Christian Kern auf den Spuren des Start-up-Booms

Hochhalten der Erinnerung am Holocaust-Gedenktag in Yad Vashem.
Das Innenleben des Autos der Zukunft kommt aus einem Garagen-Unternehmen, bei dem vorwitzige Uni-Leute Pate standen – und das heute 15 Milliarden wert ist.

Es ist ein Tag, an dem Israel seine zwei Gesichter binnen weniger Stunden im Cinemascope-Format zeigt.

Hie das Hochhalten der Erinnerung, eindrucksvoll demonstriert um 10 Uhr Vormittag, wenn im ganzen Land zwei Minuten lang die Sirenen heulen und alles am Holocaust-Gedenktag total stillsteht. Christian Kern bekundet seine Anteilnahme am zweiten Tag seiner Israel-Visite auch mit einer Kranzniederlegung und einem Besuch in Yad Vashem, der beklemmenden Gedenkstätte an den Schrecken der Ermordung von sechs Millionen Juden durch die Nazis. Die Museumsführerin legt großen Wert auf eine Botschaft: Wir wollen zeigen, dass Menschen etwas tun konnten, um Juden und andere Verfolgte vor der Ermordung zu bewahren. 26.000 konkrete Fälle großer und kleiner "Schindlers" sind in Yad Vashem dokumentiert.

Christian Kern auf den Spuren des Start-up-Booms
Am 24. April 2017 besuchte Bundeskanzler Christian Kern (l.) das Land Israel. Im Bild bei der Firma Mobileye.

Dort das moderne Israel, das selbstbewusst und ungebrochen nach vorne blickt. Mit seiner pulsierenden und wirtschaftlich potenten Hightech-Szene macht sich das Land weltweit einen Namen.

Mobileye-Gründer und CEO, Ziv Aviram, erzählt die Bilderbuchgeschichte seines Start-ups. Am Anfang stand vor knapp zwanzig Jahren eine schlichte Frage, die Technik-Studenten ihrem Professor stellten: Wie kann ein Auto selbst Gefahren erkennen und darauf reagieren? Amnon Shashna, heute 57, meinte, es reiche eine einzige richtig eingesetzte Kamera. Mit 250.000 Dollar Startkapital traten Aviram und Shashna gemeinsam den Beweis an.

Drittes Fahrer-Auge

Heute setzt das Unternehmen mit 900 Mitarbeitern 300 Millionen Dollar um. Heuer ging zudem der Traum jedes Start-ups in Erfüllung. Für 15 Milliarden Dollar übernahm Intel Mobileye, die größte Firmenübernahme des jungen Landes.

95 Prozent der Autofirmen, die auf diese Technologie setzen, kaufen bei Mobileye das Know-how für das "dritte Auge des Fahrers" zu: Kollisionswarnung, Abstandsüberwachung, Fußgänger-Kollisionswarnung und - zunehmend wichtig: Radfahrer-Erkennung. Neun Kameras sollen künftig alle Außeneinwirkungen auf Fahrzeug und Fahrbahn kontrollieren und so die Vision vom selbstfahrenden Auto wahr werden lassen. Auch Tesla setzte bei seinen ersten Tests auf Mobileye.

Start-up-Gründer Aviram glaubt, dass 2021 die ersten 1000 fahrerlosen Autos problemlos unterwegs sein werden, bald danach probeweise ganze Stadtteile und schlussendlich ganze Autobahnen von Fahrzeugen ohne Lenker befahren werden.

Kanzler auf Testfahrt

Auf dem Firmengelände stehen bereits die ersten Testautos. Der Kanzler wird eingeladen, auf der Jerusalemer Stadtautonahn eine Runde in Richtung neue Autowelt zu drehen. Im Stadtverkehr sitzt der Mobileye-Chef noch himself lenkend am Steuer des Audi A 7.

Ihm sei es "nicht um das Fahrerlebnis gegangen" , resümiert der Kanzler. An der Autoindustrie hängen in Österreich dank der florierenden heimischen Zulieferindustrie 300.000 Arbeitsplätze, sagt Kern. "Weil wir so exponiert sind, müssen wir rechtzeitig etwas unternehmen." In einem Jointventure von Mobileye und der TU Graz wird daher gerade an automatischen Brems- und Assistenzsystemen für Autobusse gearbeitet.

Warum schafft es ein kleines Land in Sachen Innovation so rasch groß zu werden, will Kern wissen. "In Jerusalem", sagt Ziv Aviram, "zahlen Firmen wie Mobileye nur zwischen sieben und acht Prozent Steuer". Eine andere Antwort hat die Israel-Botschafterin Kern schon vor Abreise via Video gegeben: Israel investiert 4,5 Prozent seines Budgets in Forschung und Entwicklung.

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