13 Zivilisten an Bushaltestelle getötet
Während in der Ostukraine wieder Tote zu beklagen sind - 13 Zivilisten wurden in der Großstadt Donezk getötet, weil ein Geschoss an einer Straßenbahnhaltestelle eingeschlagen ist - gibt es in den Verhandlungen über den Ukraine-Konflikt gibt es erstmals seit Monaten wieder Fortschritte. Die Außenminister Russlands und der Ukraine, Sergej Lawrow und Pawel Klimkin, verständigten sich am Mittwochabend bei einem Treffen in Berlin auf den Abzug schwerer Waffen aus der Krisenzone ausgehend von einer bereits im September vereinbarten Demarkationslinie.
Auch die Ukraine will nicht zuviel versprechen: Klimkin hat Hoffnungen auf eine baldige Lösung gedämpft. "Wir haben uns darauf geeinigt, dass die Gesprächsgruppe den Waffenabzug besprechen wird (...). Doch die anderen Punkte von Minsk möchte Russland nicht besprechen. So funktioniert das nicht", schrieb Klimkin am Donnerstag bei Twitter.
"Die Signale aus Berlin stimmen positiv, jetzt muss alles getan werden, damit die Lage in der Ostukraine stabilisiert und ein Weg für ein Ende des Konflikts geebnet wird", sagte Bundeskanzler Werner Faymann zum Ergebnis der Gespräche in Berlin am Donnerstag in einer Aussendung. Faymann würdigte im Besonderen den Einsatz Steinmeiers: "Die Verständigung der Außenminister ist ein erster Erfolg. Sie darf aber nicht nur eine Einigung am Papier sein, die getroffenen Vereinbarungen müssen auch umgesetzt werden. Im Lichte der Zuspitzung der Lage in den vergangenen Tagen ist das dringend notwendig".
Gipfel in Astana in Greifweite
Bei den Gesprächen geht es im Kern um die Umsetzung der Waffenstillstandsvereinbarung von Minsk aus dem September, die nie auch nur annähernd umgesetzt werden konnte. Zuletzt haben die Kämpfe zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen wieder zugenommen. Noch am Mittwoch warf US-Außenminister John Kerry den prorussischen Aufständischen nach einem Treffen mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in Washington "unverhohlenen Landraub" vor.
Das Außenministertreffen zur Lösung der Ukraine-Krise war das vierte dieser Art in Berlin. Zählbare Fortschritte hatte es bisher bei keinem der Treffen gegeben. Der jetzt vereinbarte Abzug der schweren Waffen soll von einer seit längerem bestehenden Kontaktgruppe organisiert werden.
Rebellen verhandlungsbereit
Lawrow hatte bereits vor dem Treffen gesagt, die prorussischen Aufständischen seien bereit, ihre jüngsten Landgewinne aufzugeben und sich hinter die im September vereinbarte Frontlinie zurückzuzuziehen. Ausgehend von dieser Trennungslinie sollen nach der Minsker Vereinbarung die Regierungstruppen und die Separatisten jeweils 15 Kilometer weit ihre Waffen mit einem Kaliber von mehr als 100 Millimetern abziehen. Dadurch soll ein insgesamt 30 Kilometer breiter entmilitarisierter Korridor entstehen.
Steinmeier sagte, Russland habe versichert, seinen Einfluss auf die Separatisten in der Ostukraine geltend zu machen. "Jetzt müssen wir hoffen, dass das geschieht, und dass das Folgen hat."
9.000 russische Soldaten
Noch kurz vor dem Treffen hatte Poroschenko Russland erneut der Aggression gegen sein Land bezichtigt. Mehr als 9.000 russische Soldaten würden sich nach Erkenntnissen von Geheimdiensten mittlerweile samt Panzern und anderer Militärtechnik im Osten der Ukraine aufhalten, sagte er beim Weltwirtschaftsforum in Davos. "Wenn das keine Aggression ist, was ist dann eine Aggression?", fragte Poroschenko. In Kiew kündigte Regierungschef Arseni Jazenjuk eine Vergrößerung der Armee um 68.000 Soldaten auf 250.000 Mann an.
Vor allem rund um den zerstörten Flughafen der Separatistenhochburg Donezk toben weiter heftige Gefechte. In dem Bürgerkrieg starben seit April 2014 bereits mehr als 4.800 Menschen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat indes eine Beschwerde der ehemaligen ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko zu den Akten gelegt. Die Politikerin und die Regierung in Kiew hätten sich gütlich geeinigt, damit habe sich eine weitere Prüfung der Beschwerde erübrigt, teilte das Straßburger Gericht am Donnerstag mit.
Timoschenko hatte geltend gemacht, ihre Haftstrafe wegen angeblichen Amtsmissbrauchs im Herbst 2011 sei politisch motiviert gewesen. Zudem klagte die 54-jährige Politikerin über ihre Haftbedingungen im Gefängnis der ostukrainischen Stadt Charkiw.
Die Vorwürfe richteten sich gegen die frühere Regierung unter dem im Februar 2014 im Zuge der Maidan-Proteste gestürzten Ex-Staatschef Viktor Janukowitsch. Nach Angaben des Straßburger Gerichts räumte die jetzige ukrainische Regierung unter dem pro-westlichen Präsidenten Petro Poroschenko in einer Erklärung die von Timoschenko geltend gemachten Menschenrechtsverstöße ein. Die Politikerin habe sich mit dieser Erklärung einverstanden erklärt, somit liege eine gütliche Einigung vor.
Galionsfigur der sogenannten orangenen Revolution von 2004
Timoschenko hatte vor dem Straßburger Gericht eine Reihe von Verstößen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention geltend gemacht, etwa gegen die Grundrechte auf ein faires und unparteiisches Gerichtsverfahren und auf Schutz des Privatlebens. Sie beschwerte sich unter anderem darüber, dass gegen ihren Willen Videoaufnahmen, die während ihrer zweieinhalbjährigen Haft entstanden, und Telefonate mit ihrem Mann veröffentlicht wurden.
Die pro-westliche Politikerin und einstige Galionsfigur der sogenannten orangenen Revolution von 2004 war im Februar vergangenen Jahres nach dem Sturz ihres politischen Widersachers, des Ex-Präsidenten Janukowitsch, aus der Haft entlassen worden. Im Mai trat sie bei der Präsidentschaftswahl an, blieb aber weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz hinter dem Unternehmer Poroschenko.
Vor knapp zwei Jahren hatte Timoschenko vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einen Teilerfolg erzielt. Damals rügte das Gericht die im August 2011 gegen die Politikerin verhängte Untersuchungshaft als "ungesetzlich und willkürlich". Timoschenko war zwei Monate in Untersuchungshaft gewesen, bevor sie im Oktober 2011 in dem umstrittenen Verfahren verurteilt wurde.
Während ihrer Haft war die Politikerin wiederholt in Hungerstreik getreten, unter anderem um zu erreichen, dass ein Team des Berliner Charite-Krankenhauses sie wegen eines Rückenleidens untersuchen konnte. Nach ihrer Freilassung ließ sie sich deswegen in Berlin behandeln.
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