Brüssels Ängste vor Schwarz-Blau in Wien

Kurz trifft Jean-Claude Juncker.
Kurz trifft am Donnerstag Juncker und Tusk. Die Erwartungen sind groß.

Groß sind die Erwartungen der Spitzen der Europäischen Volkspartei (EVP) an Wahlsieger Sebastian Kurz. Die Granden der EVP treffen sich am Donnerstag vor Beginn des EU-Gipfels im altehrwürdigen Gebäude der Acadédemie Royale de Belgique am Rande des EU-Viertels in Brüssel.

Hier wird der ÖVP-Chef mit allen EVP-Größen zusammenkommen. Dabei werden sie Kurz auch groß feiern, heißt es in EVP-Kreisen. Zum anderen wird Kurz aber auch kritisch gefragt werden, wie er es mit der FPÖ als Koalitionspartner und mit Europa hält? Im Wahlkampf versprach Kurz mehr "Subsidiarität", also mehr nationale Regelungen.

Die Erwartungen der EVP an den neuen Kanzler sind enorm: In der französischen Finanz- und Wirtschaftszeitung Les Échos wird Kurz als "rechter Macron Österreichs" bezeichnet. Wird er Österreich so umkrempeln wie Macron Frankreich? – das wollen die EVP-Mitglieder wissen.

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, EU-Ratspräsident Donald Tusk, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Parlamentspräsident Antonio Tajani, Spaniens Mariano Rajoy und etliche andere werden anwesend sein, unter ihnen auch Ungarns Viktor Orbán. Die große Mehrheit der Regierungschefs der EU gehört der EVP an, es gibt gerade noch eine Handvoll sozialdemokratischer Staatenlenker.

Kurz wird am Rande des EVP-Treffens eigens für die Erörterung dringender europapolitischer Themen und das Programm der EU-Präsidentschaft mit Juncker und Tusk zusammenkommen.

FPÖ bereitet Sorge

Es ist kein Geheimnis, dass sich die EU-Spitzen Sorgen wegen der EU-skeptischen und EU-ablehnenden Haltung der FPÖ machen. Für den Fall, dass die Koalition mit den Freiheitlichen klappt, wollen viele in der EVP Klarheit, was mit den Europa-Abgeordneten der FPÖ passiert, die mit europafeindlichen Parteien in der Le Pen-Fraktion im EU-Parlament sitzen.

Hört man sich in Brüsseler EU-Institutionen um (und die sind sehr gut über die Vorgänge in Österreich informiert), bekommt man derzeit hinter vorgehaltener Hand folgende Antwort: "Uns (den EU-Institutionen, Anm.) wäre eine schwarz-rote Koalition lieber als Schwarz-Blau." Warum? "Weil diese Regierungskoalition einen verlässlicheren Europa-Kurs fahren würde", lautet die Antwort.

Es gibt die Befürchtung, dass Österreich seine EU-Präsidentschaft in der zweiten Hälfte 2018 mit einer EU-skeptischen FPÖ "vermasseln" könnte, schwierige Aufgaben stehen nämlich an (Ende der Brexit-Verhandlungen; EU-Budget; Zukunft der EU).

Auch Kern in Brüssel

Morgen reist auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) zum zweitägigen EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs nach Brüssel, möglicherweise sein letzter Besuch. Diesmal fliegt er ohne Begleitung von Journalisten. Fragen nach dem Zustand der SPÖ will er wohl ausweichen. Seinen Kollegen wird Kern den Aufstieg des Rechtspopulismus in Österreich erklären müssen. Das Interesse, wie es in Österreich weitergeht, ist groß. In Brüssel zählt man Österreich noch zum Kern der EU.

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