2016 neuer Höchststand bei Flucht und Vertreibung

2016 neuer Höchststand bei Flucht und Vertreibung
UNHCR: Zwei Drittel sind Binnenvertriebene; Syrien als größtes Herkunftsland; die meisten Flüchtlinge beherbergt die Türkei.

Die Zahl von Flüchtenden und Vertriebenen hat im vergangenen Jahr mit 65,6 Millionen den höchsten jemals registrierten Stand erreicht. Das geht aus einem Bericht des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) hervor, der am Montag vorgestellt wurde. Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge im Ausland stammt aus Syrien, Afghanistan und dem Südsudan.

Alle drei Sekunden

Die Gesamtzahl der Flüchtenden stieg im vergangenen Jahr erneut und ist damit größer als die Bevölkerung Großbritanniens und fast ebenso groß wie die von Thailand. Mit anderen Worten: Im Schnitt ist einer von 113 Menschen weltweit von Flucht und Vertreibung betroffen (siehe Grafik unten). Alle drei Sekunden musste ein Mensch fliehen, das sind 20 Menschen pro Minute.

12 Millionen Syrer auf der Flucht

Syrien bleibt mit 5,5 Millionen Flüchtlingen weltweit das größte Herkunftsland, insgesamt sind sogar zwölf Millionen Syrer - fast zwei Drittel der Gesamtbevölkerung - Binnenvertriebene, Asylsuchende bzw. Flüchtlinge im Ausland. 4,7 Millionen Afghanen sind von Flucht und Vertreibung betroffen (2,5 Millionen als Flüchtlinge im Ausland), 4,2 Millionen Iraker und 3,3 Millionen Südsudanesen (1,87 Millionen Flüchtlinge im Ausland). Die Zahl der aus dem Südsudan Flüchtenden stieg dabei am rasantesten.

Fast zwei Drittel der Gesamtzahl von Menschen auf der Flucht sind Binnenvertriebene (Internally Displaced Persons, IDPs), also Menschen, die innerhalb ihres Heimatlandes auf der Flucht sind. Dies waren 2016 40,3 Millionen Menschen. Auch hier steht Syrien, vor dem Irak und Kolumbien, an der Spitze der Länderstatistik. Die Zahl jener, die Ende 2016 noch auf eine Entscheidung ihres Asylantrages warteten, gab das UNHCR mit weltweit 2,8 Millionen Menschen an.

Türkei beherbergt die meisten Flüchtlinge

84 Prozent der Flüchtlinge weltweit lebten Ende 2016 in Staaten mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. So zählte beispielsweise Pakistan 1,4 Millionen, der Libanon eine Million, Uganda 941.000 oder Äthiopien 792.000 Flüchtlinge. Die Türkei beherbergte mit 2,9 Millionen die meisten Flüchtlinge weltweit.

Dieses "gewaltige Ungleichgewicht" spiegle "verschiedene Sachverhalte wider, einschließlich der Tatsache, dass es international an einem Konsens fehlt, wenn es um das Thema Aufnahme von Flüchtlingen geht", kritisierte das UNHCR. Aus der historisch großen Gesamtzahl an Flüchtenden spreche deshalb "lauter als jemals zuvor die Notwendigkeit zur Solidarität und zu gemeinsamen Zielen bei der Prävention und Lösung von Krisen", betonte UNO-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi laut einer Aussendung.

Wieder sind im Mittelmeer innerhalb weniger Tage Tausende Migranten von seeuntüchtigen Booten gerettet worden. Am Sonntag wurden 730 Migranten von drei Gummi- und vier Holzbooten gerettet, wie die Küstenwache mitteilte. Am Freitag waren bereits in 18 verschiedenen Rettungsaktionen rund 2.000 Menschen geborgen.

Am Samstag kamen mindestens 800 weitere Migranten hinzu, die auf sechs Gummibooten das Mittelmeer von Afrika nach Europa überqueren wollten. Über Tote oder Vermisste wurde zunächst nichts bekannt. Neben Nichtregierungsorganisationen und der Küstenwache waren an den Rettungsaktionen auch die EU-Grenzschutzagentur Frontex und die italienische Marine beteiligt.

Die Hilfsorganisation Save the Children, die an Rettungsaktionen beteiligt war, berichtete, dass sich in einigen Booten ein Gemisch aus Meerwasser und Benzin angesammelt habe, das die Haut schwer verletzt. "Als wir das letzte Boot gestern Nacht fanden, waren viele durchnässt von einem gefährlichen Gemisch aus Benzin und Wasser. Ein paar Stunden mehr und es wäre zu spät gewesen", teilte auch die NGO Ärzte ohne Grenzen auf Twitter mit und sprach von verängstigten Menschen.

Die Küstenwache veröffentlichte Videos, die dramatische Szenen der Rettungen zeigen: Überladene Schlauchboote, Menschen, die in Panik versuchen, selbstständig auf das Speedboot der Rettungskräfte zu gelangen. "Da ist ein Kind, da ist ein Kind", ruft einer der Retter und ermahnt die übrigen Migranten, nicht ins Wasser zu springen.

Sieben Meilen von der libyschen Stadt Sabrata entfernt seien am Wochenende 900 Migranten von der Küstenwache des Bürgerkriegslandes gerettet worden, berichtete die Nachrichtenagentur ADNkronos am Samstag unter Berufung auf die libysche Marine. Von Libyen aus stechen die meisten Flüchtlingsboote in See. Eines der Gummiboote sei kurz davor gewesen, unterzugehen.

Die zentrale Mittelmeerroute gilt als gefährlichster Seeweg von Afrika nach Europa. Mehr als 1.800 Menschen kamen laut Internationaler Organisation für Migration seit Jahresbeginn ums Leben oder werden vermisst.

Kommentare