Auf Schmusekurs mit dem Papst

Auf Schmusekurs mit dem Papst
Kuba: Die Castro-Regierung bereitet Benedikt XVI. einen perfekt inszenierten Empfang und lässt sich wohldosierte Kritik gefallen.

Die Bettler und Obdachlosen hatte man vorsorglich von den Straßen Santiagos geräumt, die Exilkubaner durften – wenn auch nur für ein paar Stunden – aus Miami zur Messe anreisen und Präsident Raul Castro stand bei der Messe brav in der ersten Reihe.

Das kommunistische Kuba setzt alles daran, um den Besuch von Papst Benedikt XVI. zum Erfolg zu machen. Ein Erfolg, von dem die Castro-Regierung, so klagen politische Kritiker auf der Insel, mindestens so profitiere wie die katholische Kirche. "Die wollen die Visite als Geste der Wertschätzung für ihre Regierung darstellen", ärgert sich etwa Yoani Sanchez, Kubas auch international bekannte regimekritische Bloggerin: "Die katholische Kirche setzt ihre Rolle bei der Demokratisierung Kubas aufs Spiel – und sie verspielt sie."

In Bussen angekarrt

Mit riesigem Aufwand inszeniert das kommunistische Land jedes Ereignis auf dieser Reise des eigentlich ungeliebten Kirchenoberhauptes. Wie sonst nur bei den Paraden zum 1. Mai oder zu Revolutionsfeiertagen wurden Zehntausende Kubaner in Bussen zu den öffentlichen Messen in Santiago und Havanna angekarrt. 200.000 waren es schließlich, die in Santiago der sanften Kritik des Papstes am Regime lauschen durften. Der rief die Kubaner auf, "eine neue, offene und bessere Gesellschaft anzustreben" und erwähnte zumindest "die Gefangenen und ihre Familien". Ein Treffen mit gerade diesen Familien, wie es sich viele regimekritische Kubaner erhofft hatten, stand aber nicht auf der Agenda des Kirchenoberhauptes.

Denn auch Kubas Kirche, die seit dem Besuch des letzten Papstes vor 14 Jahren mehr Freiheiten genießt, will es sich mit den regierenden Kommunisten nicht verderben. Immerhin hat man sich in jüngster Zeit mehrfach erfolgreich für Freilassungen von politischen Häftlingen eingesetzt.

Als eine Gruppe von Dissidenten in die Kathedrale von Santiago eindrang, um dort dem Papst persönlich eine Liste mit politischen Forderungen zu überreichen, ließ die Kirchenleitung die Polizei in das Gotteshaus, um die unbequemen Gäste abtransportieren zu lassen.

Die Kirche will den Papstbesuch lieber nützen, um ihre eigenen bescheidenen Forderungen durchzusetzen: So wünscht man sich Fernseh­übertragungen von Messen und das Recht, katholische Schulen zu betreiben. Allzu grobe Zwischentöne wurden daher auf dieser Papstreise von beiden Seiten peinlich vermieden. So wurde auch der Demonstrant, der während der Messe in Santiago "Nieder mit dem Kommunismus" brüllte, rasch von der Polizei abgeführt.

Analyse: Die schwache Wirtschaft zwingt das Castro-Regime zu Reformen

Auf Schmusekurs mit dem Papst

Wenn das Oberhaupt der katholischen Kirche das Reich der Castro-Brüder besucht, sind die Erwartungen extrem hochgeschraubt – das war vor 14 Jahren bei Johannes Paul II. so und ist es jetzt bei Benedikt XVI. Der Papst – so die Hoffnung vieler Kubaner – soll nicht nur als Seelenhirte auftreten, sondern auch politische Reformen im kommunistischen Karibik-Staat anstoßen. Aber das ist ein überzogener Wunsch.

"Möge sich Kuba der Welt und die Welt sich Kuba öffnen", formulierte der charismatische Johannes Paul II. im Jänner 1998. Seit damals hat sich das Verhältnis der Regierung zur katholischen Kirche entspannt. Die Zahl der politischen Gefangenen ist vorübergehend gesunken. Die seit 50 Jahren gültigen US-Sanktionen wurden etwas gelockert. Und das Regime hat vorsichtige wirtschaftliche Reformen eingeleitet.

Doch dieser Wandel hat handfeste Gründe: Vor bald sechs Jahren hat Raul Castro die Führung von seinem erkrankten Bruder Fidel übernommen. Der 80-Jährige ist weniger ideologisch als pragmatisch veranlagt. Raul wird deshalb auch als "oberster Verwaltungskader eines bürokratischen Sozialismus" bezeichnet. Mit Blick auf die unhaltbare wirtschaftliche Lage des weitgehend isolierten Landes sah er sich zu Änderungen gezwungen.

Zehntausende Kubaner wurden aus dem Staatsdienst entlassen und animiert, sich als Kleinunternehmer durchzuschlagen. Plötzlich dürfen sie Angestellte beschäftigen, Häuser und Autos kaufen.

An der politischen Realität des Ein-Parteien-Staats will aber auch Raul Castro nicht rütteln. Dissidenten werden weiter unterdrückt, die Medien staatlich kontrolliert, Zensoren auf das Internet angesetzt.

Wenn Castro den Papst in seinem Land so freundlich empfängt, sich als Atheist bei der Messe sogar in die erste Reihe setzt, dann s­icher aus politischem Kalkül. Im Vorfeld wurde alles unternommen, um Störungen durch Oppositionelle zu verhindern. Castro weiß um die Macht der Bilder, präsentiert sich der Weltöffentlichkeit als toleranter Staatsmann.

Seit 53 Jahren haben die Castros Kuba in ihrer Hand. Die politische Wirkkraft des Papstes müssen sie nicht fürchten. Eher muss Benedikt XVI. aufpassen, sich von den cleveren Brüdern nicht instrumentalisieren zu lassen.

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