Bevölkerungsboom in Ägypten: Zwei Kinder sind genug

Kinder, Kinder, Kinder: Die Regierung wünscht sich kleinere ägyptische Familien.
2,7 Millionen Ägypter werden jedes Jahr geboren. Der Staat will die Geburtenrate senken.

"Terrorismus und Bevölkerungswachstum", sagte Präsident Abdel Fattah al-Sisi kürzlich in einem Atemzug – "das sind die größten Gefahren für Ägypten."

Die Bevölkerung des arabischen Landes wächst schnell und unkontrolliert, laut BBC wird Ägypten im Jahr 2100 bereits 200 Millionen Einwohner haben. Derzeit ist es knapp die Hälfte.

Das Problem der Überbevölkerung in Ägypten ist kein neues. Doch die Regierung hat nun erkannt, dass sie dringend handeln muss, erklärt der ägyptische Demographieexperte Ayman Zohry dem Nachrichtenportal Al-Monitor. Die Überbevölkerung sei eine Gefahr für die Wirtschaft und in der Folge die Sicherheit des Landes. "Der Staat muss eingreifen, um sie einzudämmen."

Instabilität

Für die jährlich um mehr als zwei Millionen Menschen wachsende Bevölkerung gibt es nicht genügend Arbeitsplätze. Arbeitslosigkeit führt zu Armut und Hunger, dem Staat droht der Bankrott, das Wasser ist knapp, die Perspektiven für die Jungen ebenso. Die Folge: Instabilität. Die Rechnung, warum die vielen Geburten so gefährlich seien wie der Terrorismus, klingt logisch. Schon jetzt leben 28 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze.

Die Regierung hat deshalb einen Plan entworfen, der die Geburtenrate von durchschnittlich vier Kindern pro Frau auf 2,4 Kinder senken soll. Das lässt sich der Staat auch einiges kosten. Aktuell gibt es rund 6000 Kliniken des Gesundheitsministeriums, die die Familienplanung unterstützen sollen. Sie bieten kostenlose gynäkologische Untersuchungen und subventionierte Verhütungsmittel. Zehn Kondome für umgerechnet fünf Cent, eine Kupferspirale für umgerechnet zehn Cent.

Die Angebote des Gesundheitsministeriums werden jetzt ausgeweitet. Vor allem auf der Ebene der Bewusstseinsbildung soll gearbeitet werden – mit Workshops, Hausbesuchen, Konferenzen. Tausende "Testimonials" sollen vor allem in den ärmeren, ländlichen Regionen die jungen Frauen erreichen.

Religion

Die Kernbotschaft: "Itnein Kifaya!" ("Zwei sind genug!") Das Team arbeitet mit finanziellen Zuckerln für kleinere Familien, andere Initiativen fordern sogar Strafen, wenn eine gewisse Anzahl an Kindern überschritten werde.

Das Thema Familienplanung in dem islamischen Land anzugehen, ist schwierig. Die Gründe für das schnelle Wachstum sind vielfältig, vor allem religiöse und wirtschaftliche Ursachen werden immer wieder genannt. In den ländlichen Regionen unter der ungebildeten und religiösen Bevölkerung hat man es mit der Verhütung nicht leicht.

Grundsätzlich gilt die Regel: Kinder von reichen Familien sind "teuer", Kinder von armen Familien werden von den Eltern eher als "gewinnbringend" wahrgenommen. Nicht zuletzt deshalb sind es die armen Familien, die kinderreicher sind. Der Bevölkerungsexperte Ayman Zohry nennt das "ökonomische Theorie": Die Kosten eines Kindes sind verkehrt proportional zur Anzahl der Kinder, die ein Paar haben will.

Armut durch Kinder

Immer wieder sprechen sich auch Islamgelehrte gegen die Pille oder andere Verhütungsmittel aus. Deshalb will die Regierung eng mit den Gelehrten der Al-Azhar-Universität zusammenarbeiten, um auch streng religiöse Familien erreichen zu können. Kairos Großmufti Shawki Allam selbst gab vor Kurzem zu bedenken, dass "zu viele Kinder Armut herbeiführen".

Ägypten mit seinen knapp 100 Mio. Einwohnern zählt rund 2,7 Mio. Geburten pro Jahr, bei circa 500.000 Todesfällen. Bis 2030 könnte die Bevölkerung auf 130 Mio. steigen. Die Regierung will deshalb die Geburtenrate von knapp 4 auf 2,4 senken.

Kinder als Zeichen der Rebellion

Präsident Mubarak erreichte seinerzeit eine Senkung der Geburtenrate (2005: 2,5). Doch als der Widerstand gegen den Despoten größer wurde, stieg auch die Geburtenrate. Kinder galten als Zeichen der Rebellion. Vor allem bei den streng religiösen Muslimbrüdern.

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