Warum kam es gerade bei Verdun zur Schlacht?

Deutschland wollte im Ersten Weltkrieg einer Offensive Großbritanniens und Frankreichs zuvorkommen.

100 Jahre Schlacht von Verdun.

Deutschland war im Ersten Weltkrieg Anfang des Jahres 1916 in der Zwickmühle. Der Zwei-Fronten-Krieg im Westen und im Osten ließ sich auf Dauer nicht durchhalten, das gegnerische Lager verfügte langfristig über mehr Ressourcen. Generalstabschef Erich von Falkenhayn wollte mit einem Großangriff auf die Franzosen einer geplanten gemeinsamen Offensive französischer und britischer Truppen zuvorkommen.

Er sei davon ausgegangen, dass Frankreich im Falle einer großen Niederlage erschöpft aufgeben und einen Separatfrieden beantragen würde, sagt der französische Historiker Antoine Prost.

Verdun lag damals in einem Frontbogen, auf französischer Seite waren die Eisenbahnlinien von Westen und Süden unterbrochen. Die Franzosen konnten Verstärkung daher nur über eine Straße und eine kleine Bahnlinie mit einem Meter Spurweite heranbringen. Zudem hatte das Oberkommando im August 1915 die schwere Artillerie abgezogen und an andere Frontabschnitte geschickt. "Die Forts waren leere Hüllen", sagt der Geschichtslehrer Nicolas Czubak vom Memorial de Verdun.

In seinen nach den Krieg verfassten Memoiren schreibt Falkenhayn, dass er die Franzosen an einem symbolträchtigen Ort, den sie nicht aufgeben konnten, "Weißbluten" wollte, ihnen also möglichst hohe Verluste zufügen wollte. Dies halten Historiker inzwischen aber für eine nachträgliche Rechtfertigung nach dem Scheitern der Strategie. Prost und der deutsche Historiker Gerd Krumeich weisen darauf hin, dass Verdun für die Franzosen vor der Schlacht nicht die große symbolische Bedeutung hatte: Erst durch die Schlacht sei sie zum Sinnbild des nationalen Widerstands geworden.

Warum kam es gerade bei Verdun zur Schlacht?
Karte mit Frontverlauf 1916, Zahl der Opfer GRAFIK 0581-16, 88 x 136 mm

Merkel und Hollande rufen zur Geschlossenheit auf

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatschef Francois Hollande haben das Gedenken an die Schlacht von Verdun für einen Appell zu europäischer Geschlossenheit genutzt. "Gemeinsame Herausforderungen des 21. Jahrhunderts lassen sich nur gemeinsam bewältigen", sagte Merkel am Sonntag bei einer gemeinsamen Gedenkzeremonie.

Sie verwies unter anderem auf die Flüchtlingskrise. Hollande forderte, das "gemeinsame Haus Europa" zu "schützen". Hollande und Merkel erinnerten am Sonntag mit einer ganzen Reihe von Gedenkveranstaltungen an die Schlacht von Verdun, die als Sinnbild für die Grausamkeit des Ersten Weltkriegs gilt. Mehr als 300.000 Soldaten wurden zwischen Februar und Dezember 1916 auf den Schlachtfeldern rund um die lothringische Stadt getötet.

Warum kam es gerade bei Verdun zur Schlacht?
French President Francois Hollande (R) and German Chancellor Angela Merkel (L) pay their respects in front of the Eternal Flame in the Douaumont Ossuary (Ossuaire de Douaumont), northeastern France, on May 29, 2016, during a remembrance ceremony to mark the centenary of the battle of Verdun. The battle of Verdun, in 1916, was one of the bloodiest episodes of World War I. The offensive which lasted 300 days claimed more than 300,000 lives. / AFP PHOTO / POOL AND EPA / MATHIEU CUGNOT

"Schwächen" in der europäischen Gemeinschaft

Bei der Abschlusszeremonie vor dem Beinhaus von Douaumont nahe Verdun, in dem die Knochen von 130.000 bei der Schlacht getöteten deutschen und französischen Soldaten ruhen, nahmen Merkel und Hollande die EU-Mitgliedsstaaten in die Pflicht. Derzeit gebe es "Schwächen" in der europäischen Gemeinschaft, sagte Merkel. Europa müsse wieder seine Fähigkeit "zum Kompromiss, zur Einigkeit" beweisen.

"Rein nationalstaatliches Denken und Handeln hingegen würden uns zurückwerfen", sagte Merkel, die zuvor bei einem Arbeitsessen mit Hollande über aktuelle politische Themen beraten hatte. "So könnten wir unsere Werte und Interessen weder nach innen noch nach außen erfolgreich behaupten." Das gelte insbesondere für die Schuldenkrise und die Flüchtlingskrise.

Warum kam es gerade bei Verdun zur Schlacht?
A performer depicting death walks amongst tombstones at the French National cemetery outside the Douaumont Necropolis and Ossuary, France, May 29, 2016, during a ceremony marking the 100th anniversary of the battle of Verdun, one of the largest battles of the First World War (WWI) on the Western Front. REUTERS/Philippe Wojazer

Kräfte der "Spaltung sind wieder am Werk"

Europa müsse sich die aus den "Katastrophen des 20. Jahrhunderts" gezogenen Lehren immer wieder bewusst machen, forderte die Kanzlerin. "Und das sind die Fähigkeit und die Bereitschaft zu erkennen, wie lebensnotwendig es ist, uns nicht abzuschotten, sondern offen für einander zu sein."

Auch Hollande zog eine direkte Verbindung von Verdun zu den heutigen Herausforderungen Europas. "Unsere heilige Pflicht ist in den verwüsteten Böden von Verdun festgeschrieben, sie lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Lieben wir unsere Heimat, aber schützen wir unser gemeinsames Haus Europa, ohne das wir den Stürmen der Geschichte ausgesetzt wären." Der Sozialist mahnte, die Kräfte der "Spaltung, der Schließung und des Rückzugs sind wieder am Werk".

Warum kam es gerade bei Verdun zur Schlacht?
epa05336302 French President Francois Hollande (L) embraces German Chancellor Angela Merkel (R) after delivering speeches in the Douaumont's Ossuary during a centenary of the battle of Verdun in Douaumont, France, 29 May 2016. The Battle of Verdun in World War I between German and French troops saw the deaths of more than 300,000 soldiers on both sides in 1916. The town in the northeast of France became the epitome of brutal trench warfare during the First World War. EPA/MATHIEU CUGNOT

Merkel: Fürchterliche Schlacht

Hollande und Merkel hatten den gemeinsamen Tag mit einer Kranzniederlegung und einer Schweigeminute auf dem deutschen Soldatenfriedhof von Consenvoye nördlich von Verdun begonnen. Anschließend besuchten sie das Rathaus von Verdun - vor Merkel hatte noch kein deutscher Regierungschef die Stadt selbst besucht.

Verdun sei "eine der fürchterlichsten Schlachten, die die Menschheit erlebt hat", sagte Merkel. Verdun stehe aber nicht nur "für unfassbare Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges", sondern "auch für die Lehren daraus und die deutsch-französische Versöhnung".

Erbfeinde Deutschland und Frankreich

Sie verwies auf die historische Versöhnungsgeste zwischen dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und Frankreichs Präsident Francois Mitterrand im September 1984. Die Staatsmänner hatten damals vor dem Beinhaus von Douaumont Hand in Hand der Kriegstoten gedacht - die Geste gilt als Meilenstein in der Aussöhnung der früheren "Erbfeinde" Deutschland und Frankreich.

Auch am Sonntag wurde die Hauptzeremonie vor dem Beinhaus von Douaumont abgehalten. 3400 Jugendliche aus Deutschland und Frankreich führten eine szenische Inszenierung von Regisseur Volker Schlöndorff auf, die die Erinnerung an das Grauen der Schlacht mit einem Signal der Hoffnung und des Aufbruchs verband.

"Flamme der Erinnerung"

Nach Gesprächen mit den Jugendlichen entzündeten Merkel und Hollande im Inneren des Beinhauses gemeinsam eine "Flamme der Erinnerung" zum Gedenken an die Kriegstoten. "Uns trennen keine Gräben mehr", sagte Merkel. "Als Freunde gedenken wir gemeinsam der Vergangenheit und gestalten miteinander die Zukunft."

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