Brexit: Britische Regierung nicht verhandlungsfähig?

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Im EU-Parlament werden Zweifel an Verhandlungsfähigkeit der britischen Regierung laut.

EU-Abgeordnete haben sich zunehmend besorgt angesichts der fehlenden Fortschritte in den Brexit-Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU gezeigt. "Die Situation ist ernst", sagte der ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas am Dienstag in Straßburg. Es gebe zunehmend den Eindruck, dass das Vereinigte Königreich "nicht wirklich verhandlungsfähig ist".

Der SPÖ-Europaabgeordnete Eugen Freund sagte, durch innerparteiliche Probleme steige der Druck auf die britische Premierministerin Theresa May enorm. Außenminister Boris Johnson sei ein No-Deal-Befürworter und versuche, die Ministerpräsidentin "auszuhebeln".

EVP-Vorsitzender: Nur noch "belastbare Vorschläge"

Der Fraktionsvorsitzende der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), hat London zu mehr Tempo bei den Brexit-Verhandlungen aufgefordert. Diese seien nun in einer "entscheidenden Phase", sagte er am Dienstag vor Journalisten im Europaparlament.

In den kommenden Wochen werde sich entscheiden, ob "konstruktive Ergebnisse möglich sind" oder ob das Risiko eines "ungeordneten Austritts" Großbritanniens aus der EU wächst. Im Moment sei es eher wahrscheinlich, dass die Verhandlungen im Dezember noch nicht in die zweite Phase treten können, sagte Weber. Er appellierte an die britische Regierung, nun rasch "belastbare Vorschläge" zu unterbreiten.

Neuwahlen?

Der sozialdemokratische Fraktionsvize Josef Weidenholzer vermutet, dass es in Großbritannien "zu Neuwahlen kommt und sich die Karten neu mischen werden". SPÖ-Delegationsleiterin Evelyn Regner verlangte, dass im Zuge der Brexit-Verhandlungen auch Steuervermeidungskonstruktionen in den britischen Überseegebieten verhindert werden.

Ein Brexit-Verhandlungsergebnis müsse bis zur österreichischen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte 2018 vorliegen, weil das Dokument dann noch ratifiziert werden müsse, sagte Karas. Großbritannien verlässt die EU planmäßig nach Ablauf der Zweijahresfrist am 29. März 2019. Die drei Hauptforderungen der EU - Bürgerrechte, Finanzen und Irland-Grenze - sind bisher ungeklärt. "Der harte Brexit heißt, dass alle Fragen, die nicht geklärt werden, im Streitfall vor Gericht geklärt werden", sagte Karas. Das EU-Parlament habe absichtlich derzeit auf eine weitere Resolution zum Brexit verzichtet.

Brexit?

"Es gibt im Moment noch nichts", sagte der FPÖ-Europaabgeordnete Georg Mayer. Ein No-Deal-Szenario sei ähnlich wie bei einer Scheidung zu sehen. "Die Briten pokern bei den eigenen Verpflichtungen", so Mayer. Die NEOS-Europaabgeordnete Angelika Mlinar sagte, der Brexit-Verhandlungsführer des EU-Parlaments, der Liberalen-Chef Guy Verhofstadt, beginne daran zu zweifeln, ob es überhaupt zu einem Brexit komme. "Möglich ist alles." Allerdings hätten sich die Mehrheiten in Großbritannien auch nicht geändert. Wenn es im Dezember kein grünes Licht gebe, werde es keinen Deal geben. In Großbritannien sei die Regierung in echten Schwierigkeiten, May sei geschwächt, sagte Mlinar.

Das EU-Parlament wird sich am Mittwoch für die Prüfung eines Rechtsstaatsverfahrens gegen Polen nach Artikel 7 des EU-Vertrags aussprechen. Wie Abgeordnete in Straßburg am Dienstag übereinstimmend mitteilten, herrsche in dieser Frage weitgehend Einigkeit unter den Fraktionen.

Neben der laufenden Rechtstaatlichkeitsprüfung von Ungarn werde dann der Innenausschuss des EU-Parlaments damit beauftragt, auch die Vorwürfe der systematischen Eingriffe gegen die Unabhängigkeit der Justiz in Polen zu prüfen, sagte der sozialdemokratische Fraktionsvize Josef Weidenholzer. Er ist in beiden Fällen - Polen und Ungarn - Schattenberichterstatter seiner Fraktion.

Österreichs Ratspräsidentschaft im Mittelpunkt

Der Bericht der Abgeordneten werde voraussichtlich in die Zeit der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft fallen, erklärten Weidenholzer und die grüne Europaabgeordnete Monika Vana. Um ein Artikel-7-Verfahren wegen schwerwiegenden Grundrechtsverstößen gegen Polen oder Ungarn einzuleiten, bedarf es einer Zweidrittelmehrheit der 751 EU-Abgeordneten. Diese sei "sicher erreichbar", auch die Europäische Volkspartei (EVP) trage die Polen-Resolution mit, sagte Weidenholzer.

"Leider mangelt es der polnischen Regierung am Willen, in einen konstruktiven Dialog mit der EU-Kommission einzutreten", beklagte der ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas. Die polnische Regierung nähre stattdessen das "Feindbild EU". Seit 2016 habe es keine Verbesserungen im Bezug auf Polen gegeben.

Der FPÖ-Europaabgeordnete Georg Mayer sagte, die Freiheitlichen würden die Entschließung gegen Polen sicher nicht mittragen. Die Besetzung von Richtern sei im Prinzip eine innerstaatliche Angelegenheit. "Wir als Freiheitliche wollen nicht, dass die EU sich hier einmischt", so Mayer. Dem widersprach Weidenholzer. Es sei klar in den Kopenhagener (Beitritts-)Kriterien der EU festgelegt, dass Gerichte unabhängig sein müssten. In Polen gebe es eindeutig einen Bruch europäischen Rechts. Dies sehe auch die EU-Kommission, die UNO und die Venedig-Kommission des Europarates so.

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