Die Klimasünder geloben Besserung

Die bisherigen Bremser USA und China einigen sich erstmals auf Zusammenarbeit beim Klimaschutz.

Wer in einer chinesischen Großstadt lebt, schaut besser auf eine App, die die Luftverschmutzung misst, als auf den Wetterbericht. "Ungesund" hieß es demnach gestern Mittag in Schanghai: Also möglichst wenig Zeit im Freien verbringen oder Atemmaske anlegen.

"Gut" lautete hingegen am Mittwoch der Wert in Peking – geschuldet jedoch nur dem Umstand, dass Millionen Pekinger in einen Zwangsurlaub geschickt und die umliegenden, Treibhausgas-schleudernden Industriebetriebe kurz abgeschaltet wurden: Zumindest an dem Tag, an dem Chinas Staatschef Xi Jinping und US-Präsident Barack Obama gemeinsam ein historisches Klimaschutz-Programm verkündeten, sollte in Peking klare Luft herrschen.

Seite an Seite verkündeten die beiden Staatenlenker in der Großen Halle des Volkes gestern ihren "Meilenstein", an dem Diplomaten seit fast einem Jahr unter größter Geheimhaltung gearbeitet haben: Erstmals stimmt das Reich der Mitte einem solchem Abkommen überhaupt zu. Der weltgrößte Klimasünder verpflichtet sich darin zwar nicht, seine Treibhausgasemissionen zu senken. Er wird aber bis zum Jahr 2030 den Anteil erneuerbarer Energien auf 20 Prozent steigern.

Ein gewaltiger Kraftakt: Denn dafür muss in den kommenden 15 Jahren genauso viel Energie aus neu zu errichtenden Atomkraftwerken, Sonnen- und Windenergieanlagen gewonnen werden, wie China derzeit aus seinen Kohlekraftwerken bezieht – oder wie die USA derzeit insgesamt produzieren. Die Folge: In keinem anderen Land der Welt werden so viele Nuklearreaktoren gebaut wie in China. Peking ist aber auch Weltspitze bei Investitionen in grüne Technologien.

Es wird schlimmer

Bevor es besser wird, aber wird es noch schlimmer werden: Erst in eineinhalb Jahrzehnten wird die Luftverschmutzung ihren Höhepunkt erreicht haben, werden die Treibhausgas-Emissionen danach allmählich sinken.

"Zu wenig, zu spät", kam denn gestern auch sofort Kritik an den Maßnahmen auf. Worauf US-Außenminister John Kerry konterte: "Die USA und China sind die zwei größten Volkswirtschaften der Welt, die zwei größten Energieverbraucher und die größten Emittenten von Treibhausgasen. Zusammen sind wir für 40 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich." Und nur gemeinsam könne dieses Problem bewältigt werden, sagte Kerry.

Ehrgeiziges Ziel

Dies USA versprachen ihrerseits gestern, ihre Treibhausgasemissionen in den kommenden zehn Jahren um 26 bis 28 Prozent zu senken – auf Basis des Jahres 2005. Dies entspricht einem weitaus ehrgeizigerem Ziel, als es sich US-Präsident Obama bisher gesteckt hatte – das er aber wegen des republikanischen Widerstandes im Kongress nicht einmal ansatzweise erreichen konnte. Auch am Mittwoch heulten Washingtons Industrie-Lobbyisten sofort auf, mehrere republikanische Abgeordnete lehnten das Abkommen von Peking als "wirtschaftsfeindlich" ab.

Dass Obama das Klimaschutz-Abkommen mit China gestern dennoch als unumstößliches Faktum präsentierte, hat offenbar mit einem klaren Plan zu tun: Beginnend ab 1. Dezember will der US-Präsident eine Reihe strengster Umweltschutzvorschriften durchsetzen – mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen in einem ersten Schritt stark zu senken. Damit ihn der republikanische dominierte Kongress dabei nicht blockieren kann, steht bereits jetzt fest: Sämtliche Vorgaben werden Präsidialerlässe sein – die der Kongress in ihrer Summe nicht aushebeln kann.

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