht werden könne. Das Ernstnehmen von Sorgen und das Erläutern von Fakten seien aber zwei Seiten einer Medaille.

Merkel bleibt ihrer Flüchtlingspolitik treu

Die deutsche Bundeskanzlerin will trotz zunehmender Kritik auch in den eigenen Reihen bei ihrem Kurs in der Flüchtlingspolitik bleiben. In der Generaldebatte sprach Merkel davon, dass es bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise große Fortschritte gegeben habe. Die Situation heute sei "um ein Vielfaches besser als vor einem Jahr".

Die Zahl der Neuankömmlinge sei deutlich gesunken. Gleichzeitig komme Deutschland national und international seiner humanitären Verpflichtung nach - "und das nicht nur in Sonntagsreden". Zugleich versprach sie, Sorgen in der Bevölkerung ernst zu nehmen. "Die Menschen dürfen verlangen, dass wir das Menschenmögliche tun, um ihre Sicherheit zu gewährleisten", sagte Merkel. "Deutschland wird Deutschland bleiben - mit allem was uns daran lieb und teuer ist", versicherte die Kanzlerin.

Wegen ihrer Flüchtlingspolitik wird die deutsche Bundeskanzlerin von Opposition, Koalitionspartner und aus den eigenen Reihen kritisiert. In den letzten Tagen wurde auch erneut über die Frage diskutiert, ob Merkel bei den Bundestagswahlen 2017 erneut antritt. Aber wer könnte ihr in der CDU eigentlich entgegentreten?

Türkei-Deal "in beiderseitigem Interesse"

Merkel verteidigte erneut das umstrittene Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei. Die Vereinbarung sei "in beiderseitigem Interesse". "Es ist, seitdem wir dieses Abkommen haben, so gut wie niemand mehr in der Ägäis ertrunken", sagte sie. Der Deal könne außerdem als Modell für weitere Abkommen mit anderen Ländern wie Libyen, Tunesien oder Ägypten dienen.

Die Kanzlerin wehrte sich gegen den Vorwurf, vor dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zurückzuweichen. Wenn die Türkei die Menschenrechte verletze, werde dies auch "beim Namen genannt".

Merkel mahnt mehr europäische Solidarität ein

In der Flüchtlingspolitik lasse jedoch die Solidarität in Europa zu wünschen übrig. Daran müsse weiter gearbeitet werden, sagte Merkel mit Blick auf die Weigerung einiger - vor allem osteuropäischer - Staaten, Flüchtlinge aufzunehmen.

Traditionelle Ohrfeige für die Regierung

Die Opposition ging mit der Großen Koalition aus Christ- und Sozialdemokraten hart ins Gericht. Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte, ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl sei das Regierungsbündnis "de facto am Ende". Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte: "Diese Koalition ist eine Koalition des Chaos' - jeder gegen jeden."

In der Generaldebatte rechnet die Opposition in Deutschland traditionell mit der Regierungspolitik ab.

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