Affäre Golowatow: Tagebuch eines Kniefalls

Affäre Golowatow: Tagebuch eines Kniefalls
Der Oberstaatsanwalt ersparte Golowatow gegen den Willen der Polizei das Gefängnis. Die Regie führten Außen- und Justizministerium.

Ist Österreichs Justiz vor Moskau in die Knie gegangen? Wird Wien von Litauen zu Recht kritisiert, weil man Mikhail Golowatow ziehen ließ - anstatt den Ex-KGBler und angeblichen Kriegsverbrecher nach Litauen auszuliefern?

Für Österreichs Bürger ist die Sache eindeutig: Litauen ärgert sich zu Recht, und Österreich hat sich dem Druck gebeugt. So lautet das Ergebnis einer OGM-Umfrage für den KURIER (Grafik).

Affäre Golowatow: Tagebuch eines Kniefalls

Doch unabhängig von Stimmungslagen nähren nun immer mehr Indizien den Verdacht, dass die Justiz in der Nacht zum 15. Juli tatsächlich vor allem dem Drängen der russischen Botschaft nachgegeben hat.

Am Donnerstag, präsentierte der Sicherheitssprecher der Grünen, Peter Pilz, einen Akten-Vermerk, der belegen soll, dass auch die Polizisten vor Ort kein gutes Gefühl hatten, wie die Amtshandlung ablief (siehe Hintergrund).

Thriller

Affäre Golowatow: Tagebuch eines Kniefalls

Die Szene erinnert an einen Thriller von John Le Carré: Die Polizei schnappt den Ex-KGBler Golowatow aufgrund eines litauischen Haftbefehls am Gate; kurz darauf setzt die russische Botschaft in Wien ihre Maschinerie in Gang: Drei Stunden nach der Festnahme ist der erste Botschaftsrat am Flughafen, eineinhalb Stunden später kommt der Botschafter persönlich, er will mit dem Staatsanwalt telefonieren.

Um drei Uhr Früh - längst sind auch im Außenministerium höchste Beamte mit der Causa
beschäftigt - ordnet die Polizei die Verlegung Golowatows in die Justiz-Anstalt Korneuburg an.

Für sich genommen ein üblicher Vorgang, doch in den nächsten Minuten geschieht Folgenschweres: Der russische Botschafter gibt sich mit dem Journalstaatsanwalt nicht zufrieden, er will mit dem Vorgesetzten sprechen - und der wird um 3.20 Uhr aus dem Schlaf geklingelt. Kurz vor vier Uhr Früh trifft Oberstaatsanwalt Werner Pleischl eine weitreichende Entscheidung: Nach dem Gespräch mit dem Botschafter gibt er die Order, den angeblichen Kriegsverbrecher am Flughafen zu belassen. "Dem Ersuchen des Botschafters, von einer Einlieferung in die JA Korneuburg abzusehen, wird stattgegeben", heißt es trocken im Aktenvermerk.

Für Pilz ist Pleischl damit zum "Paten der Polit-Justiz" geworden; Justiz-Ministerin und Außenminister seien rücktrittsreif. Spannend ist jedenfalls, dass Golowatows Nicht-Einlieferung ins Gefängnis für die Justiz einen Vorteil hatte: Man konnte den Ex-KGBler später schneller loswerden.

Wäre der Russe nach Korneuburg gekommen, hätte das Prozedere der "Auslieferungshaft" begonnen. Und im Zuge dieses Verfahrens hätten die Litauer automatisch mehrere Tage Zeit gehabt, weitere Unterlagen zu liefern, die eine Auslieferung rechtfertigen. Auch Litauens Generalstaatsanwalt ist der Meinung, Österreichs Justiz hätte ihm mehr Zeit geben müssen
(siehe Interview).

So aber war alles anders. Golowatow blieb am Flughafen, wo er von der Polizei maximal 48 Stunden festgehalten werden durfte. Die Justiz gab Litauen bis 14 Uhr des Tages nach der Verhaftung Zeit, Vorwürfe zu präzisieren. Das passierte in der Kürze nicht, man entließ Golowatow um 14.45 Uhr. Nur 22 Stunden nach seiner Verhaftung war Golowatow wieder ein freier Mann.

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