Terror in der Türkei: "Die schlimmste Nacht meines Lebens"

Terror in der Türkei: "Die schlimmste Nacht meines Lebens"
Zwei Österreicher haben den Anschlag in dem Nobelclub miterlebt.

Diese Silvesternacht werden die beiden Freunde Tanju Köse und Mergim Shabani wohl nie vergessen. Die beiden Studenten haben den Jahreswechsel in der türkischen Metropole verbracht und sich zum Zeitpunkt des Anschlags in der Istanbuler Nobeldisco "Reina" befunden. "Es war die schlimmste Nacht meines Lebens", sagte Köse Montagnachmittag in der ORF-Sendung "Heute Österreich".

"Ich war gerade mitten im Club, als es losging", erzählt Shabani weiter. Einem amerikanischen Freund wurde ins Bein geschossen. Shabani versuchte, sich aus der Schlusslinie zu bringen, und kroch in die andere Lounge. Durch ein Loch in der Wand konnte er miterleben, wie einer Dame ins Bein geschossen wurde, wie sie vor Schmerzen geschrien hat. "Ich habe versucht, so unauffällig wie möglich zu sein", erzählt Shabani, der auch ServusTV ein Interview gab.

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ServusTV (@ServusTV

"Es war einfach schrecklich", sagt Köse. "Es lief alles so schnell." Als er am Boden lag, habe er zuerst nach seinen Kumpel gesucht. Danach habe er so schnell wie möglich die Flucht ergriffen. "Ich glaube, es wurde noch nach mir geschossen."

Als die Polizei den Tatort erreichte, befand sich Shabani noch im Club. Wie mit Scheuklappen suchte er den Weg nach draußen, schaute nicht nach links, nicht nach rechts. Er folgte den Rufen der Polizei. Er wusste, er würde sonst Dinge sehen, die ihn sein ganzes Leben lang verfolgen würde. "Es ist schrecklich, was derzeit auf der Welt passiert", sagt Shabani.

Die beiden Männer waren die einzigen Österreicher, die sich nach dem Anschlag im Generalkonsulat in Istanbul gemeldet haben. Mithilfe des Außenministeriums konnten die Burschen noch Sonntagnachmittag wieder nach Wien geflogen werden.

Terror in der Türkei: "Die schlimmste Nacht meines Lebens"
A picture shows the Reina nightclub by the Bosphorus, which was attacked by a gunman, in Istanbul, Turkey, January 1, 2017. REUTERS/Umit Bektas

Der 2002 gegründete Nachtclub "Reina" galt nach den Drohungen des IS als Anschlagsziel. Als Ort des ausgelassenen Vergnügens, wo säkulare Türken Silvester entgegen türkischer Traditionen mit Geschenken und lauter Musik groß feiern. Zuletzt hatte auch von regierungsnahen Stellen die Hetze gegen die "unislamischen" Feiern zu Silvester stark zugenommen. So titelte Milli Gazete, das Blatt der Islamistenpartei Saadet: "Letzte Warnung. Feiert nicht Neujahr!"

Predigten gegen Feiern

Auch in der Freitagspredigt am Tag vor Silvester hörten die Gläubigen in den türkischen Moscheen, es gehöre sich "niemals für die Gläubigen, zum Ende eines Jahres sich selbst und den Zweck der Schöpfung vergessend illegitime Verhaltensweisen an den Tag zu legen, die keinen Beitrag fürs Leben leisten und nicht mit unseren Werten zu vereinbaren sind." Es stimme sehr nachdenklich, "wenn verschwenderische Silvesterfeiern begangen werden, die einer anderen Kultur entstammen".

Verschwenderisch, das waren die Feiern im Nachtclub "Reina" immer. Das hinter hohen Mauern versteckte Lokal direkt am Bosporus mit einem atemberaubenden nächtlichen Blick auf die beleuchtete Brücke und das gegenüberliegende Ufer war der Treffpunkt der Reichen und Schönen Istanbuls. Wer immer als Celebrity in die Stadt kam, ob zu einem Konzert, einem Fußballspiel oder einer Modenschau, ließ die Nacht in dem Lokal mit Prunk und Gloria ausklingen. Wer hier seine Hochzeit, seine Geschäftsabschlüsse oder die Matura seiner Kinder feiern konnte, hatte es in Istanbuls High Society geschafft. Hier wehte der liberal-säkulare Geist. Wie kein anderer Nachtclub stand das "Reina" für ausgelassenes Vergnügen – bis zum Blutbad am Neujahrstag.

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