Bundestag: AfD vergleicht sich mit NSDAP-Opfern

Alice Weidel und Alexander Gauland bei ihrer ersten Sitzung
Heute tagt der deutsche Bundestag das erste Mal. Die AfD sorgt dabei mit einem Nazi-Vergleich und ihrem Bundestagsvize-Kandidaten für Ärger, denn der gilt als veritabler Islamfeind. Wolfgang Schäuble wurde indes als Bundestagspräsident gewählt.

Es wäre irgendwie verwunderlich gewesen, wäre die AfD ihrem Ruf nicht gleich bei der ersten Sitzung gerecht geworden: Heute, genau einen Monat nach der Bundestagswahl, hat das Parlament seine Arbeit aufgenommen - und bereits am Anfang sorgte die AfD für einen kleinen Eklat. Eröffnet wurde die Sitzung nämlich nicht - wie bisher üblich - vom Alterspräsidenten des Bundestags, sondern vom dienstältesten Abgeordneten; das hatten die Parteien vor einigen Monaten beschlossen, um eine Eröffnung durch den AfD-Politiker Wilhelm von Gottberg zu verhindern. Er hat ein, um es milde auszudrücken, eigenartiges Verhältnis zum Holocaust.

Darüber beschwerte sich der erste Redner der AfD, Bernd Baumann: Diese "Lex AfD" erinnere an Göring 1933, sagte er. Ein Vergleich, der durchaus für Wellen sorgt, schließlich hat die AfD ja durchaus einige in ihren Reihen, die mit dem Gedankengut von damals so einiges anfangen können. Göring hatte im Zuge der NSDAP-Machtergreifung das Amt des Alterspräsidenten gänzlich abgeschafft, um selbst die Eröffnungsrede nach der Wahl halten zu können.

Den Antrag der AfD, die Neuregelung in puncto Alterspräsident wieder rückgängig zu machen, wurde daraufhin zwar mehrheitlich abgelehnt; ein Raunen ging aber durch den Saal, als die SPD sich dem Folgeantrag der Rechtspopulisten anschloss, die ganze Causa an den Ältestenrat zu überweisen. Die Sozialdemokratie hatte bisher immer ausgeschlossen, mit der AfD gemeinsame Sache zu machen.

Schäuble gewählt, nächster Eklat folgt

Der nächste, angekündigte Eklat wird aber schon im Laufe des Nachmittags folgen: Nachdem der bisherige Finanzminister Wolfgang Schäuble zum Bundestagspräsidenten gewählt worden ist - er erhielt 501 der 709 Stimmen - wollen nun alle anderen Parteien den AfD-Kandidaten für das Amt des Vizepräsidentenposten, Albrecht Glaser, durchfallen lassen.

Bundestag: AfD vergleicht sich mit NSDAP-Opfern
German candidate for the post of parliamentary vice-president of the Alternative for Germany (AfD) far-right party, Albrecht Glaser answers journalists' questions during a meeting of his party on October 23, 2017 at the Bundestag (or lower house of parliament) in Berlin. / AFP PHOTO / dpa / Bernd von Jutrczenka / Germany OUT
Hintergrund der Causa: Jede der sechs anderen neben der CDU im neuen Bundestag vertretenen Parteien erhält einen Vizeposten. Bisher war es üblich, dass die Stellvertreter fraktionsübergreifend gewählt werden. Der 75-jährige AfD-Politiker Glaser stößt allerdings in allen anderen Fraktionen auf Ablehnung. Stein des Anstoßes: dessen Äußerungen über den Islam - er stellte unter anderem die Religionsfreiheit für Muslime in Abrede.

Der AfD-Politiker benötigt in den ersten beiden Wahlgängen die Stimmen der Mehrheit aller Abgeordneten, also 355 von 709. Im dritten Wahlgang reicht es, wenn er mehr Ja- als Nein-Stimmen bekommt. Wenn der Kandidat auch dann noch durchfällt, muss der Ältestenrat entscheiden, wie es weitergeht. Streit um die Kandidatur eines Bundestagsvizepräsidenten gibt es nicht zum ersten Mal. Im Herbst 2005 fiel Linkspartei-Chef Lothar Bisky in vier Wahlgängen durch. Die Fraktion stellte schließlich im Frühjahr 2006 Petra Pau als Ersatzkandidatin auf. Sie wurde im ersten Anlauf gewählt.

FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann empfahl, mit Glaser wie damals mit der Linkspartei umzugehen. „Demokraten wählen Demokraten. Wer darunter fällt, das muss jeder Abgeordneter mit sich selbst ausmachen“, sagte der FDP-Politiker. Der Parteienforscher Oskar Niedermayer riet zu einem differenzierten Umgang mit der AfD. Abgeordnete dieser Partei sollten für Posten nur bei konkreten Vorwürfen wie im Fall von Glaser abgelehnt werden, sagte. Ansonsten stärke das die AfD „in ihrer Opferrolle“.

Schäuble als AfD-Bändiger

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) setzt auf Schäuble, um die AfD zu bändigen. „Die Rechtspopulisten der AfD werden schnell merken, dass Wolfgang Schäuble Form und Inhalt demokratischer Willensbildung im Deutschen Bundestag durchsetzen wird“, sagte Gabriel dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag). Das neue Amt gönne er Schäuble „von ganzem Herzen“. Allerdings verband Gabriel die Wünsche auch mit heftiger Kritik am scheidenden Kabinettskollegen. Schäuble habe Europa in einen „Scherbenhaufen“ verwandelt, „der jetzt von anderen wieder mühsam zusammengesetzt werden muss“, kritisierte der SPD-Politiker und betonte: „In Europa ist es Schäuble gelungen, nahezu alle EU-Mitgliedsstaaten gegen Deutschland aufzubringen.“

Die Eröffnungsrede im neuen Bundestag hält der FDP-Politiker Hermann Otto Solms. Eigentlich hätte Schäuble als dienstältester Abgeordneter das Rederecht zur Eröffnung gehabt. Da er aber nach seiner Wahl zum Bundestagspräsidenten eine Antrittsrede halten wird, ließ er dem 76-jährigen Solms als Parlamentarier mit den zweitmeisten Dienstjahren den Vortritt.

Mit der Konstituierung des Bundestags endet offiziell auch die Amtszeit der bisherigen Bundesregierung. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre noch 14 Minister erhalten anschließend von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihre Entlassungsurkunden, bleiben dann aber noch geschäftsführend bis zur Vereidigung einer neuen Regierung im Amt.

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