Brexit: Briten stimmen am 23. Juni über Verbleib in der EU ab

Nach Einigung auf Gipfel in Brüssel: David Cameron strebt Reformen in vier Bereichen an.

Der Tag der Entscheidung ist fix: Die britische Bevölkerung soll am 23. Juni in einem Referendum entscheiden, ob ihr Land in der EU bleiben oder austreten soll. Das gab Premierminister David Cameron am Samstag in London bekannt.

Zähe Verhandlungen am Freitag in Brüssel

Bis in den späten Freitagabend hinein wurde verhandelt, dann kam es zu erhofften Einigung: Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich mit dem britischen Premierminister David Cameron auf ein Reformpaket verständigt, mit dem der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union vermieden werden soll. Um die Details der Reformen, die den "Brexit" verhindern sollen, wurde beim EU-Gipfel in Brüssel mehr als 18 Stunden lang gerungen.

Mit der Abmachung wendet die EU zunächst eine existenzbedrohende Krise ab. Ein Scheitern des Gipfels hätte mitten in der Flüchtlingskrise ein verheerendes Signal der Handlungsunfähigkeit gesendet, berichteten Diplomaten. Nun liege der Ball im Feld von Cameron.

"Großbritannien wird niemals Teil eines europäischen Superstaates sein und niemals den Euro annehmen", fasste Cameron die Ergebnisse zusammen. Er habe für das Vereinigte Königreich einen "Sonderstatus" in der EU herausgeholt. Deshalb werde er seinem Kabinett am Samstag die Annahme der Vereinbarungen empfehlen und am Montag im Parlament dazu Stellung nehmen. Er werde sich "mit Herz und Seele" für einen Verbleib seines Landes in der EU einsetzen.

Vier entscheidende Bereiche

Es folgt eine Auflistung der wichtigsten Elemente aus den vier Politikfeldern, in denen Cameron Reformen anstrebt:

VERTIEFUNG DER EUROPÄISCHEN UNION: Großbritannien soll nicht dazu verpflichtet werden, jeden Integrationsschritt in der EU mitmachen zu müssen. In dem Beschluss wird darauf hingewiesen, dass das Königreich bereits bei der Einführung des Euro und dem Beitritt zum Schengen-Raum nicht mitgemacht hat. Ein unterschiedliches Tempo sei auch bei den Integrationsschritten in der EU möglich. Bei einer künftigen Änderung der EU-Verträge soll das Recht Großbritanniens verankert werden, die Vertiefung nicht mitmachen zu müssen.

Nationale Parlamente sollen ein stärkeres Mitspracherecht haben und EU-Gesetze kassieren oder Änderungen verlangen können, wenn sie insgesamt mehr als 55 Prozent der für die Parlamente vorgesehenen Stimmen repräsentieren.

SOZIALLEISTUNGEN: Zugeständnisse hat Cameron den 27 anderen EU-Staaten bei Sozialleistungen für EU-Ausländer abgerungen. So darf Großbritannien neu einreisenden EU-Ausländern maximal sieben Jahre lang Sozialleistungen verweigern. Voraussetzung dafür soll eine sogenannte Notbremse sein, in der eine Überlastung des Sozialsystems eines EU-Staates festgestellt wird. Ein einzelner EU-Bürger darf nur bis zu vier Jahre von Leistungen ausgeschlossen werden. Im Fall Großbritanniens hat die EU-Kommission bereits signalisiert, dass die Ausnahmesituation besteht. Über die Regelung müssen nach einem Kommissionsvorschlag auch noch EU-Parlament und EU-Staaten entscheiden.

Zudem sollen Zahlungen von Kindergeld an die wirtschaftliche Situation im EU-Ausland gekoppelt werden, womit sich Cameron gegen den Widerstand osteuropäischer Staaten durchsetzte. Ab 2020 sollen dann auch die bereits in anderen EU-Staaten lebenden Unions-Bürger davon betroffen sein. Die britische Regierung hatte moniert, dass Osteuropäer die Leistungen an ihre in der Heimat lebenden Kinder überweisen, obwohl dort die Lebenshaltungskosten geringer sind als im Vereinigten Königreich.

EURO-ZONE: Die Bankenaufsicht in der Euro-Zone soll keinen Beschränkungen durch die Sonderregelungen für Großbritannien unterliegen. Auch künftige Maßnahmen zur Finanzmarktregulierung sollen davon nicht betroffen sein. Wettbewerbsverzerrungen zugunsten des britischen Bankensektors sollen ausgeschlossen werden. Umgekehrt erhält Großbritannien das Recht, seine Banken und den heimischen Finanzmarkt selbst zu überwachen.

WETTBEWERB: Anders als die anderen drei Bereiche gab es um das Thema Wettbewerb in den Verhandlungen kaum Streit. Die britische Regierung, die in ihrer Heimat mit einer liberalen Wirtschaftspolitik und niedrigen Arbeitslosenzahlen punktet, fordert mehr Anstrengungen auf EU-Ebene. In dem Beschluss wird nun betont, dass der Binnenmarkt gestärkt und Reformen begonnen werden müssen. Auch ein Abbau von Bürokratie wird in dem Dokument gefordert. Die hohen EU-Standards für Beschäftigte, Verbraucher sowie im Bereich von Gesundheit und Umweltschutz sollen aber bewahrt werden.

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