Italiens Vize-Außenminister Giro an Kurz: "Italien wird keine KZ aufbauen"

Vize-Außenminister Mario Giro.
"Italien wird keine KZ aufbauen. Europa darf sich keinen Illusionen hingeben: Italien identifiziert alle Flüchtlinge, nimmt aber niemanden fest", so Vize-Außenminister Mario Giro.

Auch Italiens Vize-Außenminister Mario Giro hat Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) wegen dessen Forderung kritisiert, illegal in Italien via Mittelmeer eingetroffene Migranten nicht mehr von den Inseln auf das Festland zu lassen. "Italien wird keine KZ aufbauen. Europa darf sich keinen Illusionen hingeben: Italien identifiziert alle Flüchtlinge, nimmt aber niemanden fest", so Giro.

"Die Maske ist gefallen. Viele EU-Partner wollen aus Italien einen großen südeuropäischen Hotspot machen, wie es bereits die Türkei im Osten geworden ist. Das ist eine für Italien unannehmbare Forderung", sagte Giro.

Der Vize-Außenminister dementierte Mängel bei der Identifizierung der in Italien eingetroffenen Migranten. "Italien identifiziert seit Ende 2014 alle Migranten, die bei uns eintreffen", versicherte Giro.

Ton wird schärfer

Im Streit wird der Ton zwischen Italien und Österreich schärfer. Der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende im EU-Parlament, Gianni Pittella, hatte Außenminister Sebastian Kurz ( ÖVP) am Donnerstag vorgeworfen, er wolle "Lampedusa in ein Internierungslager für Migranten umwandeln.“ Die Wortwahl "Internment Camp" wurde vielerorts mit "Konzentrationslager" übersetzt, obwohl die treffendere Übersetzung "Internierungslager" wäre.

Der ÖVP-Delegationschef Othmar Karas nannte dies umgehend eine „unfassbare Entgleisung“. "Kurz die Errichtung eines KZs vorzuwerfen, ist historisch bedingt völlig jenseitig und vollkommen fehl am Platz“, erklärte Karas. „Pittella muss sich umgehend entschuldigen. Denn selbst wenn man unterschiedlicher Meinung ist, muss ein Restanstand gewahrt bleiben.“ Der italienische Sozialdemokrat hatte unter anderem getwittert: „Das ist nicht das Europa, für das wir uns einsetzen.“

Fährenverkehr

Am Donnerstag hatte Kurz bei seinem italienischen Amtskollegen Angelino Alfano darauf gepocht, illegal in Italien via Mittelmeer eingetroffene Migranten nicht mehr von Inseln auf das Festland zu lassen. Er habe Alfano gesagt, dass „wir uns erwarten, dass der Fährenverkehr für illegale Migranten zwischen den italienischen Inseln wie Lampedusa und dem italienischen Festland eingestellt wird“, sagte Kurz nach dem Gespräch.

Alfano bezeichnete diese Forderung laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA als „Ideen für den österreichischen Wahlkampf“. „Das habe ich Kurz auch klar gesagt“, so Alfano.

Die Aussagen des österreichischen Außenministers stoßen in Italien generell auf viel Kritik. „Von benachbarten und befreundeten Ländern erwarten wir uns Solidarität und Hilfe, nicht Drohungen. Lampedusa ist italienisches Gebiet, Österreich darf sich nicht in das einmischen, was wir bei uns zu Hause tun“, kommentierte die Präsidentin von Kärntens Nachbarregion Friaul-Julisch Venetien, Debora Serracchiani.

Italien ist allein mit den Migrationsströmen aus Nordafrika konfrontiert. Von Kurz fordern wir zumindest Respekt für unsere Bemühungen. Wir arbeiten schließlich auch im Interesse seines Landes“, so Serracchiani.

Neonazi

Der Bürgermeister der italienischen Insel Lampedusa, Salvatore Martello, kommentierte die Kurz-Botschaft auch äußerst deftig: „Eine derartige Aussage hätte ich mir von einem Neonazi, nicht von einem Vertreter eines EU-Landes erwartet. Offenkundig weiß Kurz nicht, wie groß Lampedusa ist. Er vergisst, dass hier 6.000 Einwohner leben, die sich als Europäer fühlen“, so Martello laut ANSA.

„Aus Kurz ' Worten entnehme ich, dass er nicht weiß, wie Landungen von Flüchtlingsschiffen erfolgen und wie Migranten behandelt werden, die auf Lampedusa eintreffen. Er weiß nicht, welchen Einsatz diese Insel und ihre Einwohner für die Versorgung der Migranten leisten“, so Martello.

Der am 11. Juni gewählte Martello hatte die Kommunalwahl gegen die Bürgermeisterin der süditalienischen Insel, Giuseppina Nicolini, gewonnen, die wegen ihres Einsatzes für Flüchtlinge im April mit dem UNESCO-Friedenspreis ausgezeichnet worden war. Nicolini verfehlte überraschend die Wiederwahl.

FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache hat Italien zu einer offiziellen Entschuldigung gegenüber Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) aufgefordert. Die "permanenten Beschimpfungen" und die Wortwahl italienischer Politiker gegenüber Kurz seien "völlig inakzeptabel", hieß es in einer FPÖ-Aussendung vom Freitag.

Wenn hier beispielsweise behauptet werde, Kurz wolle die süditalienische Mittelmeerinsel Lampedusa in ein "Internierungslager umwandeln", sei das "ungeheuerlich", ebenso wie "die Beschimpfung des Außenministers als 'Neonazi'". Mit dieser Wortwahl sei "eine Grenze überschritten worden", so Strache.

Der Außenminister und ÖVP-Chef hatte am gestrigen Donnerstag nach einem Treffen mit seinem italienischen Amtskollegen Angelino Alfano in Wien die Idee vorgebracht, "illegalen Migranten" die Weiterfahrt von Italiens Inseln auf das Festland zu verwehren. In Italien werden die ankommenden Migranten nach einem Bevölkerungsschlüssel auf die einzelnen Regionen des gesamten Landes aufgeteilt. Alfano meinte, das seien "Ideen für den österreichischen Wahlkampf".

Kurz' Vorschlag wurde vom sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzenden im EU-Parlament, dem Italiener Gianni Pittella, am Donnerstag auf Twitter mit den Worten kommentiert: "Kurz will Lampedusa in ein Konzentrationslager für Migranten umwandeln." Der Bürgermeister der Insel Lampedusa, Salvatore Martello, sagte wiederum dazu: "Eine derartige Aussage hätte ich mir von einem Neonazi, nicht von einem Vertreter eines EU-Landes erwartet."

Strache unterstütz im Übrigen Kurz' Idee, "keine sogenannten 'Flüchtlinge' mehr aufs Festland zu lassen", wie es in der FPÖ-Aussendung hieß.

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