Mehr als hundert Tote bei Bootsunglücken im Mittelmeer

Bootsunglücke mit vielen Toten: Libyen sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert – und wehrt sich.

In den vergangenen Tagen gab es wieder mehrere Bootsunglücke mit vielen Toten im Mittelmeer. Bei den ersten zwei Unglücken sind mindestens 56 Menschen ums Leben gekommen.

Am Wochenende soll schließlich ein Migrantenboot mit rund 100 Personen 60 Seemeilen vor Libyen in Seenot gekommen sein. Auf dem Schlauchboot waren nach Angaben von drei Überlebenden ursprünglich 120 Menschen an Bord gewesen, teilte die Internationale Organisation für Migration (IOM) mit.

Die italienische Marine hatte die drei Überlebenden sowie drei Leichen geborgen. Die vor der libyschen Küste Geretteten wurden mit Unterkühlung in ein Krankenhaus auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa gebracht. Sie seien traumatisiert und stünden unter Schock, erklärte die IOM.

Die Migranten gaben an, etwa drei Stunden im Meer getrieben zu sein, bevor sie gerettet wurden. 117 Menschen, darunter zehn Frauen und ein zehn Monate altes Baby, würden noch vermisst.

Libyen fordert mehr Mittel

Libyens Küstenwache verteidigte sich am Montag gegen den Vorwurf, in den libyschen Gewässern durch zu wenig Kontrolle eine neue massive Abfahrt von Migranten zugelassen zu haben. "Wir verfügen nicht über die notwendigen Kräfte, um bei jeder Situation Rettungseinsätze zu garantieren", sagte Admiral Ayoub Qassem.

Die libysche Küstenwache verteidigt sich vor dem Vorwurf, ihrer Rettungspflicht nicht nachgekommen zu sein und somit am Freitag den Tod von mindestens 117 Personen im Mittelmeer verursacht zu haben. Nachdem die libysche Küstenwache von dem Schlauchboot in Seenot erfahren habe, sei ein Schiff gesendet worden. Dieses musste jedoch wegen einer Panne zurückkehren.

Der Admiral forderte schnellere Schiffe als jene, über die die libysche Küstenwache verfüge, um effizientere Einsätze zu garantieren. Die Küstenwache brauche auch Treibstoff. "Mit besseren Mitteln hätten wir diese neue Tragödie verhindern können", sagte Qassem. Laut ihm sind 50 und nicht 117 Personen ums Leben gekommen, wie Medien berichteten.

393 Migranten sind am Wochenende im Mittelmeer zumindest gerettet worden. Sie wurden von der libyschen Küstenwache geborgen und nach Libyen zurückgeführt, teilte das italienische Innenministerium am Montag mit.

Retter "kriminalisiert"

Marcus Bachmann von „Ärzte ohne Grenzen“ kritisierte im Ö1-Mittagsjournal, die Organisationen, die lange Zeit die Rettung im Mittelmeer betrieben, werden von der Politik beschuldigt, den Schleppern zu helfen, wenn sie Menschen aus dem Mittelmeer retten. Es gebe daher heute „keine unabhängige Seenot-Rettung mehr“, diese sei kriminalisiert worden. Es werde ein Klima der Angst geschürt und deshalb wolle niemand mehr zuständig sein.

Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte in der ORF-Pressestunde am vorvergangenen Sonntag – vor den neuerlichen Bootsunglücken – noch gesagt, die Ankunftszahlen illegaler Migranten seien seit 2015 um 95 Prozent zurückgegangen und das Sterben im Mittelmeer massiv zurückgegangen. "Die Mittelmeerroute ist heute für illegale Migration de facto geschlossen", meinte der Kanzler damals.

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