Brexit darf Österreich nichts kosten

Hans Jörg Schelling fordert, dass nach Briten-Austritt auch EU-Ausgaben reduziert werden.

Die Aufregung unter den reichen EU-Mitgliedsländern ist groß: Mit dem Austritt der Briten gehen dem EU-Haushalt laut einer Studie des Europa-Parlaments jährliche Einnahmen von mehr als zehn Milliarden Euro netto verloren. Deutschland müsste demnach bei unveränderten Rahmenbedingungen (gleiche Ausgabenstruktur wie bisher) deutlich mehr zahlen, rund 3,8 Milliarden Euro pro Jahr. 2016 überwies Berlin 12,9 Milliarden Euro netto an die EU. Auf Frankreich entfielen 8,2 Milliarden Euro, auf Italien etwa eine Milliarde Euro.

Und Österreich? Unter der Annahme, dass die EU-Ausgaben gleich bleiben und Nettozahler für den gesamten britischen EU-Beitrag aufkommen, müsste Österreich jährlich bis zu 400 Millionen Euro mehr an die EU zahlen. Diese Summe nannte das Büro von Finanzminister Hans Jörg Schelling dem KURIER.

400 Millionen Euro?

Dezidiert weist man im Kabinett von Schelling aber darauf hin, dass die Bundesregierung sich "dafür einsetzen wird, dass nach dem Brexit die EU-Ausgaben im Ausmaß des wegfallenden Nettobeitrages der Briten reduziert werden. Dadurch würde kein Mitgliedsstaat höhere Beiträge leisten müssen". Für Österreich bedeutet das aber auch, dass die Kürzung des EU-Haushaltes auch eine Kürzung der Rückflüsse nach sich ziehen würde. Das heißt, die EU-Förderungen, etwa für Bauern, würden sich verringern. Österreich speist in diesem Jahr den EU-Haushalt mit 2,4 Milliarden Euro, rund 1,7 Milliarden kommen an Rückflüssen zurück. Für den Fall, dass die EU-Ausgaben nach dem Brexit gleich bleiben, müsste der Nettobeitrag des Vereinigten Königreiches von den anderen Mitgliedsstaaten bzw. Nettozahlern kompensiert werden. Diese Strategie ist nicht sehr wahrscheinlich. Wirklich heiß wird die Debatte über die Brexit-Kosten unter Österreichs EU-Vorsitz in der zweiten Hälfte 2018. Dann stehen die finalen Austrittsverhandlungen an – und damit die Kostenfrage.

May will Datumsgesetz

Die britische Premierministerin Theresa May verlangt indessen, das Beitrittsdatum per Gesetz festzulegen: Demnach sollte der Austritt am 29. März 2019 um 23.00 Uhr (Greenwich Time) erfolgen, nach Mitteleuropäischer Zeit ist das um Mitternacht. May will mit der Fixierung des Austrittsdatums zwei Ziele erreichen: Die pro-europäischen Abweichler in der eigenen Partei, die aus wirtschaftlichen Gründen gegen einen harten Brexit sind, auf Linie bringen. Und zum anderen will die politisch geschwächte Premierministerin mit dem neuen Gesetz verhindern, dass durch mögliche vorgezogene Neuwahlen oder ein neues Referendum der Austritt rückgängig gemacht werden könnte. Ein Beschluss im britischen Parlament über das Datumsgesetz dürfte Monate dauern. Für Brüssel ist diese Frage völlig irrelevant, weil das EU-Austrittsgesetz ohnedies vorsieht, dass zwei Jahre nach Verhandlungsbeginn (29. März 2017) der Austritt automatisch erfolgt – mit oder ohne Abkommen über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich.

EU stellt Frist

Bei der eben beendeten sechsten Verhandlungsrunde mit den Briten gab es erneut keine Fortschritte. EU-Chefverhandler Michel Barnier verliert langsam die Geduld: Er setzt den Briten jetzt eine zweiwöchige Frist für eine Grundsatzeinigung über die wichtigsten Eckpunkte des Austritts (Zahlungen der Briten an die EU, die Rechte der EU-Bürger, die im Vereinigten Königreich leben sowie die Grenzfrage Irland/Nordirland).Gibt es bis zum EU-Gipfel Mitte Dezember keine Resultate, dann könne es noch keine Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen der Union mit den Briten, vor allem im Handelsbereich, geben.

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