Albtraumjob Bürgermeister

Albtraumjob Bürgermeister
Politiker ohne Privilegien: Kaum jemand will noch Ortschef werden weil es viel Arbeit, hohes Risiko und vergleichsweise wenig Lohn gibt.

Seit Wochen schlägt er schon Alarm. Helmut Mödlhammer (ÖVP), der Chef des Gemeindebundes, beklagt schon länger, dass es immer weniger Interesse am Bürgermeister-Amt gibt.

"Bei den letzten Wahlen in Salzburg gab es in jeder fünften Gemeinde nur je einen Kandidaten. In Vorarlberg in 40 Prozent der Gemeinden. Zwei Drittel der Bürgermeister bewerben sich nicht aus eigenem Antrieb, sondern werden dazu gedrängt", sagte er am Mittwoch. Die Gründe sind bekannt: Ein Bürgermeister ist nicht mehr Repräsentant, sondern Manager einer Gemeinde; Haftungsrisiken sind höher als in den meisten anderen Ämtern; die soziale Absicherung ist mangelhaft - es gibt weder Mutterschutz noch Pflegefreistellung (siehe unten) .

Mödlhammer präsentierte mit Karin Gastinger, einst Justizministerin und nun Direktorin im Consulting-Unternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC), die nächste Studie, die seine Hilferufe untermauern soll. PwC hat die Einkünfte von Bürgermeistern und Geschäftsführern von Unternehmen verglichen: Bürgermeister verdienen zwischen 25 und 52 Prozent weniger als die Leiter vergleichbarer Betriebe. Besonders schwer, so Mödlhammer, seien Bürgermeister für Gemeinden zwischen 2000 und 7000 Einwohnern zu finden. Dort gebe es viele Aufgaben, aber nicht genug Gehalt, um das Amt hauptberuflich auszuüben. Das Gehalt ist Landessache (Durchschnitt siehe links) . Um wieder die "besten Köpfe" in die Amtsstuben zu bekommen, will Mödlhammer eine Arbeitsgruppe einsetzen.

Ein Expertenpool mit Vertretern der Sozialpartner, der Wirtschaftskammer und des Rechnungshofes soll Maßnahmen vorschlagen, um den Posten wieder schmackhaft zu machen.

Bürgermeister von Mödling: "Muss Vollprofi sein"

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"Der Bürgermeister heute ist ein Manager. So nebenbei ist das auch in kleinen Gemeinden nicht zu schaffen. Ein Bürgermeister muss Vollprofi sein", sagt Hans Stefan Hintner ( ÖVP) über sein Amt. Seit acht Jahren lenkt er die Geschicke der 20.000-Einwohner-Stadt Mödling - und das mit Überzeugung: "Wenn ich mich noch einmal entscheiden könnte, würde ich wieder in die Politik gehen." Und das, obwohl in der Wirtschaft in vergleichbarer Position mehr zu holen ist: "Unsere Gemeinde ist ein Betrieb mit 300 Beschäftigten und 60 Millionen Euro Umsatz. Mein Nettogehalt beträgt 3500 Euro." Plus das Mandat im NÖ Landtag ergibt das rund 6400 Euro. "Das ist angemessen", sagt Hintner.

Im Gegenzug gibt es viel Arbeit und einiges an Verantwortung: "Als Baubehörde erster Instanz bin ich persönlich vor Gericht belangbar. Wir haben gute Juristen, aber das nimmt einem niemand ab. Auch wenn im Urlaub oder bei Krankheit die Kompetenzen an den Vize übergeben werden, haftet der Bürgermeister für die Entscheidungen", erklärt Hintner. Manager müssen sich auch nicht alle fünf Jahre der Wahl stellen - und eine Abfertigung ist für Politiker ist Illusion. "Aber in der Politik zählen andere Parameter, wie die Gestaltungsmöglichkeiten. Und in Kommunen und auf Landesebene sind Politiker durchwegs gut angesehen." Was benötigt ein Stadtchef im Jahr 2011? "Man muss Entscheidungen treffen können, ein Gefühl dafür haben, wo die Reise hingeht. Und man braucht eine dicke Haut."

Bürgermeisterin von Mattersburg: "Hafte mit Privatvermögen"

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Ingrid Salamon hält sich seit zwölf Jahren als SPÖ-Bürgermeisterin von Mattersburg wacker (vorher gab es einen Schwarzen). Die 53-jährige gelernte Bürokauffrau fühlt sich wohl in ihrer Bürgermeisterhaut.
Nicht des Geldes wegen, wie sie betont. Denn ihr Monatsgehalt beträgt 3672 Euro brutto, 14 Mal im Jahr.
Von diesen 3672 Euro zahlt sie laut eigenen Angaben 333 in einen Pensionstopf ein, weil es ja keine Politikerpension mehr gibt. Netto bleiben ihr knapp 2000 Euro. Überbezahlt findet sie ihren Job nicht, "schon gar nicht dann, wenn ich davon leben müsste". Mattersburgs Bürgermeisterin sitzt daher auch im Landesparlament.
Dass ihre Arbeitswoche 50 bis 60 Stunden, "manchmal mehr, manchmal weniger", ausmacht, stört sie nicht. Wenn man das Ohr nicht bei der Bevölkerung habe, mache es wenig Sinn, Bürgermeister zu sein: "Und meine Telefonnummer ist auch nicht geheim."
Klagen möchte Mattersburgs Ortschefin auch nicht, weil sich ihre Arbeit in den vergangenen zwölf Jahren "vor allem im juristischen Bereich wesentlich geändert hat - und auch aufwendiger geworden ist." Die Verantwortung sei viel größer als früher. Ein Manager könne "Tschüss sagen", wenn etwas schief laufe, bei einem Bürgermeister sei das nicht so. "Wenn ich meine Kompetenzen überschreite und falsch investiere, dann hafte ich mit meinem Privatvermögen," sagt Ingrid Salamon, die bei den kommenden Gemeinderatswahlen (2012) wieder kandidieren wird.

Bürgermeisterin von Eisenerz: "Schwere Nachfolgersuche"

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Es gibt Tage, da komme ich erst um 22 Uhr nach Hause." Christine Holzweber, SPÖ-Stadtchefin von Eisenerz, weiß: "Die Bürger erwarten, dass ich mir Zeit nehme."
Ihr Job sei gerade in Eisenerz ein sorgenvoller. 4850 Menschen leben noch in der Abwanderungsgemeinde. In Hochzeiten am steirischen Erzberg waren es über 13.000. "Zwei Drittel der Eisenerzer sind jetzt über 65 Jahre alt."

Managementqualitäten muss sie beweisen. "Je weniger wir werden, desto teurer wird die Infrastruktur für den einzelnen Bürger. Wir müssen eine Vorwärtsstrategie entwickeln", sagt Holzweber. Sie bastelt an Tourismusprojekten und an einem Redesign-Programm für ein kleineres, aber feineres Eisenerz. Die Budgetnöte lassen sie zuweilen schlecht schlafen: Allein 620.000 Euro Abgang im Vorjahr. Sie komme aus ganz kleinen Verhältnissen, sagt sie. Die hauptamtliche Bürgermeisterin und gelernte Verkäuferin will finanziell nicht klagen. Das entspreche auch nicht sozialdemokratischen Wertehaltungen. "Ich schrei' also nicht, wir Bürgermeister müssten noch viel mehr verdienen." Pro Jahr erhält die 60-Jährige 51.874,20 Euro brutto. "Ich bin verheiratet, also auch durch die Familie abgesichert. Würde ich allein eine Familie versorgen müssen, Alleinerzieherin sein, wäre das zu wenig."

Ortschefs müsse man grundsätzlich und unter dem Zukunftsaspekt gut absichern. "Denn Nachfolger zu finden, wird immer schwieriger. Das wissen wir in der Kommunalpolitik nur zu genau. Der Junge wird nämlich kaum noch bereit sein, das alles auf sich zu nehmen."

Bürgermeister von Gleinstätten: "Stundenlohn unter dem meiner Putzfrau"

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Gottfried Schober, ÖVP-Bürgermeister der südsteirischen Gemeinde Gleinstätten, kommt jährlich auf 31.987,30 Euro brutto an Aufwandsentschädigung. "Mein Stundenlohn liegt unter dem meiner Putzfrau."

1305 Einwohner zählt seine Gemeinde. Es gibt kommunalpolitisch viel zu tun für den hauptamtlichen Hauptschullehrer. Auf 65 Arbeitsstunden pro Woche kommt der 56-Jährige locker mit beiden Jobs.

"Wenn ich das Wegenetz nicht ständig kontrollieren würde, wäre ich vielleicht schon im Kittchen. Das kann ich dem Gemeindearbeiter allein nicht überlassen. Es braucht nur jemand mit dem Fahrrad zu stürzen." Die 122 Pflanzenarten im dörflichen Biotop pflegt der Ortschef persönlich. "Ich kann mir keinen Gärtner leisten."
Ärger mit den Bürgern ist unbezahlt. Weil er den Aufbau eines abgebrannten Schweinestalls genehmigte, schlugen Schober raue Töne entgegen. "Es geht doch um die Lebensgrundlage eines Bauern." Bauverhandlungen allgemein? Ein Riesenaufwand. "Bei uns gibt es eben keinen Bauamtsdirektor wie in einer Stadt."

Unterbezahlt fühlt sich Schober nur, wenn er sich mit einem Bundesratsabgeordneten vergleicht. "Was leistet der schon groß? So gesehen ist das Bürgermeistergehalt ein Witz." Oder EU-Abgeordnete: "Was die allein an Spesen kassieren. Da wirst du echt grantig."
Jammern wolle er aber nicht. "Würde mir der Job keinen Spaß machen, hätte ich schon aufgehört." Ein besseres Zeitmanagement wünscht er sich für sich. "Ich muss schauen, wie ich mit meinen sieben Zwetschken zusammenkomme."

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