Freispruch für Wulff: "Erleichtert"

Ex-Bundespräsident Wulff vor dem Urteilsspruch in Hannover.
Der erste Prozess gegen einen Ex-Bundespräsidenten rehabilitiert Wulff voll

Fast genau zwei Jahre nach seinem Rücktritt als Bundespräsident wurde Christian Wulff in dem Strafprozess vom Vorwurf der "Vorteilsannahme" freigesprochen, so wie der mitangeklagte Filmproduzent David Groenewold. Eine Revision der Staatsanwaltschaft gilt als relativ unwahrscheinlich, sie hat dafür eine Woche Zeit. Damit ist Wulff in seiner Ehre rehabilitiert, gleichwohl muss er nach dem tiefsten Fall eines deutschen Politikers sein Leben neu ordnen.

Der Richter in Hannover sah die Vorwürfe des Staatsanwalts als "nicht hinreichend erwiesen" an: Es gibt schlicht keine schlagkräftigen Beweise gegen die Angeklagten", betonte Richter Frank Rosenow.

Ermittlungsexzess

Der Staatsanwalt hatte in 28 Prozesstagen zu belegen versucht, dass Wulff sich einst als CDU-Ministerpräsident von Niedersachsen für Groenewold unzulässig eingesetzt hatte, nachdem der 730 Euro Spesen beim Besuch des Münchner Oktoberfestes für ihn ausgelegt hatte. Vorausgegangen waren der Anklage spektakulär umfangreiche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover, die dazu über ein Jahr lang 40 Beamte beschäftigte und das Privatleben Wulffs und seines Freundeskreises detailliertest durchleuchtete.

Ausgelöst hatten die staatsanwältlichen Ermittlungen Recherchen des Boulevardblatts Bild über die von Wulff bewusst verschleierte Finanzierung seines Hauses bei Hannover, das er sich für seine zweiten Ehe mit Bettina Wulff gekauft hatte. Dabei waren Bild und andere Medien auf seine damaligen Geldnöte und engen Kontakte zu reichen Freunden gestoßen. Wulff wollte diese Meldungen zuerst mit der Würde des Amtes des Bundespräsidenten totschweigen, später beantwortete er sie widerwillig und widersprüchlich. Am 17. Februar, dem Tag des Ermittlungsbeginns der Staatsanwaltschaft, trat er zurück.

Wulff sagte nach der einstündigen Urteilsverkündung in einem Statement: "Das Recht hat sich durchgesetzt. Ich bin erleichtert und danke allen, die mir in den zwei schwierigen Jahren beigestanden haben. Nun kann ich mich wieder der Zukunft und den Themen zuwenden, die mir am Herzen liegen". Als erstes werde nun seinen fünfjährigen Sohn Linus aus dem Kindergarten abholen. Seine Kinder hätten nun wieder "einen erleichterten Vater".

Neues Leben

Wulff ist seit gut einem Jahr getrennt von seiner zweiten Frau Bettina. Er wohnt in einer gemieteten Dachwohnung in Hannover und bezieht nach den 19 Monaten im Amt den "Ehrensold" aller Alt-Bundespräsidenten von derzeit 214.000 Euro im Jahr plus Dienstwagen und Büro. Laut Focus will der 54-Jährige jetzt als Rechtsanwalt in einer Kanzlei arbeiten. Er wolle "Menschen helfen, die in einer ähnlich schwierigen Situation sind, wie ich es war", sagte er nach dem Urteil. Promi-Magazine zitieren lokale Gerüchte, dass er wieder liiert sei, allerdings ohne Namen und Fotos.

Bettina Wulff hat sich als PR-Beraterin selbstständig gemacht. Sie ist gerade auf einer Reise in Israel als Begleiterin deutscher Jugendlicher. Sie erzieht ihre beiden Kinder, darunter den Sohn von Wulff. Daneben ist sie derzeit mit einem reichen Münchner Sportartikelerzeuger liiert.

Der bisher tiefste Fall eines deutschen Politikers hat viele Dimensionen. Die juristische ist formal wohl abgeschlossen: Gut nicht nur für die Betroffenen, sondern auch das Land, dessen Bundespräsidenten untadelig bleiben.

Die juristische Aufarbeitung ist aber nun noch mehr umstritten, als sie es von Anfang an war. Für viele Juristen und Medien gelten inzwischen Aufwand und Hartnäckigkeit der (aus der Politik weisungsgebundenen) Staatsanwälte als unverhältnismäßig und lebensfremd. "Die Ermittlungen hätten viel früher mangels Substanz eingestellt werden müssen, das Gefühl, dass hier jemand zu Unrecht vor Gericht gezerrt wurde, war schon lange da" (Gisela Fridrichsen, Spiegel-Gerichts-Chefreporterin).

Die meisten Medien sehen nun auch in ihrem eigenen "Rattenrennen" (Hans Leyendecker, Chefrechercheur der SZ) um privateste Details einen "Exzess, für den wir uns entschuldigen sollten". Die Staatsanwälte waren erst durch den Druck zum Handeln genötigt worden.

Doch die Medien werden daraus kaum lernen. Bild, das Leitmedium der Affäre, hält sich weiter für den schärfsten Polizeihund der Demokratie. Zurückhaltung ist nicht erwartbar: Viele Leser sehen Amtsträger gerne leiden, je höher und illustrer, desto lieber. Und es bringt Auflage.

Tragische Figur

Ist also Wulff zu Unrecht aus dem Amt gestürzt? Formal vielleicht, politisch nein: Er hat frühe private Hilfe von reichen Freunden zähest vertuscht und damit selbst den Verdacht zu großer Nähe zu Geld geschürt. Das war der Ausgangspunkt des Falls. Noch mehr missriet Wulff das Krisenmanagement als Staatsoberhaupt, dessen Amtsbonus er zum Selbstschutz missbrauchte. In dieser Situation fehlten ihm Einsicht und Berater, die ihn aus dem Kokon der Realitätsverdrängung befreit hätten.

Wulff bleibt damit eine tragische Figur deutscher Politik. Ein Beispiel für fehlerloses Funktionieren von Staat und Medien ist der Fall aber auch nicht, wenngleich er zeigt, dass auch Größte nicht geschont werden. Das repräsentative Amt des Bundespräsidenten scheint zwar unbeschädigt, aber immer öfter wird nun die Frage gestellt, ob es noch zeitgemäß ist.

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