Diese Faktoren beeinflussen, was wir mal werden

Diese Faktoren beeinflussen, was wir mal werden
Eltern bestimmen die Berufswahl ihrer Kinder häufig mit. ExpertInnen plädieren für mehr unabhängige Informationen.

Eltern, Freundeskreis, Verwandte, Bekannte. Sie alle beeinflussen maßgeblich, welche Antworten Jugendliche im Alter von 14 bis 15 Jahren über ihren weiteren Bildungs- oder Berufsweg geben. Die Mittelschülerin Nadine zum Beispiel will Immobilienmaklerin werden, ihr Plan B wäre Bankkauffrau.

Inspiriert wurde die Schülerin von ihrem Onkel. Er ist ebenfalls Bankkaufmann, ihre Mutter und ihr Onkel unterstützen Nadine in ihren Zukunftsplänen. Die Vorbildfunktion und Bestätigung der Familie sind für die Zukunftspläne der Teenagerin wichtig. Und sie ist damit kein Einzelfall.

ForscherInnen der Uni Wien befragten vor Ausbruch der Pandemie rund 200 SchülerInnen aus Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS) und Neuen Mittelschulen (NMS), darunter auch Nadine, über ihre Vorstellungen zur Arbeitswelt, Ausbildungs- und Berufswege. In Auftrag gegeben wurde die Studie von der Arbeiterkammer Wien.

Die Eltern treffen die Entscheidung

Anhand der Interviews wurde ersichtlich, wie stark Berufs- und Bildungswege vom familiären und sozioökonomischen Hintergrund beeinflusst werden und dass die Entscheidungen zu einem gewissen Grad bereits von den Eltern für die Kinder getroffen werden.

So berichtet eine weitere Mittelschülerin: "Ich wollte eigentlich eine Tourismusschule machen“, ihre Familie aber habe ihr von den Möglichkeiten mit einem HAK-Abschluss erzählt. "Dann habe ich mich doch für eine HAK entschieden.“

Geringe Mobilität

Ein anderer Mittelschüler gibt an: „Ich würde auch in Erwägung ziehen, eine Lehre zu machen, aber für meine Mutter kommt das nicht infrage.“ Studienautorin Sarah Straub erklärt: "Jugendliche passen ihre Berufswünsche an die zu erwartenden Bildungschancen an.“ Dementsprechend zeige die Untersuchung auch eine geringe Bildungsmobilität auf.

Traumberuf hängt oft von Schultyp ab

Das Schulumfeld fließt ebenfalls in konkrete Berufswünsche ein. Beim Nennen des Traumberufs zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den beiden Schultypen. "So nennen etwa SchülerInnen aus der AHS-Unterstufe Berufe wie Arzt bzw. Ärztin, Anwalt bzw. Anwältin, Apotheker bzw. Apothekerin“, sagt Straub. "SchülerInnen aus Mittelschulen nennen Berufe wie Kfz-Mechaniker bzw. -mechanikerin, Lehrer bzw. Lehrerin, Polizist bzw. Polizistin.“

Für Straub, sowie auch für BildungsexpertInnen der Arbeiterkammer (AK) ist die Studie ein Beleg dafür, dass Jugendliche ihre Zukunftsentscheidungen nicht unabhängig von gesellschaftlichen Strukturen treffen. Sie werden vom familiären Hintergrund, von der aktuellen Situation am Arbeitsmarkt, vom Studienplatzangebot, oder der finanziellen Unterstützung, während der Ausbildung beeinflusst.

All diese Aspekte können den Weg hin zum Traumberuf entweder erleichtern oder verschließen. "Umso wichtiger ist es, jungen Menschen eine unabhängige, objektive Bildungsberatung anzubieten“, betont Martina Aicher, Bildungsexpertin der AK. Denn Schulen und Lehrkräfte allein könnten dem Anspruch einer umfassenden Bildungsberatung nicht gerecht werden, vielen Eltern würde der Überblick über die österreichische Bildungslandschaft fehlen.

Rollenbilder

Auch traditionelle Rollenbilder wirken sich nach wie vor stark auf die Berufsvorstellungen aus. Die Interview-Auswertungen zeigen: Mädchen blicken unsicherer in die berufliche Zukunft als Burschen. Hohes Einkommen, Aufstiegsmöglichkeiten sind Burschen wichtiger als Mädchen, diese wünschen sich primär eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

In berufspraktischen Tagen sehen die Expertinnen eine wichtige Orientierungshilfe für Jugendliche, da sie sich unabhängig von Eltern informieren könnten, objektive und unvoreingenommene Beratung finden. "Aus Gesprächen mit Jugendlichen wissen wir, dass viele einen Einblick in Berufe bekommen, die sie vorher nicht kannten‚“, so Aicher.

"Außerdem sind viele SchülerInnen nicht ausschließlich österreichisch sozialisiert und haben Eltern mit Migrationsbiografie, denen der Überblick über den heimischen Arbeitsmarkt und dessen Bildungswege fehlt.“ So würden viele aus der Not heraus für die berufspraktische Woche nach einem Platz im Einzelhandel suchen, obwohl sie der Job nicht interessiere, weiß Aicher. „Das erleben viele als frustrierend.“

Erfahrungen sammeln - aber wie?

Über berufspraktische Tage können auch feminisierte Berufe an Burschen näher gebracht werden. „Viele Burschen haben nach einer Projektwoche in Kindergärten und Pflegeheimen zu uns gesagt, das interessiert sie und empfinden die Erfahrung als positiv.“ Dafür brauche es aber auch aktive Beteiligungen der Betriebe. „Die Motivation kommt nicht allein von Jugendlichen, sie muss angeschoben werden.“

Ein Problem sei allerdings, dass nach wie vor zu wenig Betriebe Projektwochen anbieten würden, so Aicher. "Nicht alle Firmen nehmen sich die Zeit dafür und stellen Betreuungsperson zur Verfügung, ihnen ist der Aufwand zu groß." Dass coronabedingt viele berufspraktische Tage ausgefallen seien, komme erschwerend hinzu. Eine Konsequenz sei, dass nun viele aus Sicherheitsgedanken weiter zur Schule gehen und nicht in die Lehre wechseln würden.

Virtuelle Besichtigungen

Relativ zeitnah zur Veröffentlichung der Studie griff die Wirtschaftskammer (WKO) ein ähnliches Thema auf. Manpräsentierte das Konzept virtueller Betriebsbesichtigungen.

Rund 60 VR-Brillen liegen dafür in den Berufsinformationszentren der Landeskammern bereit, um Jugendlichen corona-konform Einblicke in zukünftige Arbeitsumfelder zu geben.

Wer sich die Brille aufsetzt, kann sich durch Berufskategorien navigieren, steigt mit Spengler-Lehrlingen aufs Dach, kann sich durch Werkstätten bewegen, Floristen und Tapezierern bei der Arbeit zuschauen. Ersetzen soll das Tool die berufspraktischen Tage nicht, heißt es von der WKO. "Wir setzen nur dort an, wo man Junge am besten abholen kann: mit einem Spiel.“

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