„Der Präsident sagt täglich etwas anderes“

Djilas
Der Oppositionschef und Belgrader Bürgermeister Dragan Djilas über Parteienstreit und Geld.

Dragan Djilas nimmt „keinen Euro vom Staat“, sagt der Parteichef der serbischen Sozialdemokraten (DS) und Bürgermeister von Belgrad selbst. Als er vergangene Woche in Wien einen Vortrag im Institut für die Wissenschaft vom Menschen hielt, reiste er auf eigene Kosten an und zahlte sich das Hotel selbst. „Alles andere wäre unglaubwürdig“, sagt der 46-Jährige, der in Serbien als Medienunternehmer reich wurde und seit 2008 in der Hauptstadt Bürgermeister ist. Derzeit versucht Djilas, in Belgrad ein Programm der sozialen Unterstützung umzusetzen, obwohl ihm nur wenig Geld zur Verfügung steht.
Mit dem KURIER sprach Dragan Djilas über...

...das Belgrader Stadtbudget

Ich habe heuer statt 900 Millionen nur noch 600 Millionen Euro zur Verfügung, so groß ist in etwa das Kulturbudget der Stadt Wien. Damit kauften wir etwa Busse, bauten 40 Kindergärten, stellten Schulbücher für 120.000 Kinder zur Verfügung und investierten in Familien. Mehr als 100.000 Pensionisten bekommen zu ihrer kleinen Staatspension von etwa 150 Euro noch eine Extra-Pension der Stadt Belgrad. Frauen bekommen in der Karenz 66 Prozent ihres Gehaltes vom Staat, die Stadt zahlt die restlichen 34 Prozent dazu. Wir zahlen Millionen an Euro, um die Kosten für die Kindergärten niedrig zu halten. Die neue Regierung (Seit 2012
regiert auf nationaler Ebene eine Mitte-Rechts-Koalition, Anm.) hat sich vieles davon abgeschaut.

...Prestigeobjekte und soziale Unterstützung

Bei der sozialen Unterstützung könnte man immer noch mehr machen. Da kann man eine Milliarde geben und es ist immer noch nicht genug. Aber wenn die Basis einmal geschaffen ist, dann müssen auch Infrastrukturprojekte weitergebracht werden. Das ist der zweite wichtige Punkt. Ich will, dass die Stadt besser aussieht, den Bewohnern ein neues Licht, eine neue Energie schenken. Wir haben in Straßen und Brücken investiert und den übermäßigen Verkehr in Belgrad verbessert. Und ja, wir haben eine pompöse Brücke gebaut. Das wäre wahrscheinlich billiger gegangen, sie sieht aber toll aus! Und Menschen kommen nach Belgrad, um diese Brücke anzusehen. Das ist das komplizierteste Bauprojekt Europas, gebaut übrigens von der österreichischen Firma Porr. Und wir sind stolz, dass es in Serbien steht.

...die Abwanderung gebildeter Menschen aus Serbien

Ich bin Flugzeugingenieur. Als wir unser 25-jähriges Abschlussjubiläum feierten, waren mehr von uns in Toronto als in Belgrad. Dieser Brain Drain ist ein Desaster für Serbien. Wir verlieren laufend Leute. Wer einen Job findet, der bekommt ein Gehalt von 400 bis 500 Euro. Ein bisschen mehr, wenn man die Uni absolviert hat. Damit kann man nicht leben, keine Familie ernähren. Unglücklicherweise kann die Stadt da wenig machen. Da ist schon der Staat verantwortlich. Die einzige Idee ist, die Wirtschaft anzukurbeln, sodass die Gehälter besser werden. Die Menschen wollen ja im eigenen Land leben. Die Politiker reden zwar über die großen Themen wie Kosovo. Aber niemand redet über die Wirtschaft.

...seine Motivation, als Premier zu kandidieren

Ich liebe es, Bürgermeister zu sein. Ich bin zwar nicht der, der durch die Straßen geht und alle anlächelt. Aber alles, was man gemacht hat, kann man tatsächlich angreifen. Deshalb bin ich 2012 noch einmal angetreten und habe nicht für den Premiersposten kandidiert. Eines Tages kann ich mir das schon vorstellen. Zwei Mandate als Stadtchef sind genug.

...Kampagnen gegen seine Person in den Medien

Ich bin 2012 mit großer Unterstützung Bürgermeister geworden, und meine Partei verlor gleichzeitig die Wahl auf nationaler Ebene. Dann wurde ich Parteichef. Jetzt lastet ein großer Druck der Medien auf mir. Es ist verrückt, in 120 Tagen 75-mal auf der Titelseite zu stehen. Aber es kümmert mich nicht. Schlimm ist aber, wenn meine Tochter in der Schule beschimpft wird, sie sei das Kind eines Diebes. Es ist verrückt, wenn jemand schreibt, ich hätte eine Milliarde Euro. Aber es gibt Leute, die glauben das. Man kann nie sicher sein, deshalb habe ich Polizeischutz.

...über die Entschuldigung von Präsident Tomislav Nikolić (SNS) für Srebrenica

Es ist schwer, ihn zu kommentieren. Er sagt jeden Tag etwas anderes. Einen Tag ist er in Brüssel und redet über die Europäische Integration, am nächsten Tag in Minsk und spricht mit Präsident Alexander Lukaschenko und sagt, dass die EU-Sanktionen gegen Weißrussland nicht gut sind. Einen Tag schimpft er über den UN-Gerichtshof in Den Haag, am nächsten Tag will er sich mit der westlichen Welt versöhnen. Das ist unglaubwürdig. Präsident Boris Tadic (DS) hat sich 2007 bereits dafür entschuldigt, was Menschen aus Serbien in Srebrenica getan haben und ich denke, das ist genug. Ich sehe nicht, dass sich jetzt jeder serbische Präsident dafür entschuldigen soll. Wir müssen nach vorne blicken.

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