Altmaier: „Ich liebe Herausforderungen“

Peter Altmaier.
Minister Altmaier über seinen Job und die deutsche Energiewende.

Peter Altmaier, 54, ist einer der allerengsten Vertrauten der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Bis er im Juni dieses Jahres dem ehrgeizigen, aber glücklosen Norbert Röttgen als Umweltminister nachfolgte, war er ihr Fraktionsgeschäftsführer im Bundestag.

Weil er da geachtet und gesprächsfähig war wie kein anderer in ihrer Partei, betraute Merkel den vielsprachigen, jovialen Saarländer mit dem schwierigsten Job ihres Kabinetts: Der Umweltminister ist, trotz Mit-Kompetenzen des Wirtschaftsministers Philipp Rösler (FDP), der eigentliche Energieminister.

KURIER: Herr Minister, die Opposition blockiert außer beim Euro alles, die Bundesländer wollen alles selbst machen, und Ihr Koalitionspartner FDP vieles anders. Was können Sie in dieser Konstellation eigentlich noch bewegen?

Peter Altmaier: Mein Hauptverbündeter sind die Fakten: Wir müssen die Energiewende so strukturieren, dass sie funktioniert und auch bezahlbar bleibt. Da gibt es ganz großen Handlungsdruck. Das haben auch die Bundesländer verstanden und sich daher gegenüber der Kanzlerin bereit erklärt, ihre Konzepte zu modifizieren. Ich werde vor allem eine Neuordnung der Förderkulisse vorschlagen, damit wir die Ausgaben auf das absolut Notwendige begrenzen und die Energiewende im Land kosteneffizienter finanzieren als bisher.

Meine Stromrechnung stieg in sechs Jahren um 50 Prozent, das sagen die Spezialisten auch für die kommenden sechs Jahre voraus. Wie teuer wird es denn nun wirklich?

In den letzten zehn Jahren lagen alle Voraussagen daneben, deshalb mache ich gar keine. Der Löwenanteil der bisherigen Anstiege geht zulasten von Kohle, Gas und Öl, erst heuer haben wir einen beachtlichen Anstieg wegen der Erneuerbaren Energien-Förderung. Und den will ich künftig vermeiden. Die Mehrheit dafür in Bundestag und Bundesrat zu schaffen, ist eine meiner wesentlichen Aufgaben.

SPD und Grüne verhinderten gerade in der vergangenen Woche auch nur kleinste Korrekturen an deren dafür verantwortlichem Gesetz bezüglich der Erneuerbaren Energie.

Ich halte einen Konsens mit der Opposition trotz des Wahlkampfes für möglich, weil die Energiewende in den nächsten Jahrzehnten berechenbar sein muss. Ich setze darauf, dass es in allen deutschen Bundesländern genug vernünftige Politiker gibt, die sie planbar machen wollen. Wir wollen den Wahlkampf so weit wie möglich nach hinten schieben und möglichst lange darüber konkret sprechen.

Schaden steigende Strompreise der Koalition nicht bei der Wahl?

Nein. Wähler entscheiden sich immer für die Partei, der sie mehr Problemlösungskompetenz zutrauen. Das sieht man jetzt auch aktuell in der Eurokrise. Ich sehe bei SPD und Grünen keine Vorschläge dahingehend und ich bin optimistisch, dass uns dieses Thema nicht schaden wird.

Hatten Sie sich Ihr Ministeramt so schwer vorgestellt, wie es sich aktuell darstellt?

Als Optimist liebe ich Herausforderungen. Und graue Haare kann ich ja ohnehin nicht mehr bekommen (lacht).

„Ein Viertel des Stroms kommt im Sommer schon aus Erneuerbaren Energien, nur das Industrieland Österreich hat mit seiner Wasserkraft noch mehr davon!“ Mit dieser Erfolgsmeldung pflegt Peter Altmaier sein Werben für die komplexeste Aufgabe dieser Regierung gleich nach der Euro-Rettung zu beginnen. Während diese Chefsache der deutschen Kanzlerin Angela Merkel ist, kämpft er seit einem halben Jahr um den Neustart ihrer „Energiewende“, die ihre Tarnung für den abrupten Atomausstieg war. „Den wollten wir alle. Die Energiewende ist heute kein Thema mehr für ökologische Sektierer, sie ist die größte Herausforderung seit der Vereinigung“, umwirbt der Minister seine Zuhörer.

Mit der Energiewende hatte Merkel blitzartig auf den Stimmungswandel nach der Fukushima-Katastrophe reagiert, auch wenn der Japan-GAU die Horrorszenarien nie erfüllte. Ohne Plan erklärte die Kanzlerin direkt vor einer wichtigen Wahl die Energiewende: Damit wird ab 2022 Atomstrom nur noch importiert.

Ihr jüngster Minister redet in seinen Vorträgen den deutschen Sonderweg klein: „Die Energiewende hat mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG von Rot-Grün vor zehn Jahren begonnen.“ Seine eigene Aufgabe sei, „die Zeche nicht so hoch ausfallen zu lassen, wie da angelegt“.

Diese kritisieren nun alle Fachleute, sogar die von der Regierung erst jetzt berufenen (siehe links). Sowohl Rot-Grün als auch Merkel hatten „stabile Versorgung und Preise“ versprochen. Altmaier erklärt nun eloquent, warum das anders, aber überhaupt nicht schlimm sei.

„Ein großes Problem“ sei die Beschaffung der Ersatzenergie: An bewölkten, windstillen Wintertagen, gerade bei Höchstverbrauch, liefern die Windräder im Norden und die Sonnenkollektoren im Süden „null Strom“. Weil bis 2020 fast alle AKW stillgelegt sind, erwartet eine Studie „ein Leistungsloch von acht Großkraftwerken“. Deren Ersatz durch neue konventionelle rechnet sich aber nur mit Winterbetrieb nicht.

Stromleitungen fehlen

„Ein weiteres Grundproblem“: Der Strom der neuen Windräder im Norden kommt kaum zu den Verbrauchern in den Großstädten und industriellen Ballungszentren im Süden: Es gibt die Leitungen nicht. Optimist Altmaier beziffert deren Neubau auf 40 bis 50 Milliarden Euro. Und er rechnet mit dem allgegenwärtigen Widerstand gegen neue Infrastruktur. Dass diesen auch CDU-Landeschefs schüren, wie die Grünen an ihrer Basis, deutet er nur an: Anders als sein glückloser Vorgänger schafft Altmaier zu allen ein sehr gutes Gesprächsklima.

Nur beim „größten Problem, den Kosten“, bisher nicht: Die Förderung der „Erneuerbaren“ erhöht 2013 den Strompreis für Haushalte um 13 Prozent. Denn die Einspeisevergütung“ des EEG garantiert den Betreibern von Windrädern und Solardächern für 20 Jahre „15 Prozent Rendite“, so Altmaier.

Eine Deckelung der Förderung blockiert aber Rot-Grün im Bundesrat wie alles andere der Koalition – außer der Schuldenhilfe für Euro-Südländer. Obwohl die EEG-Auswüchse nun auch auf den Verkehr durchschlagen: Sie machen Bahn und U-Bahnen teurer. Und in den heutigen Preisen sind die Kosten der riesigen neuen Infrastruktur noch gar nicht enthalten. Auch das größte Spar-Potenzial, mehr Gebäude-Dämmung, steckt dank Oppositions-Blockade fest. Dafür plant Altmaier noch mehr Subventionen als bisher.

Damit wird der Strommarkt zur Planwirtschaft pur. Vor allem auf Kosten des Kleinverbrauchers: Der subventioniert nicht nur die Windräder des Bauern („Ist für den wie ein Lotto-Sechser“), die Sonnenkollektoren und die Wärmedämmung der Hausbesitzer. Er zahlt auch für Ersatzkraftwerke.

Und weil Wahlkampf ist, fordern SPD und Grüne für Geringverdiener Subventionen des Strompreises. Auch diese Kosten träfen den Mittelstand. Der Strompreis liegt aber jetzt schon weit über dem EU-Schnitt, 2020 droht das Doppelte davon. Und die Stromausfälle werden mehr.

Somit muss Merkel vor der Abstrafung durch die Wähler im September bangen. Altmaier: „Da gibt es enormen Handlungsdruck.“

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