Faycal C. freigelassen, nicht "Mann mit Hut"

Nach dem "Mann mit Hut" wird immer noch gesucht.
Ursprünglich wurde vermutet, dass es sich bei C. um den dritten Flughafen-Attentäter handelt.

Sechs Tage nach den Anschlägen in Brüssel haben die Ermittler den Verdächtigen Faycal C. wieder freigelassen, den sie für den überlebenden mutmaßlichen Attentäter vom Flughafen hielten. Sie baten am Montag zudem um Hinweise zu dem "Mann mit dem Hut", der auf einem Überwachungsvideo mit den Selbstmord-Attentätern einen Gepäckwagen vor sich herschiebt.

Die Ermittler waren nach Angaben aus Sicherheitskreisen davon ausgegangen, dass der am Donnerstag festgenommene Faycal C. der Komplize vom Flughafen ist. Festnahmen gab es über das Wochenende indes in Italien und den Niederlanden. Bei zwei in Deutschland festgenommenen Männern sehen die Behörden dagegen keine Verbindung zu den Brüsseler Anschlägen, bei denen nach jüngsten Angaben 38 Menschen starben.

Faycal C. war in der Nähe des schwer bewachten Gebäudes des belgischen Generalstaatsanwaltes festgenommen worden. Er wurde am Samstag der "terroristischen Morde" beschuldigt. Eine mit den Ermittlungen vertraute Person sagte vor der Freilassung, Faycal C. habe noch nicht offiziell als der dritte Mann vom Flughafen identifiziert werden können. Dieser steht im Verdacht, einen Koffer mit einem dritten Sprengsatz auf dem Flughafen zurückgelassen zu haben.

Halbes Dutzend Männer in Haft

Etwa ein halbes Dutzend Männer ist in Brüssel wegen Terror-Vorwürfe in Haft. Die Brüsseler Staatsanwaltschaft beschuldigte am Montag drei weitere Personen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppe. Die drei Männer waren tags zuvor festgenommen worden. Ein vierter Mann blieb nur vorübergehend in Polizeigewahrsam und kam wieder frei.

Razzien und Festnahmen

In und um Brüssel durchsuchte die Polizei am Wochenende zahlreiche Gebäude. Mehrere Menschen wurden vorübergehend festgenommen und verhört. In Italien wurde Medienberichten zufolge ein Algerier festgenommen, der Pässe für Extremisten gefälscht haben soll, die mit den Anschlägen in Verbindung gebracht werden. Die Ermittler seien ihm durch Razzien und Festnahmen in Belgien und Deutschland auf die Spur gekommen. Sein Name sei auch in Dokumenten aufgetaucht, die bei der Durchsuchung einer Wohnung nahe Brüssel im Oktober entdeckt worden seien. Dabei seien auch Fotos von Extremisten gefunden worden, die in die Anschläge von Brüssel und Paris verwickelt sein sollen.

Niederländische Anti-Terror-Einheiten nahmen am Sonntag in Rotterdam einen Mann in Gewahrsam, der einen Anschlag in Frankreich geplant haben soll. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll der 32-jährige Franzose schnellstmöglich an Frankreich ausgeliefert werden. Die französischen Behörden hätten bereits am Freitag um dessen Festnahme ersucht. Der Mann sei im Zuge von Terrorismus-Ermittlungen identifiziert worden. Er werde verdächtigt, an der Vorbereitung eines Terroranschlags in Frankreich beteiligt zu sein.

Bei einem in der Nacht zum Donnerstag im deutschen Gießen festgenommenen Marokkaner bestätigte sich der Verdacht einer Verbindung zu den Brüsseler Anschlägen nicht. Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft sagte am Samstag, bisher gebe es keine belastbaren Anhaltspunkte für einen Zusammenhang. Das gelte auch für einen im Raum Düsseldorf Festgenommenen.

Razzien auch in Flandern

Auch in der flämischen Stadt Kortrijk hat es nun Razzien gegeben. Das meldete die belgische Nachrichtenagentur Belga am Montagabend mit Hinweis auf Informationen der örtlichen Staatsanwaltschaft.

Kortrijk liegt im westlichen Teil Flanderns in der Nähe zur Grenze mit Frankreich. Bisher hatten sich die Durchsuchungen im Zusammenhang mit Antiterror-Ermittlungen auf die Hauptstadt Brüssel und das Umland beschränkt.

Durch die Selbstmord-Attentate im Flughafen und in der U-Bahn am Dienstag voriger Woche starben nach jüngsten Angaben des Gesundheitsministeriums 38 Menschen, darunter drei Attentäter. Vier Patienten seien im Krankenhaus ihren Verletzungen erlegen, teilte Gesundheitsministerin Maggie De Block mit. Zunächst war von 35 Toten einschließlich der Attentäter die Rede. Die Toten stammen neben Belgien unter anderem aus Großbritannien, Italien, China, den Niederlanden, Frankreich, Deutschland, Schweden und den USA. Mehr als 300 Menschen wurden verletzt.

Randale von Hooligans

Die Randale Hunderter teils rechtsradikaler Hooligans am Sonntag auf dem Brüsseler Börsenplatz entfachte in Belgien politischen Streit. Etwa 400 Hooligans hatten eine friedliche Gedenkveranstaltung für die Opfer der Terroranschläge gestört. Bürgermeister Yvan Mayeur beschwerte sich im Sender RTL, die Polizei des Ortes Vilvoorde nördlich von Brüssel habe die Hooligans nicht aufgehalten. Über Vilvoorde war der Großteil der Unruhestifter überwiegend aus Antwerpen angereist.

Papst Franziskus verurteilte in seiner Osterbotschaft den weltweiten Terror und rief dazu auf, "blinder und brutaler Gewalt" mit den "Waffen der Liebe" zu begegnen. Der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel mahnte die 28 EU-Staaten, die Zusammenarbeit im Anti-Terror-Kampf und vor allem den Datenaustausch ihrer Behörden zu verstärken. Zurzeit säßen die EU-Mitgliedsstaaten geradezu auf ihren Daten, sagte der SPD-Chef der Bild-Zeitung (Dienstag). Gabriel wies darauf hin, dass die Anschläge von Paris und Brüssel nicht von Zuwanderern verübt wurden.

Drei identifizierte Selbstmordattentäter, ein rätselhafter Mann mit Hut und ein möglicher U-Bahn-Komplize. Das sind die fünf Verdächtigen der Brüsseler Anschläge:

NAJIM LAACHRAOUI

Der 24-jährige in Marokko geborene Belgier sprengte sich im Brüsseler Flughafen Zaventem in die Luft. Der mutmaßliche Bombenspezialist war bereits seit den Pariser Anschlägen im Visier der Fahnder. Auf den Resten von Sprengstoffgürteln, die vor dem Stade de France und in der Konzerthalle Bataclan detoniert waren, wurde seine DNA entdeckt.

Seine Fingerabdrücke fanden sich außerdem in einem von den Attentätern genutzten Haus im südbelgischen Auvelais. Auch in einer Wohnung im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek, wo womöglich die Sprengstoffgürtel für den Anschlag im November hergestellt wurden, wurden Laachraouis Fingerabdrücke gefunden.

Der ehemalige Student der Elektromechanik, dessen Radikalisierung seine Familie überraschte, war im Februar 2013 nach Syrien gereist. Er soll dort Dschihadisten empfangen haben, in Belgien wurde ihm deswegen kürzlich in Abwesenheit der Prozess gemacht. Zusammen mit dem späteren Paris-Attentäter Salah Abdeslam wurde er im September an der österreichisch-ungarischen Grenze unter falschem Namen kontrolliert.

IBRAHIM EL BAKRAOUI

Der 29-Jährige ist der zweite Selbstmordattentäter vom Brüsseler Flughafen. Wie sein Bruder, der U-Bahn-Attentäter Khalid, blickte er auf eine kriminelle Karriere in Belgien zurück. Im Jahr 2010 wurde er zu neun Jahren Gefängnis verurteilt, weil er nach einem Einbruch mit einer Kalaschnikow auf Polizisten geschossen hatte. 2014 kam er unter Auflagen frei und schloss sich der Miliz Islamischer Staat (IS) in Syrien oder im Irak an.

2015 wurde Ibrahim im türkischen Gaziantep nahe Syrien festgenommen und über die Niederlande nach Belgien abgeschoben. Die Türkei soll die belgischen Behörden gewarnt haben, dass er ein "terroristischer Kämpfer" sei. Diese wiederum stellten klar, er habe nicht unter Terrorverdacht gestanden. Bei dem 29-Jährigen wurde zudem am Dienstag eine Art Testament entdeckt. Darin schreibt er eher konfus, er werde überall gesucht, fühle sich nicht mehr sicher und wisse nicht, was er tun solle.

KHALID EL BAKRAOUI

Der 27-jährige jüngere Bruder von Ibrahim sprengte sich in der U-Bahn an der Station Maelbeek im Europaviertel in die Luft. Er war zuletzt 2011 wegen Autodiebstahls zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Er soll außerdem unter falscher Identität eine Wohnung in Brüssel angemietet haben, in der sich offenbar Salah Abdeslam versteckte.

Khalid soll außerdem eine Wohnung im südbelgischen Charleroi angemietet haben. Von dort aus waren die Terrorkommandos von Paris gestartet. Von der Polizeibehörde Interpol, die ihn als Terrorverdächtigen führte, wurde Khalid seit Dezember per Haftbefehl im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen gesucht. Ebenso wie sein Bruder Ibrahim wurde Khalid in Brüssel geboren, beide hatten die belgische Staatsangehörigkeit.

MANN MIT HUT

Fieberhaft sucht die belgische Polizei nach einem mutmaßlichen dritten Flughafen-Attentäter, dessen Sprengsatz offenbar nicht gezündet hatte und der entkommen war. Auf dem nach den Anschlägen veröffentlichten Bild einer Überwachungskamera ist er neben den zwei Attentätern El Bakraoui und Laachraoui mit Hut und heller Jacke zu sehen.

Der von Medien als "Mann mit Hut" bezeichnete Verdächtige galt eigentlich als gefasst: Am Donnerstag nahmen die Ermittler Faycal C. fest. Medienberichten zufolge erkannte der Taxifahrer, der die drei zum Flughafen fuhr, den Mann mit Hut als C. wieder.

Am Montag dann aber erklärte die Staatsanwaltschaft, der Verdacht gegen C. habe sich "nicht bestätigt". Der Mann sei deshalb wieder freigelassen worden. Die Ermittler veröffentlichten zudem Videoaufnahmen vom Flughafen, auf denen der Mann mit Hut besser zu sehen ist als auf dem zuvor freigegebenen Foto.

VERDÄCHTIGER AUS DER U-BAHN

Gefahndet wird zudem nach einem weiteren Verdächtigen, der als Komplize des U-Bahn-Attentäters Khalid gilt. Es handelt sich um einen Mann, der auf Überwachungsbildern der U-Bahn zu sehen ist. Demnach trug er eine große Tasche bei sich und sprach mit Khalid, bevor dieser sich in die Luft sprengte.

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