Nach Anschlägen: Erdogan kündigt Vergeltung an

Menschen tragen die Särge nach den Anschlägen.
Bei einem Bombenanschlag auf einen Polizeibus vor dem Besiktas Stadion und einem weiteren Anschlag in einem Park sind nach Angaben des türkischen Innenministers Süleyman Soylu Samstagabend 38 Menschen getötet und mindestens 155 verletzt worden.

Bei zwei Anschlägen in Istanbul sind am Samstagabend 38 Menschen getötet und 155 verletzt worden. Davon seien 30 Polizisten, sieben Zivilisten und eine bisher noch nicht identifizierte Person, sagte Innenminister Süleyman Soylu Sonntagfrüh. "Leider gab es Märtyrer und Verletzte", sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan und verurteilte die Tat nach Angaben der staatlichen Agentur Anadolu aufs Schärfste. Erdogan verurteilte den Doppelanschlag als "abscheulichste" Form des Terrorismus. Inzwischen hat sich die kurdische Extremistenmiliz TAK ("Freiheitsfalken Kurdistan") zu den beiden Bombenanschlägen bekannt.

Die PKK-Splittergruppe erklärte in einer Stellungnahm auf ihrer Website, dass das türkische Volk nicht ihr primäres Ziel gewesen sei. Bei dem Doppelanschlag seien auch zwei ihrer Mitglieder getötet worden, erklärte TAK weiter. Mit den Anschlägen wollte die TAK nach eigenen Angaben auf die Gefangenschaft des PKK-Anführers Abdullah Öcalan und die türkischen Militäroperationen vor allem im Südosten des Landes aufmerksam machen. Solange diese anhielten, solle "niemand erwarten, ein geruhsames Leben in der Türkei führen zu können", hieß es in der Stellungnahme.

Der Konflikt mit der PKK hatte zuletzt einen neuen, blutigen Höhepunkt erreicht. In den vergangenen Wochen ging die türkische Regierung zudem vermehrt gegen die kurdische Opposition vor. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnet die HDP als den verlängerten Arm der PKK. Die HDP weist das entschieden zurück.

Erdogan kündigt Vergeltung an

Derweil hat Präsident Erdogan Vergeltung angekündigt: Die Täter müssten einen "noch höheren Preis bezahlen", sagte Erdogan am Sonntag. Früher oder später werden wir uns rächen", sagte auch Innenminister Süleyman Soylu am Sonntag bei einer Trauerfeier für fünf getötete Polizeibeamte.

Präsident Erdogan sagte kurzfristig einen Besuch in Kasachstan ab. "Niemand sollte daran zweifeln, dass wir mit Gottes Hilfe als Staat und Nation den Terror und die Terrororganisationen überwinden werden", erklärte er. Innenminister Soylu warnte auch davor, die PKK etwa in sozialen Medien zu unterstützen. Dies zielt auf prokurdische Politiker, denen die Regierung Verbindungen zu der verbotenen Gruppe vorwirft. Die Täter dürften in den Medien und im Internet nicht verteidigt werden, sagte er. "Dafür gibt es keine Entschuldigung. (...) Merkt Euch das: Das Schwert des Staates reicht weit."

Solidarität von Verbündeten eingefordert

Der stellvertretende Regierungschef Kurtulmus rief die Alliierten der Türkei auf, sich mit dem NATO-Land solidarisch zu zeigen. Er spielte damit auf den Streit mit den USA an, die beim Kampf gegen die Extremistenmiliz IS im benachbarten Syrien auf die kurdische Gruppe YPG setzen. Die Regierung in Ankara sieht diese dagegen als verlängerten Arm der PKK an.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete den Anschlag als "furchtbaren Terrorakt". Die Türkei ist Mitglied der Allianz .In Österreich sprachen sowohl Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) als auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) den Angehörigen der Opfer ihr Mitgefühl aus. Kern sprach auf Facebook von einem "feigen Terroranschlag", Kurz auf Twitter von einem "barbarischen Akt des Terrorismus'".

Zwei Explosionen

Die zwei Explosionen unmittelbar nach einem Fußballspiel hätten offenbar möglichst viele Menschen töten sollen. Zunächst bekannte sich keine Organisation zu dem Anschlägen. Auf Bildern vom Tatort im Stadtteil Besiktas waren leblose Körper und Leichensäcke zu sehen. Man gehe von einem Autobombenanschlag auf die Sondereinsatzpolizei aus, sagte der türkische Innenminister Süleyman Soylu nach Angaben des Senders CNN Türk am Samstagabend. Etwa eineinhalb Stunden vor der ersten Explosion endete das Spiel zwischen den Erstligisten Besiktas und Bursaspor. Soylu sagte weiter, die Bombe sei explodiert, nachdem sich die Zuschauer zerstreut hatten.

Neben der Autobombe gebe es zudem Hinweise auf einen Selbstmordattentäter, der sich in der Nähe des Parks Macka in die Luft gesprengt haben soll, erklärte Innenminister Soylu. Der Park liegt ebenfalls im Viertel Besiktas. Auf Fernsehbildern waren Rettungswagen zu sehen, die zur Unfallstelle rasten. Mehrere zerstörte Autos wurden gezeigt, darunter ein Minibus. Die Explosionen waren mehrere Kilometer weit zu hören. Besiktas ist ein beliebtes Ausgehviertel und am Wochenende sehr belebt. Zunächst wurde von den Behörden eine Nachrichtensperre verhängt, die sich aber nicht auf öffentliche Verlautbarungen bezieht. Die Behörden sprengten in der Nacht zum Sonntag ein verdächtiges Fahrzeug. Der Einsatz sei in der Nähe des Besiktas-Fußballstadions erfolgt.

Wer steckt dahinter?

Der Bombenanschlag könnte nach Angaben der türkischen Regierung auf die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zurückgehen. "Die Pfeile zeigen auf die PKK", sagte der stellvertretende Ministerpräsident Numan Kurtulmus am Sonntag dem Sender CNN Turk. Allerdings liefen die Untersuchungen noch, und aktuell könnten noch keine definitiven Aussagen zur Täterschaft gemacht werden, so der Vizepremier. Dass bei dem Bombenanschlag ein Fahrzeug verwendet wurde, deute auf die PKK hin, sagte Kurtulmus laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Es seien zwischen 300 und 400 Kilogramm Sprengstoff verwendet worden. "Wo das Auto in die Luft gesprengt wurde, ist ein Graben entstanden, und das Auto gibt es nicht mehr", sagte Kurtulmus. "Es ist völlig zerstört worden. Es ist ein riesiger Krater entstanden." Die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK oder deren Splittergruppe TAK verüben immer wieder Anschläge auf Sicherheitskräfte. Die türkische Regierung macht aber auch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für zahlreiche Attentate im Land verantwortlich. Zu den Anschlägen am Samstag bekannte sich zunächst niemand. Nach Angaben des Innenministers wurden bereits kurz nach dem Anschlag einige Verdächtige festgenommen und in Gewahrsam genommen worden. Laut einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu übernahm die Anti-Terror-Abteilung der Istanbuler Staatsanwaltschaft die Ermittlungen.

Nach Anschlägen: Erdogan kündigt Vergeltung an

Police arrive at the site of an explosion in centr
Nach Anschlägen: Erdogan kündigt Vergeltung an

Police arrive at the site of an explosion in centr
Nach Anschlägen: Erdogan kündigt Vergeltung an

Turkish policemen at the site of an explosion in c
Nach Anschlägen: Erdogan kündigt Vergeltung an

Police arrive at the site of an explosion in centr
Nach Anschlägen: Erdogan kündigt Vergeltung an

Police and ambulances arrive at the site of an exp

Ein Reporter sagte dem Sender CNN Türk, an diesem Samstagabend seien besonders viele Polizisten zur Absicherung des Spiels im Einsatz gewesen, weil es in der Vergangenheit Auseinandersetzungen zwischen den beiden Fangruppen gegeben hatte. Die Fans von Bursaspor seien wegen einer Strafe überhaupt das erste Mal seit Jahren wieder zu einem Besiktas-Spiel zugelassen worden. Unter Fans und Spielern seien keine Verletzten. Im Stadion konnte man aber eine der Explosionen deutlich hören.

Keine Minute später sprengte sich ein Attentäter im angrenzenden Macka-Park in die Luft, als er von Polizisten angehalten wurde. Zu dieser Zeit war das Spiel zwischen Besiktas und Bursaspor bereits zwei Stunden vorbei, doch saßen noch einige Fans in der milden Herbstnacht im Park, um das Spiel Revue passieren zu lassen, das Besiktas mit 2:1 für sich entschieden hatte.

Wie üblich bei solchen Ereignissen verhängte die Regierung eine Nachrichtensperre, doch ausländische Medien berichteten rasch, dass es einen Anschlag gegeben habe. Sirenen erfüllten die Nacht, während dutzende Krankenwagen zum Anschlagsort auf der europäischen Seite des Bosporus zwischen dem Taksim-Platz und dem Dolmabahce-Palast rasten, wo Yildirim seinen Istanbuler Amtssitz hat.

Noch ist unklar, ob es einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen den Anschlägen und der wenige Stunden zuvor präsentierten Initiative zur Stärkung der Macht von Präsident Recep Tayyip Erdogan gibt. Doch ist deutlich, dass Erdogan mit seinen Plänen zur Änderung der Verfassung das seit dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli ohnehin zutiefst gespaltene Land weiter polarisiert.

Zu den Anschlägen bekannten sich am Sonntagabend die Freiheitsfalken Kurdistans (TAK), die als radikale Splittergruppe der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gelten. Zwei Selbstmordattentäter der Gruppe hätten die Angriffe ausgeführt, meldete die Nachrichtenagentur Firat. Sowohl die TAK als auch die PKK haben seit der erneuten Eskalation des Kurdenkonflikts im Sommer 2015 zahlreiche Anschläge auf die Sicherheitskräfte verübt.

Die Regierung geht ihrerseits mit großer Härte gegen die Rebellengruppe sowie mutmaßliche Sympathisanten vor. Nicht nur wurden dutzende kurdische Zeitungen und Sender geschlossen, sondern auch die Führung der prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) festgenommen. Dieser harte Kurs gegenüber kurdischen Journalisten, Intellektuellen und Politikern sorgt in Europa für Besorgnis und Kritik.

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