Wieso Deutsch-Türken stark umworben werden

Pro-Erdogan-Demo in Berlin
Merkel rüffelte Erdoğan für NS-Sager – sie hat wie er innenpolitische Motive.

Eigentlich sei der NS-Sager des türkischen Präsidenten "so deplatziert", dass man ihn nicht kommentieren könne, sagte Angela Merkel am Donnerstag bei ihrer Bundestagsrede. Dass sie nach vier Tagen Zurückhaltung doch zum Gegenangriff ausholte und Recep Tayyip Erdoğan vor laufender Kamera ausrichtete, dass "diese Vergleiche aufhören müssen", hat seine Gründe – und die sind jenen Erdoğans nicht so unähnlich: Nicht nur in der Türkei ist wegen des Referendums Vorwahlzeit, auch in Deutschland buhlt man um Wähler – da wie dort sind die Deutsch-Türken eine höchst interessante Gruppe.

Erdoğan hofft, dass die 1,4 Millionen wahlberechtigten Türken in Deutschland das Zünglein an der Waage sind – sie sind traditionell der AKP zugeneigt; auch, weil viele Türken sich in Deutschland nicht gerecht behandelt fühlen, wie die Uni Münster erhoben hat. Erdoğan nutzt diese gefühlte Herabsetzung aus, indem er den Anwalt der Benachteiligten gibt – und auf entscheidende Pro-Stimmen für das Referendum hofft."Teil unseres Landes"Auch die CDU hat in den gesamt drei Millionen Türkischstämmigen eine Zielgruppe entdeckt: Sie waren bisher der SPD zugeneigt, Merkels Politik ließ aber schon 2013 viele umschwenken – nun hofft man, dass ihre Flüchtlingspolitik das noch begünstigt. Nicht umsonst schloss Merkel ihre Rede emotional: Sie nannte die Deutsch-Türken einen "Teil unseres Landes", die als "Mitschüler, Arbeitskollegen oder Sportsfreunde einen Beitrag zum Wohlstand Deutschlands leisteten".

Ähnliche Worte wählte auch Sigmar Gabriel nach dem Treffen mit Außenminister Çavuşoğlu – er nutzte das Podium zum Wahlkampf. Das werden türkische Politiker übrigens weiterhin in Deutschland tun: 30 Werbeauftritte seien noch geplant, so Çavuşoğlu. Ob auch Erdoğan selbst darunter sein wird, ist allerdings noch immer unklar.

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