Chávez an Lungenentzündung erkrankt

Der venezolanische Präsident war Mitte Dezember zum vierten Mal wegen seines Krebsleidens operiert worden.

Beim venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez sind nach der jüngsten Krebsoperation "Komplikationen" aufgetreten. Chávez leide an einer "schweren Lungenentzündung", sagte Kommunikationsminister Ernesto Villegas am Donnerstag (Ortszeit) in Caracas. Chávez habe daher "Atembeschwerden".

Chávez war am 11. Dezember zum vierten Mal in Kuba wegen eines Tumors operiert worden. Der Linkspopulist steht seit dem Jahr 1999 an der Spitze des ölreichen lateinamerikanischen Landes, im Oktober wurde er für eine dritte Amtszeit wiedergewählt. Am 10. Jänner soll er nach den bisherigen Planungen vereidigt werden.

Umso näher dieses Datum rückt, umso größer wird in ganz Venezuela die Anspannung. Eigentlich sollte der amtierende Präsident Hugo Chavez an diesem Tag für eine neue siebenjährige Amtszeit angelobt werden, doch nichts ist gegenwärtig ungewisser. Denn gesicherte Informationen über den Gesundheitszustand, des im Oktober mit 54 Prozent der Stimmen wiedergewählten 58-Jährigen gibt es schon seit langem nicht mehr.

"Soldat des Volkes"

Dabei hatte sich der selbst ernannte "Soldat des Volkes" kurz vor der heißen Phase des Wahlkampfs als völlig genesen vom Krebs erklärt, an dem er seit 2011 leidet. Am 11. Dezember musste er dennoch auf Kuba erneut wegen seiner Krebserkrankung - um welchen Tumor es sich handelt wurde stets geheim gehalten - operiert werden. Und während das offizielle Venezuela zu beruhigen versuchte, spekulierten nicht nur oppositionelle Medien über ein Koma oder gar den kurz bevorstehenden Tod des Linkspopulisten. Besonders der Besuch von Chavez' Bruder sowie seines designierten Nachfolgers Nicolas Maduro und des Parlamentspräsidenten Diosdado Cabello auf der Karibikinsel werteten viele Beobachter als Indiz dafür.

Nach 14 Jahren des "Chavismo" droht Venezuela nun die Orientierungslosigkeit. Denn während Gegner des 58-Jährigen stets von diktatorischen Verhältnissen sprachen, wurde Chavez von der ärmeren Bevölkerung aufgrund seiner Sozial- und Bildungsreformen sowie der Verbesserung des Gesundheitssystems geradezu verehrt.

Dabei wollte das venezolanische Staatsoberhaupt ursprünglich gar nicht in die Politik, sondern lieber Maler oder Baseballspieler werden. Dann trat er jedoch der Armee bei und legte dort den Grundstein für seine spätere militärisch-politische Karriere als Oberstleutnant. Bereits 1992 stand er an der Spitze eines Staatsstreiches gegen den damaligen Präsidenten Carlos Andres Perez. Der Umsturzversuch scheiterte, Chavez landete für zwei Jahre im Gefängnis.

1999 gelangte der "Soldat des Volkes" schließlich auf demokratische Art und Weise an die Spitze des Staates. Sein Land benannte er nach dem Helden der lateinamerikanischen Unabhängigkeitsbewegung, Simon Bolivar (1783-1830), in "Bolivarische Republik Venezuela" um und gab ihm eine neue "bolivarische" Verfassung. Seither hat sich der "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" des linkspopulistischen Staats- und Regierungschefs zunehmend radikalisiert, die Attacken gegen den "Imperialismus" der USA wurden heftiger, die Unterstützung Kubas bedingungslos. Einen Großteil der Wirtschaft ließ Chavez verstaatlichen, das Land führt er im autokratischen Stil.

Militärputsch

2002 überstand der venezolanische Präsident einen Militärputsch und einen zweimonatigen Generalstreik, 2004 ein von einem Bündnis von Opposition, Unternehmern, Gewerkschaften, Medien, Bürgervereinigungen und Künstlern angestrengtes Referendum über seine Amtsenthebung. 2009 sicherte er sich - nachdem er die Wahlen 2006 klar gewonnen hatte - die Möglichkeit unbegrenzter Wiederwahl per Volksabstimmung.

Venezuelas bolivarische Verfassung gibt auch vor, was im Falle einer "Amtsunfähigkeit" des Präsidenten zu tun sei. Ist diese permanent - etwa im Fall des Todes des Staatsoberhauptes - , so müssen innerhalb von 30 Tagen Neuwahlen ausgerufen werden, ist sie lediglich vorübergehend kann die Investitur des Präsidenten zweimal um je 90 Tage nach hinten verschoben werden. Im ersten Fall vertritt der Präsident der Nationalversammlung das Staatsoberhaupt, im zweiten der Vizepräsident, also Nicolas Maduro.

Wie geht es Venezuelas wortgewaltigem Staatschef Hugo Chavez wirklich? Mittlerweile dürfte auch trotz widersprüchlicher Angaben klar sein, dass sein Zustand ernst ist. Seit seiner vierten Krebsoperation Mitte Dezember hat sich der sonst medienaffine Präsident nicht mehr öffentlich blicken lassen; Termine wurden abgesagt, ebenso die großen Neujahrsfeiern in Caracas. Stattdessen fand eine Messe für Chavez statt. Und er brachte noch vor seinem Eingriff selbst seinen gewünschten Nachfolger ins Spiel: Außenminister und Vize-Präsident Nicolas Maduro.

Sollte bei der Operation etwas schiefgehen, so Chavez, empfahl er den Venezolanern, Maduro zum Staatschef zu wählen. Und es ging etwas schief: Erst traten Blutungen auf, dann eine Infektion. Seither kursieren wilde Gerüchte – von der Regierung auch selbst angeheizt, da niemand erfährt, an welcher Art von Krebs Chavez leidet.

Erbe

Die Nachfolgeregelung dürfte in vollem Gang sein, der 50-jährige Maduro führt bereits die Amtsgeschäfte. Erarbeitet hat er sich diesen Ritterschlag in den vergangenen 20 Jahren, in denen er immer treu zu Chavez stand.

Maduro, ehemaliger Busfahrer ohne Schulabschluss, hatte sich in der Gewerkschaft sukzessive hochgearbeitet. Als sich Chavez 1992 hochputschen wollte und dafür zweieinhalb Jahre hinter Gittern verschwand, vertrat Maduros Frau den Revolutionär als Anwältin. 1999 bezog Chavez schließlich den Präsidentenpalast Miraflores, Maduros Weg führte ins Parlament. Auch hier ein steter Aufstieg: erst Vorsitzender der Nationalversammlung, dann Außenminister und Chavez’ Vize. Bei Maduros Ernennung sagte Chavez: „Er war Busfahrer. Was hat sie über ihn gespottet, die Bourgeoisie.“

Chavez’ linke Parolen werden auch von Maduro rezitiert. Ob dieser aber im „Chavismo“ Venezuelas bestehen kann, wird bezweifelt. Er gilt zwar als pragmatisch, aber auch als Charisma-befreit. Kann der Commandante seine neue Amtszeit am 10. Jänner nicht antreten, muss neu gewählt werden. Gegen Maduro rechnet sich die Opposition nun reale Chancen aus. Doch Chavez hielt bis zuletzt an seinem Thronfolger fest. Vor seiner Abreise versicherte er: „Republik und Revolution sind in guten Händen.“

Von Caecilia Smekal

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