Abstimmungskrimi um den ersten Regierungschef der "Linken"

Ramelow macht Linke salonfähig.
In Erfurt könnte Bodo Ramelow die Ächtung der DDR-Erben-Partei überwinden.

Deutschland schaut gebannt nach Erfurt: Im Landtag von Thüringen will sich heute, Freitag, der Kandidat der "Linken", Bodo Ramelow, von einer rot-rot-grünen Koalition zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Mit ihm würde der erste Erbe der kommunistischen DDR-Staatspartei ein Bundesland regieren – genau 25 Jahre nach dem Mauerfall.

Ramelows Wahl ist wahrscheinlich, aber nicht ganz sicher: Denn die Mehrheit seiner Koalition ist mit nur einer Stimme äußerst knapp abgesichert. Das mobilisiert die Widerstände gegen seine Person und noch mehr gegen seine Partei.

In jedem Fall aber wird Ramelow zu einer Schlüsselfigur für die ganze deutsche Linke: Wird er Regierungschef, normalisiert das seine Partei und damit auch die Perspektive für eine rot-rot-grüne Koalition in Berlin. Wenn nicht, wäre das ein Signal für die noch längere Quarantäne der DDR-Erben-Partei.

Der 58-Jährige hat beste Voraussetzungen, die Ausgrenzung als Erster zu brechen. Der gelernte Kaufmann aus Bremen verkehrte im kommunistischen Milieu, war aber nie in der DKP. Nach der Wende ging er nach Erfurt zum Wiederaufbau der Gewerkschaft im Osten. Bald wurde er dort Funktionär der PDS. So nannte der letzte Chef der SED, Gregor Gysi, die Staatspartei der DDR-Diktatur um, er ist heute noch ihr Fraktionschef im Bundestag.

Moderneres Image

Ramelow, der optimistische Westdeutsche unter vielen nostalgischen Ex-DDR-Genossen, stieg in der weiter zur "Linkspartei" umbenannten PDS rasch auf. Denn er ist trotz eines jähen Temperaments ein umgänglicher Typ und im persönlichen Gespräch auch mit Gegnern undogmatisch. Und er pflegt einen bürgerlichen Lebensstil – mit Hund und Kirchgängen, der weniger spießig ist als der vieler verbissener Genossen.

Damit samt vielen sozialen Versprechungen ohne Finanzierung machte Ramelow seine nochmals in "Linke" umbenannte Partei bei der Wahl im September zur zweitgrößten Thüringens. Danach organisierte er geschickt seine Koalition mit der auf zwölf Prozent dezimierten SPD und den noch kleineren Grünen: Trotz ihrer knappest möglichen Mehrheit wollen sie die CDU ablösen, die seit der Wende das Land regierte und bei dieser Wahl größte Partei blieb.

Doch geht es in Thüringen nun um mehr: Vor allem um die Glaubhaftigkeit der Abkehr der "Linken" von ihrer DDR- Vergangenheit.

Und da wurden in den letzten Tagen die Fragen und Vorwürfe der Gegner immer lauter: Allein in Ramelows Fraktion im Erfurter Landtag seien 18 der 28 Abgeordneten alte DDR-Kader, viele sogar Funktionäre der SED, der Geheimpolizei "Stasi" oder Offiziere der "Volksarmee", mit sorgsam verschleierten Biografien.

Trotz Ramelows innerparteilicher Autorität ist das Verhältnis der Partei zu ihrem extremen Flügel, der "Kommunistischen Plattform", und ihrer alten Ideologie ungeklärt. Sie steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Vor allem aber fühlen sich viele Opfer des DDR-Regimes von den nun wieder zurückkommenden Kadern provoziert: Die streiten altes Unrecht zäh ab und verharmlosen es formelhaft.

Wolf Biermann hofft

Viele Ex-Bürgerrechtler, von Wolf Biermann abwärts, hoffen nun zumindest auf einen der 36 Abgeordneten der rot-rot-grünen Koalition: Nur wenn einer insgeheim und drei Mal hintereinander abspringt, wäre Ramelow an seinem Lebensziel gescheitert.

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