AKH-Streit droht zu eskalieren

AKH-Streit droht zu eskalieren
Ärzte wälzen Streik-Pläne. Juristen prüfen Schuldfrage für Ernstfall. Peinlich für Politiker: Causa ist seit 9 Monaten bekannt.

Im zweitgrößten Krankenhaus der Welt, dem Spital mit den beiden Bettentürmen, wird die Luft allmählich dünn. Sehr dünn, wenn man den Worten der Mediziner Glauben schenkt.

"Wenn die Sparpläne umgesetzt werden", sagt Martin Röggla, Oberarzt in der Notfallambulanz des Wiener AKH, "werden Menschen schwer zu Schaden kommen". Ab Montag, den 2. Februar 2012, hätten 250 Menschen ein "gravierendes Problem", ist der 52-Jährige überzeugt.

So viele Patienten sind es, die in der Notfallambulanz täglich auf das rasche Handeln der Ärzte angewiesen sind. Doch dort, wo heute vier Ärzte Dienst versehen, sollen ab Februar nur noch drei Ärzte für Patienten zur Verfügung stehen. Zumindest sehen das die Sparpläne des Rektorats der Medizinischen Universität (MUW) vor.

"Allein vergangene Woche mussten während einer Schicht drei Patienten wiederbelebt werden", schildert Röggla seinen Arbeitsalltag. "10 Patienten erlitten einen Herzinfarkt. Jeden zweiten Tag kommt ein Patient mit einem Einriss der Hauptschlagader." Es gehe nicht darum, Hysterie zu erzeugen, beteuert er. "Aber die Sparpläne sind verantwortungslos."

Wie berichtet, fehlen dem Spital allein heuer neun Millionen Euro im Budget. Ab Februar sollen Nacht- und Wochenenddienste um 14 Prozent reduziert werden. Ambulanzen könnten nicht mehr mit Fachärzten besetzt, OP-Kapazitäten müssten um ein Drittel gesenkt werden. "Wir appellieren an die Verantwortlichen im Wissenschaftsministerium, den finanziellen Bedarf zu decken", sagt Mediziner Thomas Szekeres. Die von der Politik für Jänner angekündigten runden Tische sind in den Augen der Spitzenmediziner bloße Beruhigungspillen. Auch die Ankündigung von Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) vom Dienstag beeindruckt Szekeres wenig. "Ein Streik ist die letzte Konsequenz", sagt er stattdessen. Ein entsprechender Beschluss könnte im Jänner fallen. Im Hintergrund lassen die Ärzte juristische Gutachten erstellen, die klären, wer ab Februar im Schadensfall verantwortlich ist: Ärzte, der Rektor oder die Politiker.

Politik untätig

Der KURIER stieß bei seinen Recherchen indes auf ein Protokoll der Wiener Gemeinderatssitzung vom 30. 5. 2011. Aus dem Papier geht eindeutig hervor, dass der Politik bereits zu diesem Zeitpunkt die konkreten Sparmaßnahmen detailliert bekannt waren. Wörtlich ist darin von "20 Nachtdiensträdern" die Rede, die mit "erstem Dezember" eingespart werden könnten. Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SP) mahnte MUW-Chef Wolfgang Schütz und dessen Chef, Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP), damals eindringlich, zu reagieren. "Sieben Monate sollten reichen, um ein gutes Ergebnis zu erzielen", meinte Wehsely im Mai.

Stellt sich die Frage: Warum ist in den vergangenen sieben Monaten nichts geschehen? "Die Optik, die hier entsteht, ist fatal", sagt eine Medizinerin, die anonym bleiben will. "Hier soll ein Finanzierungsstreit zwischen Bund und Gemeinde auf dem Rücken von Ärzten und Patienten ausgetragen werden."

Im Rektorat weist man den Vorwurf der Tatenlosigkeit zurück. "Bereits im März erging ein Brief an den Bürgermeister und an das Ministerium", sagt Sprecher Johannes Angerer. "Und im Juni gab es im Wissenschaftsministerium ein Budgetbegleitgespräch."

Reformen wurden seither keine umgesetzt.

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