Junge Wilde fordern den alten Premier

Der (einzige) Alte: Mariano Rajoy führt in den jüngsten Umfragen.
Parlamentswahl markiert Generationenwechsel / Konservativer Regierungschef dürfte aber knapp siegen.

"Regierungschef gesucht. Führungskompetenz, Erfahrung mit Wirtschaft oder Verantwortungsbewusstsein – nicht notwendig." Zu vergeben ist die Stelle, die vor wenigen Tagen großflächig in den spanischen Zeitungen inseriert war, morgen, Sonntag, bei den Parlamentswahlen. Die Spaß-Anzeige aber hatte jene Partei aufgegeben, die alles daran setzt, damit der Posten im Madrider Regierungssitz Moncloa nicht neu vergeben wird: Spaniens konservative Regierungspartei PP.

Ihr Premier, Mariano Rajoy, liegt in den jüngsten Umfragen mit etwa 25 Prozent der Stimmen zwar noch knapp in Führung, ist aber inzwischen der unbeliebteste Regierungschef seit der Einführung der Demokratie in Spanien. Rajoys einzige Stärke, und auf die setzt die PP konsequent in diesem Wahlkampf, ist seine Erfahrung. Seine Herausforderer sind nicht nur deutlich jünger als der 60-Jährige, zwei von ihnen stehen auch an der Spitze von Parteien, die keine zwei Jahre alt und noch nie bei einer Parlamentswahl in ganz Spanien angetreten sind.

Trotzdem liegen der Politologe Pablo Iglesias als Chef der linken Podemos und der Rechtsanwalt Albert Rivera an der Spitze der bürgerlich-liberalen Ciudadanos gerade einmal sieben Prozentpunkte hinter Rajoy. Knapp davor der neue Chef der Sozialisten der PSOE, Pedro Sanchez, auch er mit 43 relativ jung für einen spanischen Spitzenpolitiker.

"Wir erleben einen wirklichen Generationenwechsel in der spanischen Politik", erläutert Michael Ehrke von der deutschen Ebert-Stiftung in Madrid: "Vor ein paar Jahren noch waren bei einer TV-Debatte in Spanien die Graubärte noch unter sich. Jetzt ist Rajoy der Letzte seiner Art."

"Spanien – Im Ernst" ist der Slogan der PP-Wahlkampagne. Der Regierungschef soll als verlässlicher Staatsmann mit Führungsqualitäten präsentiert werden. Das Land, so trägt Rajoy stolz die jüngsten Konjunkturdaten vor sich her, habe derzeit ein Wachstum von drei Prozent. Man sei aus der Krise, die Spanien härter getroffen hat als die meisten europäischen Länder, endlich heraußen. Das könne man nicht durch die nebulosen Reformideen irgendwelcher Neulinge gefährden.

Rajoy vermeidet es tunlichst, sich mit diesen Neulingen vor laufender Kamera auseinanderzusetzen. In die großen TV-Elefantenrunden mit allen Parteichefs schickte er einen Stellvertreter.

Staatsmännische Pose

Die jüngsten Ereignisse haben dem eigentlich als blass und langweilig geltenden Rajoy ausreichend Gelegenheit geboten, sich in staatsmännischer Pose zu üben. In der Region Katalonien steuern die Separatisten auf Biegen und Brechen auf Unabhängigkeitskurs, notfalls auch gegen die Urteile des spanischen Verfassungsgerichts. Während sich andere Politiker um eine Kompromisslösung im Streit mit Katalonien bemühen, gibt sich Rajoy unnachgiebig. Er werde die Einheit der spanischen Nation verteidigen. "Eine gute Gelegenheit, um sich als Retter des Vaterlandes zu präsentieren", analysiert der Politologe Armando Steinko Rajoys Strategie: "Doch dafür ist er politisch bereits zu angeschlagen."

Am meisten belastet ist der Premier durch die Korruptionsskandale, die an seiner Partei seit Jahren kleben. Die gesamte Führungsspitze ist belastet, selbst Rajoys Name taucht auf den Listen zwielichtiger Geldgeber auf. Für die Spanier, so machen es die Umfragen deutlich, ist Korruption der Hauptgrund für ihre Wut auf die etablierte Politik, dominiert von den zwei Parteien PP und PSOE. Für die von Rajoy gering geschätzten Neulinge eine perfekte Angriffsfläche. "Erzählen Sie uns nicht, dass Sie die Korruption schmerzt, Herr Rajoy", attackiert Podemos-Chef Iglesias den Premier in seinen Reden, "die tut nur den kleinen Leuten weh, denen Sie die Pensionen kürzen, nicht Ihnen."

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