1,3 Millionen Kinder brauchen Pass

1,3 Millionen Kinder brauchen Pass
Ab 15. Juni brauchen auch Babys bei allen Auslandsreisen eigene Dokumente. Auf den Passämtern drohen nun lange Wartezeiten.

In den Internetforen, wo sich viele Eltern tummeln, wird eifrigst geschimpft: "Endlich wird man vom Staat wieder einmal abgezockt", heißt es etwa. Ob man mag oder nicht, ab 15. Juni muss jedes Kind bei einer Auslandsreise einen eigenen Reisepass (oder einen Personalausweis in der EU) vorweisen. Wer keinen hat, darf die Grenze dann nicht mehr legal überschreiten.

"Wir wollen heuer wie jedes Jahr nach Italien und das verteuert den Urlaub natürlich schon", sagt Verena Hornacek, die vier Kinder mit Dokumenten ausstatten muss.

"Im schlimmsten Fall werden die Kinder beim Check-in am Flughafen zurückgewiesen", warnt Andreas Wallner vom Innenministerium. Das könnte im Sommer zu bösen Überraschungen führen. "Es ist eine EU-Vorgabe und soll gegen den Kinderhandel wirken," erklärt Wallner. Damit können Eltern nicht mehr mit fremden Kindern ein- und ausreisen, hoffen die Experten. Medienwirksam wurde deshalb am Dienstag der 5.000.000ste Reisepass mit Chip von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Außenminister Michael Spindelegger an die zehnjährige Amelie in der BH Krems übergeben.

1,3 Millionen Kinder brauchen Pass

Seit 2009 gibt es die Passeintragung bei Mutter oder Vater ohnehin nicht mehr. Insgesamt 576.000 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre haben mittlerweile schon einen eigenen Reisepass – rund 1,3 Millionen allerdings nicht. Fährt nur die Hälfte davon heuer auf Urlaub, dann dürfte auf den Passämtern bald das Chaos ausbrechen. Deshalb werden seit einigen Tagen Radio­spots geschaltet, die auf das Thema aufmerksam machen. Doch auf den Ämtern herrscht derzeit eher gähnende Leere, wie ein KURIER-Lokalaugenschein ergeben hat.

"Besser ist es auf jeden Fall, jetzt schon alles zu beantragen. Wenn im Juni 40.000 Menschen pro Tag einen Pass benötigen, wird es mit den Kapazitäten in der Staatsdruckerei eng", erklärt Wallner. Noch dazu werden einige einen Expresspass benötigen, der 165 bis 220 Euro kostet. Wer mehr Kinder hat, muss also ganz schön in die Tasche greifen, um rechtzeitig vor dem Ferienstart ein gültiges Reisedokument zu erlangen. Da zu normalen Zeiten knapp 150.000 Kinder pro Jahr einen Pass beantragen, kann man sich ausmalen, was sich da abspielen wird. Darüber hinaus müssen Passfotos nach strengen Regeln angefertigt werden. Bei Babys ist das gar nicht so einfach, laut Internetforen wird deshalb mancherorts für Kinderfotos sogar mehr verlangt als bei Erwachsenen.

"Geldabzockerei"

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"Es ist halt ein Amtsweg mehr, so schlimm finde ich das nicht. Wir fahren im Sommer nach Kroatien und für Luisa, sie ist ein Jahr alt, brauche ich einen Babypass. In zwei Jahren benötigen wir dann schon einen neuen, der uns 30 Euro kostet", sagt Claudia A., eine der wenigen Mütter, die schon jetzt am Amt war und deshalb nicht lange warten musste. Mehr erbost zeigt sich Ilse Eigenbauer: "Der Kinderpass ist einfach nur Geldabzockerei, sonst nichts. Wer sich das wieder ausgedacht hat. Ich habe zwei Söhne, sechs und elf Jahre alt. Wir fliegen im Sommer nach Korsika. In fünf Jahren brauchen meine Kinder wieder neue Pässe, was mich wieder viel Geld kostet."

"Die Anträge verteilen sich derzeit wellenförmig vor allem auf die schulfreien Tage, seit Jahresbeginn ist der Andrang schon größer", berichtet Wolfgang Straub, Bezirkshauptmann von Wien-Umgebung. In der Bundeshauptstadt hingegen herrschte bisher Ruhe vor dem Sturm. "Erst in den letzten Wochen hatten wir vermehrt Kinderpassausstellungen", sagt Oliver Birnbaumer von den Bezirksämtern, "erfahrungsgemäß wird der Andrang vor allem ab dem 15. Juni spürbar sein." Dann ist mit sehr langen Warteschlangen zu rechnen.

1,3 Millionen Kinder brauchen Pass

Nachgefragt: Was halten Sie von verpflichtenden Kinderpässen?

Linda Rinner: "Ich finde die Kinderpässe vollkommen in Ordnung. Mein Kind ist sieben Monate alt und hat sogar zwei Kinderpässe, wegen Doppel-Staatsbürgerschaft. Die Passbeantragung ist schnell gegangen, ohne Probleme."

Julia Kloess: "Ich verstehe die Logik dahinter. Kinderpässe tragen nicht nur zur Sicherheit bei, sondern sind meiner Meinung nach auch praktisch. So können meine Kinder auch mit den Großeltern problemlos verreisen."

Anja F.: "Ich weiß, dass die Kleine einen Reisepass braucht. Wir haben erst überlegt, sie bei uns einzutragen. Sie wird im Juni zwei. Und weil der Reisepass bis zu diesem Alter kostenlos ist, haben wir das gleich genutzt."

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