Der Anti-Brexit-Kämpfer, der kein Don Quijote sein will

Britischer Ex-Premierminister Tony Blair.
Der britische Ex-Premier Tony Blair hofft auf einen Ausstieg aus dem EU-Ausstieg / Premierministerin May legt heute erneut Londons Pläne vor.

"Nein, ich bin kein Don Quijote", weist Tony Blair die Frage eines Zuhörers im gespickt vollen Vortragssaal eines Brüssel Hotels lächelnd und mit heiserer Stimme zurück. Generell wirkt er ein wenig gedämpft, der frühere britische Labour-Premier, auch wenn Blair sein – überwiegend britisches – Publikum zu überzeugen versucht: Der Kampf gegen den Brexit sei noch nicht verloren, weshalb er sich auch nicht mit jener tapferen, aber letztlich erfolglosen spanischen Romanfigur verglichen sehen möchte, die vergebens gegen die Windmühlen kämpfte.

"Gäbe es heute ein zweites Brexit-Referendum, würde das Ergebnis anders aussehen", ist sich der 64-jährige britische Ex-Premier sicher. Denn die öffentliche Debatte darüber, welchen Schaden Großbritannien nach seinem Austritt aus der EU nehmen werde, beginne langsam zu greifen. "Es ist eine Minderheit, die glaubt, dass Großbritannien die EU verlassen muss und dass danach alles besser wird. Sie wird man nie überzeugen können", sagt Blair, "aber für alle anderen muss das Dilemma sichtbar werden: Wir werden nicht besseren Handel treiben und eine blühendere Wirtschaft haben, indem wir aus dem Binnenmarkt und der Zollunion gehen."

Unlösbares Dilemma

Wo er die Lösung für Nordirland nach dem Brexit sehe, wird der ehemalige Premier gefragt? "Das ist Teil genau dieses Dilemmas, wenn der Brexit passiert: Wie es auch kommt, wird es Schaden verursachen."

Theresa May könnte dies heute in ihrer angekündigten Rede widerlegen. Die britische Premierministerin will konkrete Vorschläge darlegen, wie sich die Regierung in London eine "tiefe und umfassende Beziehung" mit der EU nach dem Brexit vorstellt. In Brüssel aber wartet man vor allem ungeduldig auf eine Antwort auf die Frage, wie denn London Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindern will, sobald das Vereinigte Königreich die EU-Zollunion verlässt.

So aber, wie es die EU-Kommission in ihrem am Mittwoch vorgelegten Scheidungsvertrag vorschlug, will es London in keinem Fall – nämlich dass Nordirland weiter EU-Regeln folgt. Allein die Denkmöglichkeit dieser Variante trieb gestern Wellen der Empörung durch die Reihen der Brexit-Anhänger: "Vollkommen inakzeptabel".

Zu emotionalen Ausbrüchen oder offener Kritik an seinen Gegnern lässt sich Tony Blair indes nicht hinreißen. Eine Möglichkeit, den Brexit doch noch zu verhindern, sähe der frühere Labour-Chef in einer "grundsätzlichen Reform der EU". Den Kernpunkt ortet er dabei in einer glaubwürdigen Kontrolle der europäischen Immigration. "Dann hätte Großbritannien eine echte Wahl." Doch angesichts des Zeitdrucks, unter denen die Scheidungsverhandlungen zwischen London und der EU stehen, klingt dies eher nach Träumerei. Bis Oktober müssen sich die 27 EU-Staaten und das Vereinigte Königreich auf den Austrittsvertrag geeinigt haben.

Und so pocht der stets EU-affine Blair vor allem auf eine künftige gute Zusammenarbeit. "Das ist eine Scheidung, die aber wegen unserer Geografie nie eine physische Trennung sein kann."

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