Bayerischer Weihnachtsfrieden in Nürnberg

Seehofer und Söder teilen sich jetzt die Macht in der CSU.
Vorher arbeiteten sie gegeneinander, künftig miteinander: Horst Seehofer und Markus Söder zeigen sich ungewohnt harmonisch.

Andreas Spreng reicht es. Seit 50 Jahren ist der Niederbayer CSU-Mitglied, nun soll Schluss sein. Nein, nicht mit der Partei, aber mit dem internen Streit, erklärt der Senior und lächelt. Er hat eine Botschaft dabei, jeder soll sie sehen: "Streit beenden, an Bayern denken", steht auf einer Holztafel, die er extra für den Parteitag angefertigt hat. "Es ist einfach zu viel Porzellan zerschlagen worden, das hat so viel Schaden angerichtet."

Das ist nun auch bei der CSU-Spitze angekommen. Beim Nürnberger Parteitag wollte sie eine neue Ära einläuten, ein neues Duo vorstellen, das zuletzt mehr gegeneinander als miteinander gearbeitet hat. Ausgerechnet Horst Seehofer und Markus Söder sollen die krisengebeutelte CSU gemeinsam wieder nach vorne bringen und die Mutter aller Schlachten gewinnen: Die Landtagswahl 2018.

Und damit alle sehen, dass nichts mehr zwischen ihnen steht, räumen sie gleich zu Beginn des Parteitags ein Namensschild zwischen ihnen weg. Seite an Seite sitzen sie nun da, der Bayer und der Franke, lächelnd, scherzend und tuschelnd.

Bayerischer Weihnachtsfrieden in Nürnberg
Bavaria's state Premier and chairman of the Bavarian Christian Social Union (CSU) party, Horst Seehofer (L) gestures with Bavarian Finance Minister Markus Soeder (R) at the stage on December 16, 2017 in Nuremberg, southern Germany, during the congress of their CSU party, the Bavarian sister party of German Chancellor's CDU. / AFP PHOTO / Christof STACHE

Aber, war da nicht was? Ja, zur Erinnerung: Bayerns amtierender Finanzminister Söder machte nie einen Hehl daraus, dass er auf den Chefsessel in der Münchner Staatskanzlei will. Und Seehofer, der sort seit zehn Jahren sitzt, tat fast alles, um dies zu verhindern. Die Rivalität riss zuletzt auch Gräben in der Partei, die zu einemoffenen Konflikt führten, etwas als der Vorschlag von Wirtschaftsministerin Ilse Aigner publik wurde, den Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2018 per Urwahl zu ermitteln. Das Söder-Lager reagierte daraufhin empört, warf ihr "politisches Leichtmatrosentum" vor.

Wenn Horst Seehofer heute über die Verwerfungen anspricht, tut er so als wären es Kleinigkeiten, so was gäbe es überall - "hier und da eine Friktionen". Im Vergleich zu dem, was sich in anderen Parteien abspielt, sei es doch nur der "Effekt einer Knallerbse" gewesen.

"Er kann es"

Jetzt, am dritten Adventwochenende, herrscht also Weihnachtsfrieden bei den Christsozialen. Der Jüngere, Söder, wird zum künftigen Ministerpräsidenten und Spitzenkandidaten der Landtagswahl 2018 gekürt, der Ältere, Seehofer, bleibt CSU-Chef – so steht es im Drehbuch des Parteitags und beide halten sich daran.

"Er kann es, und er packt es", lobt Seehofer vorab seinen früheren Intimfeind, der im Sessel zurücklehnend gebannt die Rede verfolgt. Und falls er in diesem Moment so etwas wie Schadenfreude verspürte, kann er dies gut verbergen. Etwa als der 68-jährige Parteichef seine Loyalität bekräftigt: "Markus Söder kann sich auf meine Unterstützung total verlassen." Dafür gibt’s kräftigen Applaus.

Sehnsucht nach Einigkeit

Die CSU scheint müde ob der internen Tumulte der vergangenen Monate. Die Sehnsucht nach Einigkeit ist groß, auch mit Blick auf die Wahl und die Konkurrenz durch die AfD. "Endlich is a Entscheidung do!", sagt eine Delegierte in erleichtertem Tonfall. Ob die Ämtertrennung wirklich sinnvoll sei? Vorerst ja, auf Dauer nicht. Ihr Kollege sieht es pragmatisch: "Seehofer weiß, was in Berlin zu tun ist, und Söder ist unser starker Mann in Bayern."

Diese Erzählweise hört man an diesem Tag oft. Draußen in der Halle, wo sich Delegierte und Gäste bei Weißwurst laben und an Glühwein wärmen. Wenig spricht man über Defizite oder Fehler, denn die Bundestagswahl wurde in Berlin verloren, das sei ja wohl klar, so der Tenor. Der Auftritt der Kanzlerin am Freitag und ihr Bekenntnis zu einer geordneten Flüchtlingspolitik hat einige CSUler dennoch milde gestimmt. Also, alles gut – oder doch nicht?

Bayerischer Weihnachtsfrieden in Nürnberg
Andreas Spreng, CSU-Mitglied, CSU-Parteitag 16.12.2017

Nein, Andreas Spreng, der draußen vor der Messehalle weiter sein Plakat hochhält, findet, dass sich die Partei auch mit anderen Zukunftsängsten beschäftigen muss: "Wie entwickelt sich das mit der Digitalisierung, Rente und der Wohnungssituation weiter? Da muss was passieren." Auch der Bürgermeister einer oberbayerischen Gemeinde lässt sich von den Harmoniebekundungen nicht einlullen. Er ist skeptisch. Solange Seehofer da sei, werde es Unruhe geben: "Jeder andere wäre besser geeignet als Parteichef."

"Bayern ist das Paradies"

Seehofer wird dies freilich anders sehen. Wieder auf der Bühne, lässt er seine Errungenschaften Revue passieren und spart nicht an Lob, das so klang, als gebühre es vor allem ihm selbst. "Bayern blüht, Bayern boomt. Bayern ist das Paradies, das können wir uneingeschränkt sagen" – das sollen die knapp 800 Delegierten wissen, bevor sie ihn erneut zum Parteichef wählen.

Die haben scheinbar auch anderes nicht vergessen oder verziehen: Mit 83,72 Prozent erhielt er jedenfalls sein schlechtestes Ergebnis (2015: 87,2 %; 2013: 95,3 %). Der Gescholtene selbst nahm es gelassen an, sprach von einer "guten Grundlage für das, was auf uns wartet".

Einen Kommunalpolitiker überrascht das Votum nicht. "Das hätte schlimmer sein können, ohne Ämtertrennung hätten wir einen Putsch erlebt." Denn Söder habe nicht nur Franken hinter sich, sondern auch viele Oberbayern, die von Seehofers Hin- und Her längst genug haben.

Umso entschiedener zeigen sich die CSU-Mitglieder bei der offenen Abstimmung, in der sie den 50-jährigen Nürnberger fast einstimmig zu Seehofers Nachfolger küren. Und der ließ es sich freilich nicht nehmen, das Parteivolk auf sein bevorstehendes Ziel einzuschwören - die absolute Mehrheit: "Wir wollen den bayerischen Baum, der weiter nach oben wächst, weiter zu pflegen, und zwar am liebsten allein!"

Und Seehofer? Der teilt sich noch die Bühne mit dem Neuen, der seinen Arm packt und ihn nach oben reißt - spätestens jetzt wird deutlich, dass die neue Harmonie mehr ein erzwungener als demonstrativer Schulterschluss ist. Der CSU-Parteitag läutete weniger eine neue sondern das Ende einer Ära ein: jener von Horst Seehofer.

Einer hält dem CSU-Chef jedenfalls weiter die Stange bzw. das Plakat: Andreas Spreng. Er hofft, dass der CSU-Chef künftig noch viel zu sagen hat, ein Ministerium in Berlin bekomme, denn nur er könne die "bayerischen Besonderheiten" dort umsetzen.

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