Auf der Suche nach den "Gottesteilchen"

Auf der Suche nach den "Gottesteilchen"
Das Higgs-Boson steht auf der Fahndungsliste der Teilchenphysik weit oben. Am Dienstag wird am CERN Zwischenbilanz gezogen.

Um Nicht-Physikern den Job der Teilchen-Jäger am CERN (Europäisches Teilchenforschungszentrum) zu erklären, lehnt sich Wolfgang Lucha an ein Faust-Zitat: „Es geht darum herauszufinden, woraus die Welt besteht, was sie im Innersten zusammenhält.“ Heute könnte die Forschung die letzte Lücke im Standardmodell der Elementarphysik schließen – mit ersten Hinweisen auf das mysteriöse Higgs-Teilchen.
Rolf-Dieter Heuer, Generaldirektor der Genfer Forschungseinrichtung, hat die Gerüchteküche zuletzt angeheizt, indem er die übliche nüchterne Ankündigung mit Reizworten wie „beträchtlich“ und „Fortschritt“ gespickt hat. Ob es heute „Higgs oder nix“ spielt und welche Konsequenzen ein Nicht-Auffinden des „Gottesteilchens“ hätte, erklärt der Theoretische Physiker Lucha vom Institut für Hochenergiephysik (Hephy) in Wien.

Wie nah sind die Forscher dem Gottesteilchen?
Die Forscher selbst sind vorsichtiger als es die Ankündigung zur Ergebnispräsentation erwarten ließe, aber man kann von einer Annäherung sprechen. Wie auch bei der Frage der Überlichtgeschwindigkeit werden erst Ende nächsten Jahres ausreichend Daten ausgewertet sein – nämlich vier Mal so viele wie jetzt – um eine klare Antwort zu geben. Offen ist derzeit zum Beispiel, ob die eleganteste Lösung – es gibt ein Teilchen, das Higgs-Boson, das den anderen Teilchen Masse verleiht –, zutrifft. Ob es vielleicht mehrere solcher Teilchen, oder gar keines gibt. Wenn Higgs existiert, dann in einem Masse-Bereich zwischen 115 und 140 Gigaelektronenvolt (GeV), der Einheit der Teilchenphysik. Der Vorteil: Das mögliche Vorkommen ist bereits stark eingeschränkt. Der Nachteil: In diesem Bereich sind Messungen besonders aufwendig.

 

Ein Higgs-Teilchen ist 100 Mal schwerer als eines der unzähligen Protonen, die im LHC auf Kollisionskurs geschickt werden, warum kann man es dann nur so schwer nachweisen?Higgs ist nicht direkt sichtbar, eben weil es so schwer ist zerfällt es sehr schnell in andere Teilchen. Ganz selten, so hoffen die Forscher, ist in dem Regen von Teilchen aus Elektronen, Myonen und Quarks, der beim Zusammenkrachen im LHC entsteht, auch ein Higgs-Boson. Mit den Detektoren CMS und ATLAS werden diese Zufallsprodukte nach auffälligen Signaturen abgesucht – sie könnten einen indirekten Beweis liefern.

Und wenn es kein Higgs-Teilchen gibt?Das wäre für viele Forscher das spannendste Ergebnis. Wenn der lang gesuchte Grundbaustein nicht existiert, wäre das Standardmodell der Teilchenphysik zwar nicht tot, aber es müsste neu überdacht werden, „denn irgendwas muss da sein, sonst wäre die Theorie falsch“. Und es wäre schwer vorstellbar, dass alle je gemachten Beobachtungen falsch seien, so Lucha.

Wenn Higgs nicht gefunden wird, war dann der Bau des Large Hadron Collider ein Flop?Nein, denn Higgs ist zwar das Hauptziel von CMS, aber es gibt auch andere Tätigkeitsfelder wie der Nachweis dunkler Materie.

Hätten die Amerikaner in den 1990er-Jahren ihren großen Collider gebaut, hätten wir die Antwort dann schon?Sehr wahrscheinlich, ja.

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