Der übersehene Krieg im Jemen

Die saudische Journalistin Safa Al Ahmad rüttelt mit ihren Filmen auf.

Nur wenn, wie am Wochenende, Bomben auf eine Trauerhalle niederdonnern und 140 Menschen getötet werden, finden die Gräuel im Jemen den Weg in die Nachrichten. Sonst ist wenig zu hören vom Krieg im ärmsten Land auf der arabischen Halbinsel. Einem Krieg an vielen Fronten, der in den vergangenen drei Jahren mindestens 10.000 Todesopfer gefordert und das Land, eineinhalb mal so groß wie Deutschland, in eine humanitäre Katastrophe getrieben hat.

Der übersehene Krieg im Jemen
Safa Al Ahmad, saudi-arabische Filmemacherin
"Es ist sehr schwierig, aus dem Jemen zu berichten", erzählt die junge saudi-arabische Dokumentarfilmerin Safa Al Ahmad, die sich als eine von weltweit nur ganz wenigen Journalisten vor Ort wagt. "Aber auch nicht schwieriger als aus Syrien – und von dort hört man in Europa viel mehr." Einen Grund dafür sieht sie darin, "dass es von Jemen aus keine Flüchtlingsströme nach Europa gibt". Zwar seien auch hier Millionen Menschen auf der Flucht – "aber innerhalb des Landes. Sie sitzen fest, können nicht raus. Im Norden ist Saudi-Arabien – das Krieg im Jemen führt. Die Grenze im Osten zum Oman ist zu, und das Boot zu nehmen und mindestens 30 Stunden lang Dschibuti anzupeilen, ist teuer und lebensgefährlich."

Belagertes Land

Zuletzt war Safa Al Ahmad vor zehn Monaten im Land. "Seither wurde alles noch schlimmer. Und schon damals gab es in den Spitälern kaum noch Medikamente. In einer belagerten Stadt, die ich kurz besuchen durfte, lebten die Menschen nur noch von geschmuggelten Tomaten und Erdäpfeln. Die Stadt wird von den Hutis belagert, das ganze Land aber wiederum wird von Saudi-Arabien belagert."

Der übersehene Krieg im Jemen
Wie kann die junge Saudi-Araberin im Jemen arbeiten, inmitten von Kriegs- und ständiger Entführungsgefahr? Angesichts einander bekämpfender Huti-Rebellen, sunnitischer Stämme, radikal-religiöser Salafisten, Südjemeniten, die einen eigenen Staat haben wollen, und nicht zuletzt der im Jemen stark vertretenen Terroristen der El Kaida und des "Islamischen Staates"? Mit Leibwächtern reise sie nie, sagt die furchtlose, schmale junge Filmerin. "Viel zu auffällig." Interessanterweise erleichtere ihr gerade die Tatsache, eine Frau zu sein, die Arbeit. "Dadurch habe ich Zugang zu beiden Welten, die der Frauen und die der Männer." Und im Jemen, schildert Safa Al Ahmad dem KURIER, sei die Geschlechtertrennung viel weniger strikt als in ihrer Heimat Saudi-Arabien. "Daheim darf ich ja nicht einmal Auto fahren." Nur um die Gebiete, wo El Kaida und IS agieren, macht auch Al Ahmad einen weiten Bogen.

Kein nahes Kriegsende

Ein absehbares Ende des Krieges im Jemen erwartet sie nicht. Dazu müsse erst Saudi-Arabien, das den Jemen als seinen Hinterhof betrachtet, aufhören zu bombardieren. Seit eineinhalb Jahren attackiert die Luftwaffe des saudischen Königshauses mit massiven Schlägen die jemenitische Hauptstadt Sanaa. Das Ziel: die aus dem Norden des Landes eingerückten Huti-Rebellen, die 2013 die Macht in der Hauptstadt übernommen haben, wieder zurückdrängen.

"Das Königshaus in Saudi-Arabien will, dass der von den Hutis gestürzte Präsident Hadi wieder die Regierung übernimmt", sagt Al Ahmad. "Und das ist für mich die Ironie an der Geschichte: Die Saudis pochen auf die Wiederrichtung der legitimen Regierung und der Demokratie – und glauben doch selbst gar nicht an Demokratie."

In den Jemen will die international preisgekrönte Journalistin, die auf Einladung des Vienna Institute for International Dialogue (VIDC) in Wien ist, bald wieder fahren, in ihre Heimat nicht. Wer Weg nach Saudi-Arabien ist ihr seit zwei Jahren versperrt, nachdem sie dort eine Dokumentation über Proteste gedreht hat. Seither wird ihr "Beihilfe zum Terrorismus" vorgeworfen. Seither, sagt die junge Frau, "lebe ich aus dem Koffer".

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