Comeys Entlassung: Ein neues Watergate?

Ein Straßenschild in Montenegro
Die Entlassung des FBI-Chefs weckt in Washington Erinnerungen an die ganz großen politischen Skandale.

Donald Trumps Gegner sind Kummer gewöhnt. Aber die Schockwellen, die nach der Entlassung von FBI-Direktor James Comey durch Washington laufen, sind ungewöhnlich stark. Die Umstände des Rauswurfs haben nicht nur etwas Operettenhaftes. Kritiker sehen eine mächtige Axt am Werk, die an den Stamm einer unabhängigen Justiz gelegt wird - und die USA vor einer Verfassungskrise.

Wie geht das Weiße Haus mit der Krise um?

Kurz gesagt: schlecht. Selbst engste Mitarbeiter des Weißen Hauses waren nicht informiert. Die Regierung hatte die größte Mühe, das sich seit Dienstag rasant entfaltende Kommunikationsdesaster einzufangen. Erst Stunden später schwärmte das Trump-Gefolge in Sender und Interview aus. Am Tag danach wurden offensichtlich neue Sprachregelungen ausgegeben, die der am Dienstag verkündeten Lesart zum Teil zu 100 Prozent widersprachen.

Bemerkenswert: Trump schüttelte strahlend dem russischen Botschafter Sergej Kisljak die Hand. Der Diplomat ist keine uninteressante Figur in der Russland-Affäre. Es war eine Unwahrheit über ein Telefonat mit Kisljak, die Sicherheitsberater Michael Flynn zu Fall brachte.

Verfassungskrise: Ja oder Nein?

Zum einen liegen die Parallelen zum Watergate-Skandal 1974 auf der Hand. Zum anderen ist Trump sehr weit entfernt von einem Sturz oder einem Impeachment wie damals Richard Nixon. Dennoch: Die großen US-Medien sehen die wirkliche Krise mit Comeys Rauswurf erst am Anfang. Im Mittelpunkt der geharnischten, oft unfassbaren Kritik steht die Furcht um die Unabhängigkeit der Justiz und den Marsch in ein autoritäres Präsidialsystem. Elaine Kamarck vom Brookings-Institut: "Trump ist entweder der schuldigste Präsident seit Richard Nixon, oder er ist der unfähigste Präsident seit Gründung der Vereinigten Staaten."

Interessiert das Getöse eigentlich Trumps Wähler?

Das ist die große Frage. Bisher haben sie eisern zu ihm gehalten, was auch immer geschah. Womöglich ist ihnen die ganze Affäre als typischer Schlachtenlärm aus der fernen Hauptstadt einfach nur zuwider. Da Comeys Entlassung auch etwas mit der in Trumps Gefolge abgrundtief verhassten Hillary Clinton zu tun hat, kann man das gar nicht ausschließen.

Wie stichhaltig sind die Begründungen des Weißen Hauses?

Sie erscheinen nur wenig plausibel. So wird die Behauptung, Trump habe seit Monaten kein Vertrauen mehr in Comey gehabt, durch öffentliche Auftritte und Bemerkungen konterkariert. Noch am 22. Jänner, also zwei Tage nach Amtsantritt, begrüßte Trump Comey auf das Wärmste, hauchte ihm sogar einen Kuss zu. Vor einer Woche noch sagte Sprecher Sean Spicer, Trump habe volles Vertrauen in Comey. Den Vorwurf, dass in Wirklichkeit die Russland-Ermittlungen des FBI hinter der Entlassung stecken, weisen Trump und sein Umfeld ganz entschieden zurück - was dem Thema nur neue Nahrung gibt.

Immer wieder Russland - was hat es damit eigentlich auf sich?

Das FBI ermittelt zu Kontakten zwischen Trumps Wahlkampfteam und Vertretern Russlands - sowie zur mutmaßlichen russischen Einflussnahme auf die US-Wahl. US-Geheimdienste beschuldigen den Kreml, sich mit Cyberangriffen in den Wahlkampf eingemischt zu haben, um den Ausgang zugunsten von Trump zu beeinflussen. Hacker hatten E-Mails der Demokraten gestohlen, die die Enthüllungsplattform WikiLeaks veröffentlichte. Die entscheidende Frage ist, ob die Verbindungen von Trump-Mitarbeitern nach Russland so weit reichten, dass sie frühzeitig von den Angriffen auf die Demokraten wussten. Beweise gibt es dafür aber bisher keine.

Wer steht im Fokus der Affäre?

Mehrere Männer, die in unterschiedlichem Maße als Berater auftraten: Michael Flynn, Carter Page und Roger Stone. Immer wieder genannt wird auch Paul Manafort, Trumps einstiger Wahlkampfchef. Flynn wurde wegen seiner Kontakte zum russischen Botschafter vom FBI befragt. Im Fall von Page hegte die Behörde laut "Washington Post" im vergangenen Sommer die Befürchtung, er sei ein russischer Agent, und beantragte deshalb seine Überwachung.

Stone prahlte im Wahlkampf damit, mit WikiLeaks in Kontakt zu stehen. Noch vor der Veröffentlichung der ersten E-Mails von Clintons Wahlkampfchef John Podesta twitterte er, dass dessen Zeit bald gekommen sei. Vor kurzem erklärte er, er habe sich im August mit dem Hacker "Guccifer 2.0." Nachrichten geschrieben - hinter dem US-Geheimdienste russische Dienste sehen. Alle Männer weisen die Vorwürfe zurück. Und bisher wurden sie auch nicht angeklagt.

(Von Maren Hennemuth und Martin Bialecki/dpa)

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