Der Paarlauf von Merkel und Juncker

Kanzlerin Angela Merkel und Jean-Claude Juncker, der vermutlich nächste Kommissionspräsident.
Die deutsche Kanzlerin ist die Königsmacherin. Juncker hat Eckpunkte seines Programmes vorgelegt.

Jean-Claude Juncker hat derzeit viel zu tun: Abseits der Öffentlichkeit führt er in seinem kleinen Büro in Luxemburg-Stadt Telefonate mit Regierungschefs und Europa-Abgeordneten, er stimmt sich programmatisch ab. Das fertige Papier wird er aus der Tasche ziehen, sobald er als Kommissionspräsident nominiert ist. "Alles läuft auf Juncker hinaus", signalisieren EU-Granden dem KURIER. Angela Merkel hat in den Verhandlungen um den europäischen Spitzenjob das Ruder übernommen.

Bis zur Juncker-Kür dürfte es dennoch etwas dauern. Beim EU-Gipfel Ende Juni will man den Kampf mit Juncker-Gegner David Cameron aussetzen. Die Staats- und Regierungschefs wollen in Frieden den Opfern des Ersten Weltkrieges gedenken. Dafür reisen sie in die damals stark umkämpfte Stadt Ypern in Westflandern.

Die Regie sieht vor, dass bis zur Juncker-Nominierung einige Wochen verstreichen sollen, um einen Abstand zum Streit mit Cameron zu gewinnen. Doch trotz anhaltenden Widerstands des Briten scheinen die Weichen für Juncker gestellt.

Erweiterungspause

Dem KURIER liegen bereits Eckpunkte seines Arbeitsprogramms vor. "Eine Pause für die Erweiterung", steht in einer Note. In den nächsten fünf bis sechs Jahren soll kein neues Mitglied aufgenommen werden. Weiters will Juncker den Binnenmarkt ausbauen, das soll Jobs und ein Wachstum um 500 Milliarden Euro bringen. Oder: Die EU soll eine Energie-Union werden. Der luxemburgische Christdemokrat will auch das Freihandelsabkommen mit den USA abschließen – allerdings zu europäischen Konditionen.

Den Briten möchte er mit Ausnahmeregelungen entgegenkommen und ein wichtiges Ressort anbieten. Die Rede ist von Außenhandel, Binnenmarkt oder Wettbewerb.

Sieg des Parlaments

Ginge es nach dem EU-Parlament, würde Juncker schon längst als neuer Kommissionschef feststehen. In der Person Juncker manifestiere sich nämlich ein entscheidender Sieg des EU-Parlaments über die Regierungschefs, sagt SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried. "Mit der Vereinbarung, dass der bei der EU-Wahl siegreiche Spitzenkandidat der nächste Kommissions-Präsident wird, haben die Abgeordneten den Regierungschefs diesen zentralen Posten aus der Hand genommen. Damit ist garantiert, dass der Kommissionschef ein Mindestmaß an Charisma hat und Europa ein Gesicht gibt." Außerdem sei ein gewählter Kommissionschef nicht mehr "blasser Befehlsempfänger der Regierungen, sondern ein auf Kooperation mit dem EU-Parlament orientierter, starker Präsident".

Auch in Österreich solle der bei der EU-Wahl siegreiche Kandidat den Posten des Kommissars erhalten, meint Leichtfried.

Im aktuellen Fall wäre dies Othmar Karas.

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