Kampf gegen Exodus der Katholiken in Bosnien

Schönborn zelebriert die Messe in Sarajewo
Hohe Würdenträger appellieren an Österreichs Bischöfe, die zurzeit in Sarajewo tagen.

"Bosnien-Herzegowina ist der Lackmustest für die Prinzipien der Europäischen Union. Bei uns gibt es keine Gerechtigkeit und keine Rechtsstaatlichkeit", sagt Franjo Komarica, Bischof von Banja Luka in der bosnischen Teilrepublik "Republika Srpska". "Viele Katholiken wurden im Krieg ermordet, viele Tausende wurden verfolgt, sie mussten fliehen und dürfen bis heute nicht zurückkehren."

Bis auf wenige seien alle Kirchen, Pfarrhäuser und andere kirchliche Einrichtungen zerstört worden. Der Wiederaufbau sei schleppend, weil die Bürokratie des Regierungschefs der "Republika Srpska", Milorad Dodik, die Genehmigungen nicht erteile, Ansuchen verzögere oder sich schlicht als nicht kompetent erkläre, so der Bischof.

Kein Geld für Heimkehrer

Dazu komme, dass es kein Geld gebe. Internationale Hilfe komme in seiner Diözese nicht an: "Ich habe 4000 Anfragen von Familien, die zurückkehren wollen, doch das ist unmöglich. Ihre Häuser sind zerstört, ihr Besitz wird nicht zurückgegeben, ganze Dörfer sind menschenleer", klagt Komarica.

Der Bischof ist wütend, und haut im Gespräch mit österreichischen Journalisten, die auf Einladung der Kathpress in Sarajewo sind, auch schon einmal auf den Tisch. Er verstehe die europäischen Politiker nicht, warum sie zuschauten und nichts unternähmen und so auch religiöse Rechte missachteten. Die starken Worte des Bischofs sind aber auch bewusst gesetzt, sollen wachrütteln. Seit Montag dieser Woche tagt nämlich die Österreichische Bischofskonferenz in der bosnischen Hauptstadt. "Frieden und Gerechtigkeit sind hier noch nicht vollendet", stellte auch Kardinal Christoph Schönborn gleich zum Auftakt des Treffens fest.

Von 220.000 auf 8000 Den Christen geht es im Vielvölkerstaat tatsächlich nicht gut. Von den 800.000 katholischen Gläubigen, die 1991 vor Ausbruch des Krieges in Bosnien-Herzegowina lebten, ist infolge des Krieges, der ethnischen Verfolgung und Vertreibung und zuletzt auch Abwanderung nur noch die Hälfte übrig geblieben. In der "Republika Srpska" ist die Lage besonders schlimm: Von 220.000 Katholiken, die hier vor dem Krieg lebten, sind nur 8000 geblieben.

Bischof Komarica will sich aber nicht unterkriegen lassen: Mit Spenden aus Italien und Deutschland sowie von "Nachbar in Not" und der Caritas hat er eine Volksschule, ein Gymnasium, zwei Internate und ein Altersheim errichtet, einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Käserei aufbauen und einen Weinberg anlegen lassen. In den Schulen werden nicht nur katholische Kroaten unterrichtet, sondern auch muslimische und serbische Kinder. Noch findet der Unterricht gemeinsam statt. "Sollte ich nicht mehr Unterstützung bekommen, dann muss eine Schule im Sommer geschlossen werden", kündigt Komarica. Selbst der Großmufti aus Sarajevo überweise Geld, aber das reiche nicht.

Hoffen auf Schönborn

Hilfe erwartet sich der Bischof von Banja Luka von seinen Kollegen aus Österreich. So wird Kardinal Schönborn mit einer bischöflichen Delegation die Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina sowie islamische, orthodoxe und jüdische Amtsträger heute, Mittwoch, besuchen und ein Gespräch mit dem Hohen Repräsentanten in Bosnien-Herzegowina, dem Österreicher Valentin Inzko, führen.

Der Spitzendiplomat überwacht die Umsetzung des Dayton-Abkommens, das 1995 im Land die Kämpfe beendete, aber keine dauerhafte Stabilität brachte. Das Staatsgefüge ist kompliziert, es gibt 14 Regierungen, die sich gegenseitig blockieren. Inzko ist formal mit großen Vollmachten ausgestattet. Er kann Politiker absetzen, Gesetze ändern oder zurücknehmen. Zwei hohe Politiker setzte er bereits ab.

"Hoffnung ist bedroht"

Doch die internationale Staatenwelt und auch die EU setzen mehr als 20 Jahre nach dem Abkommen auf die eigene Reformkraft von Bosnien-Herzegowina. Aber die ist so gut wie nicht gegeben. Nichts geht hier, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 60 Prozent, die Wirtschaft stagniert. "Selbst die Hoffnung ist bedroht", bringt es Bischof Komarica auf den Punkt.

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