Bodybuilder, Salsa-Tänzer, Schläger

Bodybuilder, Salsa-Tänzer, Schläger
Der Attentäter von Nizza misshandelte seine Ex-Frau und war auch sonst schnell erregbar.

Bekannte nannten ihn „Van Damme“ – eine Anspielung auf den belgisch-stämmigen Muskelprotz und Hollywood-Filmhelden, Jean-Claude Van Damme. In den Monaten vor seiner massenmörderischen Fahrt am Steuer eines 19 Tonnen-Lasters hatte Mohamed Lahouaiej-Bouhlel ein Bodybuilder-Center besucht und enorm viel Muskelmasse zugelegt.

Tat er dies, um als Gotteskrieger zu bestehen? Nach einigem Zögern gewährte ihm das Terrorgebilde „Islamischer Staat“ (IS) posthum den Status eines „Soldaten des Kalifats“, während die Behörden noch genaue Anhaltspunkte für Verbindungen zu den Dschihadisten suchten. Oder wollte der 31 Jährige, der oft parfümiert unterwegs war, „bloß fesche Katzen beeindrucken, mit denen er Salsa tanzte“, wie ein Landsmann, der ihn näher kannte, meint?

Vermutlich beides. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ein dschihadistischer Attentäter zuvor in den Abgründen des vermeintlich „westlichen“ Lebenswandels schwelgt – natürlich mit der alleinigen Absicht, Umgebung und Behörden in die Irre zu führen. Dies tat Mohammed Lahouaiej-Bouhlel, der 2005 aus Tunesien eingewandert war, so gekonnt, dass es seinem Landsmann erschaudern ließ: „Als er nach Frankreich kam, färbte er sich als erstes seine Haare rot.“ Er arbeitete als Lieferwagenfahrer und schockte einen muslimischen Kollegen, weil er auf eine Glückwunschformel zum feierlichen Abschluss des Ramadan-Fastenmonats (das er nicht einhielt), mit einer schroffen Zurückweisung reagierte.

Psychopharmaka

Überschwappende Aggressivität war schon länger sein Markenzeichen – und nicht erst seit er in Muskelkammern trainierte. Zu seiner Familie in einer tunesischen Kleinstadt hatte er den Kontakt weitgehend abgebrochen. Sein Vater hielt bei einem TV-Interview die Verschreibungen von Psychopharmaka für seinen Sohn in die Kamera und erklärte, Mohamed habe schon früh alles um sich zertrümmert.

Die Heirat mit einer Cousine, die ihm nach Frankreich folgte, wurde zur Katastrophe. Er misshandelte seine Frau, bis diese Anzeige erstattete. Als das dritte Kind unterwegs war, zog er aus. In seiner neuen Wohngegend war er Nachbarn nicht geheuer: „Wenn ich ihn grüßte, antwortete er nicht, sondern fixierte mich mit bösem Blick. Im Gang schlug er einem die Tür vor der Nase zu“, erzählt Jasmin, eine allein erziehende Mutter, deren Kinder sich vor ihm fürchteten.

Den Behörden war er als Gesetzesbrecher, aber nicht als Islamist bekannt. Er war wegen Diebstahls und Gewaltanwendung mehrmals ins Visier der Justiz geraten. Zuletzt im März 2016: da wurde er zu sechs Monaten bedingt verurteilt, weil er einen Autofahrer bei einem Streit um einen Parkplatz mit einer Holzlatte angegriffen hatte. „Er war depressiv“, glaubt der oben zitierte Landsmann: „Er kam mit der Zahlung der Alimente nicht nach“.

Sündenerlass

Aber lässt sich daraus eine Typologie für einen islamistischen Schwerverbrecher herauslesen? „Es gibt keinen solchen Typus“, konstatiert Wassim Nasr, Dschihad-Experte beim TV-Sender France 24: „Der IS wirft seine Fangnetze so breit aus, dass unterschiedlichste Leute über Nacht ihre Zugehörigkeit beschließen und dies per Anruf kundgeben können. Aber bei Delinquenten kommt die Vorstellung dazu, sie würden als Dschihadisten von Allah einen Sündenablass erhalten.“

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