Aleppo: Syrische Armee weiter auf dem Vormarsch

Rauch steigt über Ost-Aleppo auf
Die USA rechnen Regierungskreisen zufolge schon bald mit einer Niederlage der syrischen Rebellen im Osten Aleppos. Es wäre auch eine Niederlage für die USA.

Bei ihrer Großoffensive auf den Osten von Aleppo haben die syrischen Regierungstruppen entscheidend an Boden gewonnen und wichtige Bezirke von den Rebellen zurückerobert. Wie die "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" am Dienstag mitteilte, übernahmen sie sieben Stadtteile und kontrollierten damit mehr als 75 Prozent von Ost-Aleppo.

Unter den neuerdings von den Truppen von Präsident Bashar al-Assad kontrollierten Vierteln ist der strategisch wichtige Stadtteil Shaar. Die in Großbritannien ansässige oppositionsnahe Beobachtungsstelle erklärte, dies sei der "wichtigste Bezirk im Herzen von Ost-Aleppo", der nun in Regierungshand sei. Die Organisation ist in Syrien breit vernetzt, ihre Angaben können von unabhängiger Seite aber kaum überprüft werden. Das weitere Vorrücken der Regierungstruppen wurde auch von der staatlichen Nachrichtenagentur Sana vermeldet.

50.000 Zivilisten geflüchtet

Im Ostteil der einstigen Wirtschaftsmetropole Aleppo hatten die Regierungstruppen Mitte November eine Großoffensive begonnen. Seither sind mehr als 50.000 Zivilisten aus den östlichen Vierteln geflüchtet. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte, dass den Menschen vor Ort keine Hilfe über Korridore zukomme. "Das ist eine Schande, dass es uns bis jetzt nicht gelungen ist, Hilfskorridore zu bekommen", sagte Merkel am Dienstag auf dem CDU-Parteitag in Essen. Sie prangerte dabei auch die Mitverantwortung Moskaus an. Russland und der Iran würden "das Assad-Regime bei seinem brutalen Vorgehen gegen die eigenen Bürger unterstützen", sagte die Kanzlerin. Eine Resolution für eine Waffenruhe in Aleppo war am Montagabend im UNO-Sicherheitsrat von Russland und China blockiert worden.

Russland kündigte Verhandlungen mit den USA an, um mit Hilfe einer Feuerpause die Evakuierung tausender Rebellen aus Ost-Aleppo abzusichern. Allerdings kam das Treffen, das in Genf stattfinden sollte, zunächst nicht zustande. Der russische Außenminister Sergej Lawrow machte dafür die US-Regierung verantwortlich, die für die Aufständischen "Zeit gewinnen" wolle. Lawrows US-Kollege John Kerry bestritt jedoch eine "spezifische Verweigerung" seiner Regierung.

Rebellen lehnen Evakurierung ab

Allerdings lehnen die Rebellen im Osten Aleppos bisher selbst ihre Evakuierung ab. Yasser al-Yussef von der Gruppierung Nour al-Din al-Zinki nannte den Vorschlag "inakzeptabel".

Kerry erklärte zugleich, er wolle mit Russlands Hilfe die Friedensgespräche für Syrien wieder zum Laufen bringen. Auch wenn Aleppo falle, "wird der Krieg weitergehen", sagte er in Brüssel. Daher müsse eine Lösung ausgehandelt werden. Russland zufolge sei Assad dazu bereit, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, sagte Kerry. Darauf werde er es jetzt ankommen lassen.

Die siebenjährige Bana aus Ost-Aleppo, die in den vergangenen Wochen durch eine Abfolge von ergreifenden Twitter-Nachrichten für Furore sorgte, flüchtete unterdessen angesichts des Vorrückens der Armee mit ihrer Familie in ein anderes Stadtviertel. "Die Armee kam wirklich nahe an unser Viertel heran", sagte ihr Vater Ghassan al-Abed der Nachrichtenagentur AFP. "Unser Haus wurde bei einem Bombenangriff beschädigt." Nach der Flucht in ein anderes Stadtviertel gehe es der Familie "gut".

In der Provinz Idlib wurden unterdessen bei Angriffen, die möglicherweise von der russischen Luftwaffe geflogen wurden, mindestens 25 Zivilisten getötet. Unter den Opfern waren auch Kinder, wie die Beobachtungsstelle mitteilte.

Bundesregierung beschloss Hilfe in Höhe von 4,5 Millionen Euro

Angesichts der dramatischen Lage beschloss die österreichische Bundesregierung Hilfe in der Höhe von 4,5 Millionen Euro für Syrien. Laut Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) leistete Österreich 2016 bereits 40 Millionen Euro an humanitärer Hilfe für Binnenvertriebene in Syrien sowie für syrische Flüchtlinge in der Region. Mit den zusätzlichen Mitteln aus dem Auslandskatastrophenfonds soll die Hilfe fortgesetzt werden, so Kurz. Das Geld soll dem Roten Kreuz und Roten Halbmond, dem UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR, dem UNO-Bevölkerungsfonds (UNFPA) sowie dem Büro des UNO-Hochkommissars für Menschenrechte, Zeid Raad Al Hussein, zugutekommen.

"Die Armee kam wirklich nahe an unser Viertel heran", sagte ihr Vater Ghassan al-Abed am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. "Unser Haus wurde bei einem Bombenangriff beschädigt." Nach der Flucht in ein anderes Stadtviertel gehe es der Familie "gut".

Im Internet war Unruhe entstanden, nachdem Banas Mutter Fatemah am Sonntagabend über Banas Twitterkonto @AlabedBana die Nachricht verbreitete: "Wir sind sicher, dass die Armee uns nun fangen wird. Wir werden uns eines Tages wiedersehen, geliebte Welt." Schon zuvor klangen die Tweets der kleinen Bana wiederholt wie Hilferufe aus einer untergehenden Welt. Am 29. November twitterte Bana ein Foto eines schwer beschädigten Hauses mit der Nachricht: "Das ist unser Haus, meine geliebten Puppen sind beim Zerbomben unseres Hauses gestorben."

Banas Account, der am 23. September an den Start ging, zählt inzwischen rund 215.000 Follower. Die Aufmerksamkeit für das Schicksal des kleinen Mädchens nahm zu, als die britische Erfolgsautorin J.K. Rowling auf sie aufmerksam geworden war und ihr eine elektronische Version von "Harry Potter" spendierte.

Der syrische Präsident Bashar al-Assad zeigte wenig Verständnis für die Geschichte von Bana. Als er im Oktober vom dänischen Fernsehsender TV2 darauf angesprochen wurde, sagte Assad, die Nachrichten von Bana würden "von Terroristen und ihren Unterstützern" verbreitet. Es handle sich um ein "Propagandaspiel", fügte Assad hinzu. Seine Regierung müsse sich nicht um "Medienspiele" kümmern, sondern um die "Realität".

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