Zurufe aus Berlin unerwünscht

epa03588143 The former Italian Premier Silvio Berlusconi gives a confident clenched fist during an electoral campaign gathering n Turin 17 February 2013 The general elections in Italy take place on the 24-25 February 2013 EPA/ALESSANDRO DI MARCO
Anti-Deutschland-Stimmung: Kritik aus dem Ausland hilft Berlusconi; der will mit Merkel-Beleidigungen punkten.

Es vergeht kaum ein Tag, an dem Ex-Premier Silvio Berlusconi nicht einen Giftpfeil Richtung EU, vor allem gegen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel abschießt. Die Kränkung, dass Deutschland und Frankreich Berlusconis Ablöse begrüßt haben und den scheidenden Premier Mario Monti mit offenen Armen aufgenommen haben, sitzt noch immer tief.

Nun ließ sich der 76-jährige Cavaliere vor Unternehmern in Monza erneut zur Kritik gegen „Signora Merkel“ hinreißen: „Sie ist eine intelligente Frau, sie ist aber als Bürokratin in Ostdeutschland mit seiner zentralistischen Wirtschaft herangewachsen. Sie denkt, dass in jedem Staat das Defizit maximal 0,5 Prozent betragen soll.“ Es sei aber verrückt, so Berlusconi, einem Land, das nicht wachse, Regeln der Austerität aufzuzwingen.

Eine mögliche Rückkehr Berlusconis auf das politische Parkett bereitet der deutschen Regierung große Sorgen, in Brüssel ist man „alarmiert“. Minister Schäuble gab im italienischen Wochenmagazin l’Espresso eine Wahlempfehlung ab und riet allen Italienern, nicht für Berlusconi zu stimmen.

Im Gegenzug buhlt Berlusconi im Wahlkampf verstärkt mit Anti-Berlin-Stimmung um Zuspruch. „Berlusconi und seine Mitte-Rechts-Partei versuchen, die Stellungnahmen aus Deutschland zu politisieren“, erklärt Politologe Edoardo Bressanelli dem KURIER. Der Medientycoon prangere das rigorose Sparprogramm Montis bewusst als eine deutsche Verordnung an, die das nationale Interesse vor das Wohl Europas stelle.

Ungeliebte Steuern „Mit seinem Anti-Deutschland-Kurs erzielt Berlusconi nicht unbedingt den erhofften Zulauf“, analysiert Bressanelli. Populistische Wahlversprechen wie die Abschaffung bis hin zur Rückerstattung der unbeliebten Immobiliensteuer sorgen für mehr Aufmerksamkeit. Die Kritik an Berlin und der EU sei für die meisten Wähler ein zu abstraktes Thema.

Kontraproduktiv

Die Einmischung aus dem Ausland empfindet Historiker Giovanni Orsina von der römischen Universität Luiss dagegen als kontraproduktiv. Das Problem dabei sei, dass Merkel und andere EU-Politiker die Wählerschaft Berlusconis völlig verkennen. „Selbst vielen Italienern fällt es schwer, Berlusconis Wähler zu verstehen. Denn es handelt sich um eine sehr tückische und schwierige Gruppe“, so Orsina. Vielleicht hätten manche der ehemaligen Berlusconi-Fanis ihn diesmal gar nicht mehr gewählt, aber da jemand aus dem Ausland die Nase in italienische Politik steckt, unterstützen sie aus Protest nochmal den Cavaliere. „Berlusconi wird dadurch sicher ein paar Wählerstimmen mehr gewinnen“, vermutet Orsina.

Auch Emanuela S. (45) fühlt sich von der Einmischung irritiert. Dies erinnere sie an die Situation damals in Österreich, als die EU mit Sanktionen gegen die ÖVP/FPÖ-Koalition gedroht hatte. „Auch wenn man die politischen Ansichten nicht teilt, darf man sich nicht einmischen, das bringt nichts. „Die Italiener wissen sehr genau, dass man den Reformkurs fortsetzen muss, aber in abgeschwächter Form. “

Kommentare