Das Feuer in Brasilien brennt - Rio-Spiele bunt eröffnet

Das Feuer in Brasilien brennt - Rio-Spiele bunt eröffnet
Farbenprächtig und ausgelassen, aber auch kritisch und anklagend - das Stimmungsbild der Eröffnungsfeier der XXXI. Olympischen Spiele im Maracana-Stadion von Rio de Janeiro war gegensätzlich wie das Land. Um 23.27 Uhr Ortszeit (4:27 MESZ) erklärte Interimspräsident Michel Temer die Sommerspiele für eröffnet. Es sind die ersten der Geschichte in Südamerika.

"Nach diesem wunderbaren Spektakel erkläre ich die Olympischen Spiele von Rio für eröffnet", sagte Temer bei seinem kurzen Auftritt. Die Protestrufe und Pfiffe des Publikums wurden erst durch das Feuerwerk übertönt, mit dem die Zeremonie endete. An den TV-Bildschirmen mit Milliarden Zuschauern war das Ausmaß der Blamage gar nicht richtig wahrzunehmen, weil offensichtlich massiv die Pfiffe heruntergeregelt worden waren. Schon zu Beginn der Eröffnungsfeier war Temer - anders als im Programm angekündigt - nicht begrüßt worden. Sondern nur IOC-Präsident Thomas Bach

Als Bach seine Ansprache hielt, begrüßt auch er Temer nicht. Beides ist eigentlich ein Affront. Es gärt bekanntlich im Land, die Amtsenthebung der bisher nur suspendierten Präsidentin Dilma Rousseff soll nach Temers Willen nach Olympia zügig vollzogen werden, damit er Anfang September als "richtiger" Präsident amtieren kann. Brasilien steckt mitten in einer schweren Politik- und Wirtschaftskrise. Rousseff betrachtet das Amtsenthebungsverfahren gegen sie als verdeckten Putsch Temers.

In seiner Ansprache bezog sich Bach auf diese Krise. "Ihr habt Rio in eine moderne und einzigartige Stadt verwandelt", sagte der Deutsche, der seinerseits wegen des Umgangs des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) mit den Dopingvorwürfen gegen die russischen Sportler umstritten ist. "Und ihr habt all unsere Bewunderung, weil ihr dies in einem schwierigen Moment der Geschichte Brasiliens getan habt."

"Alle Brasilianer können heute sehr stolz sein. ... Wir haben immer an euch geglaubt", sagte Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees bei seiner Ansprache, bezugnehmend auf die schwierigen Zeiten, die Brasilien durchmacht. Von den Athleten forderte er Respekt gegenüber anderen und hieß ausdrücklich das Flüchtlingsteam des IOC willkommen. "Ihr sendet eine Botschaft der Hoffnung aus."

Carlos Arthur Nuzman, Chef des Organisationskomitees, meinte: "Der Olympische Traum ist nun eine wunderbare Realität." Man empfange die Welt mit offen Armen, er sei der stolzeste Mann der Welt.

Die Eröffnungsfeier war vielseitig. Anfangs brandeten mächtige Wellen durch das Stadion. Pflanzen wuchsen, Tiere krabbelten herum. Man erfuhr vom Leben der indigenen Völkern, die die Amazonasgebiete bewohnten, ehe von überall auf der Welt die Einwanderer kamen und das Farbenspiel blasser wurde. Um die Stimmung wieder anzuheizen, wurde Topmodell Gisele Bündchen einmal über den aktuell größten Laufsteg der Welt geschickt - quer durch das Maracana zu Bossa-Nova-Klängen als "Girl from Ipanema".

Bei heißen Sambaklängen und Favela-Kultur wurde die Stimmung immer ausgelassener. Es tanzten nicht nur die Künstler in ihren farbenprächtigen Kostümen in der Stadionmitte, sondern auch die Zuschauer auf den Rängen. Die anschließend gezeigten Auswirkungen des Klimawandels standen im krassen Gegensatz dazu, doch erschloss sich der Sinn bald. Der Einmarsch der Nationen begann und jeder Athlet erhielt ein Pflänzchen. Für jede Delegation gab es eine eigene Sorte. Daraus soll der Athleten-Wald in Deodoro entstehen: Die Athleten als Pflanzer dieser Erde.

Ein Höhepunkt der Feier war der Einzug der 207 nationalen Olympia-Mannschaften. Besonderen Applaus erhielt die Flüchtlingsmannschaft, die unter der Olympischen Flagge erstmals an den Spielen teilnahm. "Ihr habt eine Botschaft der Hoffnung für die Millionen Flüchtlinge in aller Welt. Ihr habt aus euren Häusern fliehen müssen wegen Gewalt, Hunger oder nur weil ihr anders seid", sagte Bach. Jetzt würden sie "einen wunderbaren Beitrag zur Gesellschaft" erbringen.

Österreich war als 16. Nation an der Reihe, 41 Athleten hatten sich angemeldet, darunter das komplette, achtköpfige Segelteam sowie die sechs Tischtennisspieler, vier Judoka, Golfer Bernd Wiesberger und Dressurreiterin Victoria Max-Theurer. Sportschützin Olivia Hofmann, die Beachvolleyballer Alexander Huber/Robin Seidl und Tischtennisspielerin Sofia Polcanova absolvierten die mehrstündige Zeremonie am Vorabend ihrer ersten Wettkampfeinsätze. Als letzte Mannschaft zogen vor 78.000 Zuschauern als Gastgeber die Brasilianer ein. Das Olympische Feuer brachte der ehemalige Tennis-Star Gustavo Kuerten ins Stadion, die Flamme wurde vom ehemaligen brasilianischen Leichtathleten Vanderlei Cordeiro de Lima entzündet.

Die Eröffnungsfeier mitzuerleben, ist etwas ganz Besonderes", sagte Judoka Kathrin Unterwurzacher, wie alle in kurzer Lederhose, Jeanstrachtenjacke und Sportschuhe gekleidet. "Hoffentlich geht kein Wind", machte sich deren Kollegen Daniel Allerstorfer umsonst Sorgen um die zierliche Fahnenträgerin Liu Jia. Das Tischtennis-Leichtgewicht bestreitet die fünften Olympischen Spiele. "Ich habe schon als Kind immer die Eröffnungsfeier angesehen und mir gedacht, da will ich auch einmal dabei sein", erfüllte sich in Rio der Traum von Seglerin Tanja Frank.

Unter den ausländischen Gästen waren Frankreichs Präsident Francois Hollande und sein argentinischer Kollege Mauricio Macri. Im Vergleich zu früheren Spielen hatten sich jedoch deutlich weniger Staats- und Regierungschefs angemeldet. Deutschlands Bundespräsident Joachim Gauck hatte aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig abgesagt. Brasiliens suspendierte Präsidentin Rousseff und ihr Vorgänger Luiz Inacio Lula da Silva boykottierten die Feier aus Protest gegen das laufende Amtsenthebungsverfahren.

Außerhalb des Stadions war die Stimmung weniger geprägt von Freude als von Ärger oder schlicht Desinteresse. Kurz vor der Eröffnung hatte es in Rio erneut Proteste gegen die Spiele gegeben. Mehrere tausend Menschen demonstrierten mit Schildern, auf denen "Nein zu den Olympischen Spielen" zu lesen war, gegen das Sportereignis vor dem Luxushotel Copacabana Palace, wo viele Sportler wohnen.

Viele Brasilianer sind wütend über das teure Sportspektakel, für das insgesamt rund elf Milliarden Euro ausgegeben wurden. Als Brasilien 2009 den Zuschlag für die Spiele erhielt, war es am Höhepunkt seines Wirtschaftsbooms, doch hat sich seitdem die Lage gravierend verschlechtert. Inzwischen steckt das Land in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten mit hoher Arbeitslosigkeit und starker Inflation.

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