Fixes Grundeinkommen: Spinner oder Visionäre?

Aktivisten in Zürich fordern ein fixes Grundeinkommen vom Staat
Die Schweizer stimmen ab, ob jeder einfach so Geld vom Staat bekommen soll.

Mit Schachteln als Computer oder Roboter verkleidet, ziehen die Schweizer Werber für ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) für alle durch die Straßen von Zürich, Genf oder Bern. Denn eines ihrer stärksten Argumente für ein Ja der Schweizer zur Volksinitiative am 5. Juni ist, dass durch die zunehmende Digitalisierung weltweit viele Jobs verloren gingen. Allein schon aus diesem Grund sei es ideal, wenn jeder Bürger ohne Bedingungen und Bedarfsprüfung eine festgelegte einheitliche Summe ausbezahlt bekommt.

Spinner oder Visionäre? Kaum ein Referendum in der Schweiz hat die Eidgenossen so polarisiert wie das zum BGE. Die einen sehen darin die einzig richtige Antwort auf die digitale Revolution und für mehr Freude an der Arbeit; die anderen bezeichnen es als verrückte Idee von Faulpelzen. Und wer wird dann noch arbeiten gehen? Der Ökonom Philip Kovce, einer der Vordenker der Initiative, wischt diese Vorwürfe vom Tisch. Es handle sich nicht um eine "Faulheitsinitiative", sagte er dem Handelsblatt. Es gehe vielmehr darum, die Arbeit vom Zwang zu befreien und auch neu zu bewerten. Die Leistungsbereitschaft würde steigen, glaubt Kovce.

2268 Euro im Monat

Geht es nach den Initiatoren der Volksabstimmung, soll jeder Erwachsene mindestens 2500 Franken (2268 Euro) bekommen und 625 Franken (567 Euro) pro Kind. Das ist die Größenordnung, die Daniel Häni, der Sprecher der Grundeinkommen-Initiative, nennt. Die konkrete Summe solle aber das Parlament der Schweiz festlegen.

Im Gegenzug sollen andere staatliche Sozialleistungen wegfallen, also die Renten-, Sozialhilfe- und Arbeitslosenzahlungen – und damit auch der zuständige Beamtenapparat. Dann sei es, mehr oder weniger, ein Nullsummenspiel, glauben die Initiatoren.

Ihre Gegner sehen das ganz anders und verweisen dabei auf Berechnungen von Ökonomen der Universität St. Gallen: Demnach müssten selbst beim Wegfall aller bisherigen Sozialleistungen noch jährlich 150 Milliarden Franken (136 Milliarden Euro) für die Finanzierung des Grundeinkommens aufgebracht werden. Dafür müsse die Mehrwertsteuer auf über 50 Prozent steigen.

Seelische Gesundheit

Selbst renommierte Verfechter dieser These von der "Roboterrevolution", wie der Ökonom Erik Brynjolfsson vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), sehen ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle nicht unkritisch. Um Menschen auch schlechter bezahlte Jobs schmackhaft zu machen, sollte der Staat bei diesen Löhnen lieber etwas draufzahlen, statt Steuer zu kassieren. Denn Lohnarbeit sei für die Selbstachtung, die Stellung in der Gesellschaft und die seelische Gesundheit des Einzelnen wichtig.

Finnen hüpfen es vor

Neu ist die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens nicht, und debattiert wird darüber auch anderswo in Europa. So lässt die konservative Regierungskoalition von Finnland ein Pilotprojekt vorbereiten, das 2017 starten soll: Einige Finnen sollen dann 800 Euro im Monat bekommen, einfach so. Für das Experiment, das auf zwei Jahre angelegt ist, sind 20 Milliarden Euro eingeplant, samt Planung, begleitender Forschung und Auswertung. Die finnische Sozialbehörde hat jetzt das Problem, die Versuchskaninchen auszusuchen, denn die große Mehrheit der Finnen würde gern einfach so Geld vom Staat kassieren.

In der Schweiz hat die BGE-Inititative hingegen laut Umfragen keine großen Chancen auf Annahme durch die Eidgenossen– trotz oder vielleicht auch wegen der Unterstützung des früheren griechischen Finanzminister Yannis Varoufakis: "Die Robotisierung ist längst im Gange, Roboter kaufen aber keine Produkte", sagte er dem Zürcher Tages-Anzeiger. Ein Grundeinkommen könne soziale Folgen des Wandels durch die digitale Revolution auffangen. Und die Schweiz, schwärmte Varoufakis, eigne sich als besonders wohlhabendes Land "ideal für Experimente mit dem Grundeinkommen".

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