Bundeswehr-Skandal: Franco A. hatte mehrere Mitwisser

Verteidigungsministerin Von der Leyen hat jede Menge zu tun
Es soll eine Gruppe um den rechtsextremen Terrorverdächtigen gegeben haben. Die deutsche Verteidigungsministerin Von der Leyen kündigt Konsequenzen an.

Die Affäre um den rechtsextremen Bundeswehr-Offizier Franco A. zieht immer weitere Kreise. Die Ermittler interessieren sich jetzt auch für einen zweiten Soldaten aus der Kaserne im elsässischen Illkirch sowie für einen Reservisten, der in Österreich lebt, wie am Mittwoch aus den Kreisen des deutschen Verteidigungsministeriums verlautete.

Nach Recherchen der Zeit soll ein Soldat namens Maximilian T. die inzwischen aufgetauchte handschriftliche Liste mit Namen von Prominenten verfasst haben, die als Anschlagsziele gelten. Dort aufgeführt sind unter anderem der deutsche Justizminister Heiko Maas und Ex-Bundespräsident Joachim Gauck. Wie die Zeitung Welt berichtete, hatte Franco A. neben Einzelpersonen auch religiöse Verbände und Menschenrechtsaktivisten im Visier. BKA-Fahnder hätten in einem Taschenkalender des Verdächtigen eine Art "Todesliste" mit potenziellen Anschlagszielen, darunter den Zentralrat der Juden und den Zentralrat der Muslime, gefunden.

Konkret wurden von ihm offenbar auch Aktionen notiert: "Sprengung Rothschild-Stein in Frankfurt", heißt es da laut "Welt". Auch Hinweise auf ein geplantes Attentat unter falscher Flagge ergäben sich aus den handschriftlichen Aufzeichnungen von Franco A. So heiße es in dem Kalender: "Gruppe Antifa: Granate Asylant werfen lassen, filmen." Und: "Polizeifunk abhören." Ebenfalls erwähnt werde die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck: "Wenn Frau Haverbeck ins Gefängnis, dann Befreiungsaktion."

Keine Österreicher involviert

Dem Vernehmen nach sollen zu einer Gruppe um Franco A. noch mindestens vier weitere Soldaten gehört haben, darunter ein in Österreich ansässiger Reservist, der 2016 gemeinsam mit ihm an einer Wehrübung im französischen Illkirch teilgenommen haben soll. Dabei handelt sich um einen deutschen Staatsbürger. Österreicher sollen in den Fall keine involviert sein. Nach Worten des Sprechers des Verteidigungsministeriums in Wien, Michael Bauer, gibt es keine Verbindungen zu Österreich.

Nach bisherigen Ermittlungen führte Franco A. seit Dezember 2015 ein Doppelleben als "syrischer Flüchtling David Benjamin". Franco A. steht unter Verdacht, eine schwere staatsgefährdende Straftat vorbereitet zu haben. Darunter werden etwa Terroranschläge verstanden. Auf einer Toilette am Flughafen Wien hatte er zwischenzeitlich eine Waffe deponiert, die er im Februar beheben wollte.

Teil einer Gruppe

Der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte befürchtet, dass der terrorverdächtige Bundeswehr-Offizier Teil einer Gruppe von Soldaten mit rechtsextremer Gesinnung war. "Man muss jetzt sehr genau untersuchen, inwieweit dort rechtsradikale Strukturen entstanden sind", sagte Otte nach einer Sitzung der Obleute des Verteidigungsausschusses des Bundestags. "Die jetzt bekannten Hinweise deuten eher darauf hin", fügte er hinzu.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen reiste am Mittwoch mit Generalinspekteur Volker Wieker nach Illkirch, um sich ein Bild von der ehemaligen Dienststätte des Soldaten zu machen. Dort waren Wehrmachtsbilder und ein Sturmgewehr mit eingeritztem Hakenkreuz gefunden worden. Von der Leyen betonte: "Die Wehrmacht ist in keiner Form traditionsstiftend für die Bundeswehr. Einzige Ausnahme sind einige herausragende Einzeltaten im Widerstand. Aber sonst hat die Wehrmacht nichts mit der Bundeswehr gemein." Als "Wehrmacht" bezeichnete man die deutschen Streitkräfte unter den Nationalsozialisten. Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aufgelöst.

Die deutsche Ministerin kündigte jedenfalls Konsequenzen an. Die Wehrdisziplinarordnung der Bundeswehr muss demnach auf den Prüfstand. Es müsse untersucht werden, ob das Regelwerk Brüche aufweise. Es gehe dabei unter anderem darum, wie die umstrittene Masterarbeit des unter Terrorverdacht stehenden Oberleutnants so völlig unter den Tisch habe fallen können, so Von der Leyen.

Vorwürfe gegen Von der Leyen

SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold warf von der Leyen vor, sie habe eigene Fehler nicht eingestanden und stattdessen pauschal Kritik an der Truppe geübt. "Es war falsch, es hat Vertrauen zerstört, und es war auch unnötig", sagte Arnold am Mittwoch im ARD-"Morgenmagazin". Von der Leyen hatte der Bundeswehr am Wochenende angesichts des Skandals um einen terrorverdächtigen, rechtsextremen Offizier ein Haltungsproblem und Führungsschwäche attestiert. Dies hatte große Empörung bei Bundeswehrverband und Oppositionspolitikern ausgelöst. Am Mittwoch stellte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel jedoch hinter die Verteidigungsministerin.

Bundeswehr-Skandal: Franco A. hatte mehrere Mitwisser
German Defence Minister Ursula von der Leyen looks on during a press conference at the 291st Jagerbataillon in Illkirch-Graffenstaden, eastern France, on May 3, 2017. Germany's Defence Minister Ursula von der Leyen on May 2 scrapped a US trip to deal with a scandal over a far-right soldier who allegedly plotted an attack while posing as a Syrian refugee. / AFP PHOTO / FREDERICK FLORIN
Arnold sprach von einer Zunahme rechtsextremer Fälle in der Bundeswehr. "Das müssen wir sehr ernst nehmen." Mit der Bundeswehrreform, der Ausdünnung der Personalstruktur, dem "Eindampfen" des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) und dem Erstarken rechter politischer Kräfte habe sich in der Truppe etwas verändert. Dabei seien Themen wie politische Bildung zu kurz geraten. "Da muss die Ministerin sofort gegensteuern."

Derzeit bearbeitet der MAD 280 Verdachtsfälle aus dem Bereich Rechtsextremismus. Zwischen 2012 und 2016 seien 18 Militärangehörige vorzeitig wegen Rechtsradikalismus aus der Armee entlassen worden, bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

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