Mehrheit für Islamisten-Verfassung

Inoffiziellen Ergebnissen zufolge gibt es beim Referendum eine Mehrheit für den Entwurf von Präsident Mursi.

Die Ägypter haben nach inoffiziellen Ergebnissen die von den Islamisten geschriebene Verfassung gebilligt. Damit werden fast zwei Jahre nach dem Sturz des Langzeitpräsidenten Hosni Mubarak die Religionsgelehrten an Macht gewinnen. Die Opposition befürchtet den Verlust von Freiheitsrechten und will ihre Proteste fortsetzen.

Wie arabische Medien und die Muslimbruderschaft am Sonntag meldeten, sprachen sich bei dem Referendum insgesamt 64 Prozent der Wähler für den Entwurf aus. Am zweiten und letzten Abstimmungstag am Samstag war die Zustimmung erwartungsgemäß noch größer als eine Woche zuvor, weil vermehrt in konservativen ländlichen Gebieten abgestimmt wurde. Dort haben die Religiösen starken Rückhalt, die Präsident Mohammed Mursi zur Macht verholfen hatten, und die Bürger erhoffen sich von einer strengeren Auslegung der Scharia mehr Stabilität.

Mehrheit für Islamisten-Verfassung
Men queue outside a polling station to vote during the final stage of a referendum on Egypt's new constitution in Bani Sweif, about 115 km (71 miles) south of Cairo December 22, 2012. Queues formed at some polling stations around the country and voting was extended by four hours to 11 p.m. (2100 GMT). Last week's first round of voting, which an opposition leader said was marred by "serious violations", gave a 57 percent vote in favour of the constitution, according to unofficial figures. REUTERS/Stringer (EGYPT - Tags: POLITICS ELECTIONS)

In der ersten Runde war auch in den Großstädten Alexandria und Kairo gewählt worden, wo Mursis Kritiker ihre Hochburgen haben. Damals lag der Anteil der Befürworter bei 56 Prozent. Diesmal waren es gut 71 Prozent. Nur knapp 29 Prozent hätten mit Nein gestimmt, hieß es unter Berufung auf eine Auswertung der Ergebnisse fast aller Wahllokale.

Nicht offiziell

Von 17 Provinzen votierte in der zweiten Runde demnach nur eine, Menufija im Nildelta, mehrheitlich mit Nein. Dort trauern viele dem gestürzten Präsidenten Mubarak nach.

Mehrheit für Islamisten-Verfassung
An official counts "agree" ballots after polls closed in Bani Sweif, about 115 km (71 miles) south of Cairo December 22, 2012. Early indications showed Egyptians approved an Islamist-drafted constitution after Saturday's final round of voting in a referendum despite opposition criticism of the measure as divisive. REUTERS/Stringer (EGYPT - Tags: POLITICS ELECTIONS)

Erneut stieß der Ablauf der Volksabstimmung auf Kritik. Viele Wähler seien wieder von Islamisten beeinflusst oder eingeschüchtert worden, berichteten Beobachter und ägyptische Medien. Zudem sollen Liberale, Linke und Christen in manchen Gebieten an der Stimmabgabe gehindert worden sein.

Offizielle Ergebnisse des Referendums werden erst am Montag verkündet. Die Wahlbeteiligung wird insgesamt auf etwas mehr als 30 Prozent geschätzt.

Rücktritt

Wenige Stunden vor dem Ende der Abstimmung trat Vizepräsident Mahmud Mekki zurück. In einer Erklärung wies er darauf hin, dass in dem Entwurf zur neuen Verfassung das Amt des stellvertretenden Staatsoberhauptes nicht vorgesehen sei. Eine konkrete Begründung für seine Entscheidung lieferte er aber nicht.

Der Stellvertreter Mursis erklärte, eigentlich habe er sein Amt bereits im November niederlegen wollen. Er habe diesen Schritt aber wegen der Unruhen in seinem Land und des aufflammenden Nahost-Konflikts verschoben.

Schura-Rat

Der Streit um das von Muslimbrüdern und Salafisten erarbeitete Regelwerk - es ist die erste Verfassung nach dem Sturz Mubaraks - hat Ägypten tief gespalten. Der Machtkampf hat immer wieder zu Massenprotesten und tödlichen Krawallen geführt.

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A general view of mosques during sunset in Old Cairo December 22, 2012. Egyptians voted on a constitution drafted by Islamists on Saturday in a second round of balloting expected to approve the charter that opponents say will create deeper turmoil in Egypt. REUTERS/Amr Abdallah Dalsh (EGYPT - Tags: POLITICS RELIGION ELECTIONS CITYSCAPE)

Unterdessen ernannte Mursi ein Drittel der Mitglieder des einflussreichen Schura-Rats. Die Muslimbruderschaft, der Mursi entstammt, veröffentlichte am Sonntag ein entsprechendes Dekret des Präsidenten im Internet. Darin werden die 90 Mitglieder des Rates namentlich aufgelistet. Wie die islamistische Bruderschaft mitteilte, sind darunter auch zwölf koptische Christen. Zwei Drittel der Ernannten seien Islamisten, hieß es.

Der von den Islamisten kontrollierte Schura-Rat bildet das Oberhaus des ägyptischen Parlaments. Er soll, falls die Verfassung angenommen wird, so lange Gesetze beschließen, bis ein neues Parlament gewählt ist.

Ergebnis anfechten

Nach dem Ende der Volksabstimmung über eine neue ägyptische Verfassung will die Opposition das Wahlergebnis anfechten. Das Referendum sei von Betrug und dem Verstoß gegen Wahlregeln gekennzeichnet, begründete das größte Oppositionsbündnis Nationale Heilsfront die Entscheidung am Sonntag. Die regierenden Islamisten hatten nach dem Abschluss der zweiten Wahlrunde den Gesamtsieg für sich reklamiert und erklärt, insgesamt hätten sich etwa 64 Prozent der Wähler für den Entwurf ausgesprochen.

Dieses Ergebnis sei "durch Wahlbetrug, Verstöße und Unregelmäßigkeiten" zustande gekommen, erklärte das Oppositionsbündnis. "Das Referendum ist nicht das Ende, es ist nur ein Kampf", hieß es in einer von Heilsfront-Mitglied Abdel Ghaffer Schokr verlesenen Erklärung in Kairo. "Wir werden den Kampf für das ägyptische Volk fortsetzen", kündigte er an. Das Bündnis forderte die Wahlkommission auf, die Wahl auf Unregelmäßigkeiten zu überprüfen, bevor die offiziellen Ergebnisse verkündet werden. Diese sollen am Montag veröffentlicht werden.

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